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20.11.20 / ENERGIEPOLITIK / „Es droht eine dramatische Deindustrialisierung“ / Interview mit Wulf Bennert und Helmut Waniczek über die Folgen des Strebens von EU und Bundesregierung nach „Klimaneutralität“ bis 2050

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 47 vom 20. November 2020

ENERGIEPOLITIK
„Es droht eine dramatische Deindustrialisierung“
Interview mit Wulf Bennert und Helmut Waniczek über die Folgen des Strebens von EU und Bundesregierung nach „Klimaneutralität“ bis 2050
Norman Hanert

Nach dem Willen von EU und Bundesregierung soll Europa bis 2050 „klimaneutral“ werden. Über die Konsequenzen dieses Plans hat sich der PAZ-Mitarbeiter Norman Hanert mit dem Energieexperten Prof. Dr. Wulf Bennert und dem früheren Industriemanager Dr. Helmut Waniczek unterhalten:

Herr Prof. Dr. Bennert, welche Auswirkungen sind zu erwarten, wenn sich die energieintensiven Branchen auf „klimaneutrale“ Energieträger umstellen müssen?

Die Herstellung von Stahl, Aluminium und Kupfer sowie von Glas und sehr vielen Chemikalien erfordern gigantische Mengen an Prozesswärme. Bislang standen zu ihrer Erzeugung die Energiequellen Steinkohle, Braunkohle, Koks, Erdöl und Erdgas, aber auch Strom aus Kern- und Kohlekraftwerken zur Verfügung. Sie alle sollen wegen einer fragwürdigen „Rettung“ des Weltklimas nicht mehr genutzt werden. Stattdessen glaubt unsere Politik, das „Neue Erdöl“ Grüner Wasserstoff könne die notwendige Wärme liefern. Doch dieser Wasserstoff ist keine Energiequelle, sondern nur ein Speichermedium mit sehr schlechtem Wirkungsgrad. Und damit ist er sehr teuer. Die staatliche Energieagentur ENA rechnet allein für die Stahlindustrie mit jährlichen Mehrkosten von 12,8 Milliarden Euro. Tatsächlich sind die Mehrkosten viel höher. Die „klimaneutrale“ Elektroenergie aus Wind und Sonne zeigt ebenfalls schon deutlich ihre verheerenden Auswirkungen auf die Industrie – und das nicht nur durch die welthöchsten Strompreise, deren unvermeidliche weitere Steigerung durch Steuergelder kaschiert werden soll. Es wird immer schwerer, eine kontinuierliche Stromversorgung zu gewährleisten: 2018 musste die deutsche Aluminiumindustrie bereits 78 Abschaltungen erdulden. Und die Erklärung des Staatssekretärs im Bundesumweltministerium Jochen Flassbarth, „Grundlast im klassischen Sinne wird es nicht mehr geben“, bedeutet, dass zukünftig Strom nicht mehr geliefert wird, wenn man ihn braucht, sondern, wenn just welcher da ist. Weder die geplanten „Klimaabgaben“ an den EU-Grenzen noch die Absicht des Wirtschaftsministers, der Industrie die „technologischen Mehrkosten“ aus Steuergeld zu ersetzen, können verhindern, dass Deutschland eine dramatische Deindustrialisierung bevorsteht.

Herr Dr. Waniczek, aus Sicht der Bundesregierung ist Wasserstoff ein Schlüsselelement der „Energiewende“. Sind nach Ihren Industrieerfahrungen mit Wasserstoffanlagen die Hoffnungen in diesen Energieträger berechtigt?

Die „Nationale Wasserstoffwirtschaft“ ist keine tragfähige Idee, sie zeigt stattdessen die Hilflosigkeit der Bundesregierung gegenüber dem offensichtlichen Scheitern der Energiewende. Die Prozessschritte der Wasserstoffwirtschaft sind seit langer Zeit bekannt; sie wurden aber von der Industrie niemals aufgegriffen, weil ihr Einsatz unwirtschaftlich ist. Wasserstoff kommt in der Natur nur chemisch gebunden vor, zum Aufbrechen dieser Bindung wird sehr viel Energie benötigt. Die Wirkungsgrade bei der Umwandlung von Strom in Wasserstoff und weiter zu dessen Anwendungen oder wieder in elektrischen Strom sind so schlecht, dass man von einem Energievernichtungsprogramm sprechen kann. Zusätzlich führt die geringe Dichte des Wasserstoffs zu aufwendigen Prozessen bei seiner Lagerung, dem Transport und der Verwendung, die zusätzliche Energie benötigen.

Wie sieht es um die Eignung von Wasserstoff als Treibstoff für Fahrzeuge aus?

Fast jede Energieform ist als Treibstoff für Fahrzeuge grundsätzlich geeignet, auch Strom, Druckluft, sogar Holzgas und eben auch Wasserstoff. Die Frage ist aber, wie viel wir bereit sind, für den Transport zu bezahlen. Unter den Bedingungen der jetzigen Energiewende werden wir den Gütertransport und den Individualverkehr dramatisch einschränken müssen. Und da wir im Wettbewerb mit anderen Industrienationen stehen, müssten wir mit dem Antrieb durch Wasserstoff nicht nur einen Wohlstandsverlust, sondern auch erhebliche Wettbewerbsnachteile hinnehmen. Bei der sogenannten Mobilitätswende sieht man die Planlosigkeit in der Wirtschaftspolitik der Bundesregierung. Wurden uns vor Kurzem noch Batterieautos als alleinige Lösung angepriesen, sind es jetzt auch Wasserstoffautos. Neben einer teuren Ladeinfrastruktur soll eine noch teurere Wasserstoffinfrastruktur aufgebaut werden. Woher für beide Mammutprojekte dann die Primärenergie kommen soll, bleibt ungeklärt. Wenn wir irgendwann die fossilen Energieträger ersetzen wollen, wird das ohne Kernenergie nicht möglich sein. Der Rest der Welt geht diesen Weg.

Prof. Dr. Wulf Bennert und Dr. Helmut Waniczek sind zusammen mit Prof. Dr. Hans-Güter Appel und Prof. Dr. Wolfgang Merbach Autoren der Schrift „Kann der Mensch das ,Klima retten‘?“, die im Kaleidoscriptum-Verlag erschienen ist