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20.11.20 / Der Wochenrückblick / Aufmerksam / Wie der Corona-Nebel gefährlich ausdünnt, und was gewisse Nachbarn schon immer gern trieben

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 47 vom 20. November 2020

Der Wochenrückblick
Aufmerksam
Wie der Corona-Nebel gefährlich ausdünnt, und was gewisse Nachbarn schon immer gern trieben
Hans Heckel

Vom Zeitablauf ist das natürlich sehr ungünstig. Am vergangenen Montag wollten sich so viele Ministerpräsidenten nicht der Merkel-Linie in Richtung eines noch härteren Lockdowns beugen, dass die Versammlung der 17 Weisen (Kanzlerin plus 16 Länderchefs) um neun Tage auf den kommenden Mittwoch vertagt werden musste. 

Warum das wirklich unglücklich gelaufen ist, belegen die Zahlen. Schon am vergangenen Wochenende wurde messbar, dass der Höhepunkt der zweiten Corona-Welle erreicht war, ab Montag darauf ging es dann abwärts mit der Menge der „Neuinfektionen“, die zum Großteil sowieso gar keine „Infektionen“ sind, da die geringe Viruslast oft gar nicht zur Infektion ausreicht. Das lassen wir aber hier mal beiseite.

Nun steht zu befürchten, dass es bis zum Mittwoch, dem 25. November, alles noch viel schlimmer, also besser wird. Das macht es nicht gerade einfacher, die Notwendigkeit einer Verschärfung der Maßnahmen verständlich zu machen. Die Leute könnten auf den teuflischen Gedanken kommen, dass diese Verschärfungen gar nicht so sehr den Gesundheitsschutz zum Ziel haben, sondern irgendetwas anderes. So betrachtet wäre eine weitere Verschärfung trotz einer abnehmenden Gefahr nachvollziehbar. Es wächst also das Risiko, dass der dicke Corona-Nebel, hinter dem man diese „anderen“ Absichten verbirgt, angesichts rückläufiger Positivtests gefährlich dünn werden könnte.

Warum drehen sie in dieser prekären Situation nicht einfach die Nebelmaschinen hoch? Leicht gesagt, aber leider arbeiten die Apparate bereits am Anschlag. Also gilt es, das Erreichte wenigstens für die Zukunft zu sichern. Daher das neue Infektionsschutzgesetz, das die neu gewonnene Macht der Herrschenden über die Beherrschten, früher „Bürger“ genannt, auf Dauer stellen soll.

Quertreiber warnen vor einem angeblich dramatischen Abbau von demokratischen Rechten durch das Gesetz. Aber da erklingen bloß die Verschwörungstheorien der „Leugner“-Szene. Unsere Bürgerrechte und unsere Demokratie bleiben selbstverständlich unbeeinträchtigt. Und das selbst jetzt, mitten im Fegefeuer der Pandemie, wie Friedrich Merz im „European“ allen Zweiflern ins Stammbuch schreibt. Er schlägt vor, wie wir beides gleichzeitig hinbekommen, nämlich das Demonstrationsrecht aufrechtzuerhalten und gleichzeitig den Rest des Landes vor den Widerspenstigen zu schützen: „Jeder kann weiter Demonstrationen anmelden und durchführen, sie werden aber bis auf Weiteres nur außerhalb der Innenstädte genehmigt – auf großen Parkplätzen am Wochenende oder auf freien Flächen. Sie werden von Anfang an durch ein hohes Polizeiaufgebot kontrolliert und bei Verstößen gegen Auflagen wie die Maskenpflicht und Abstandsregeln sofort aufgelöst.“

Das ist doch eine wunderbare Lösung! Alle dürfen demonstrieren, allerdings nur dort, wo man sie weder sieht noch hört und außerdem umringt von Sicherheitskräften. Wie wär’s, wenn die Regierung fest umzäunte „Demonstrationslager“ vor der Stadt einrichtet, in welche sich die Unzufriedenen begeben, um ihre Übellaunigkeit in die Drahtverhaue zu brüllen? Wenn es zu Unbotmäßigkeiten käme, müsste man nur die Tore schließen, und alle säßen in der Falle. 

So hätten die Regierenden auch die Teilnehmerzahlen dieser Zusammenrottungen besser im Griff. Sobald ersichtlich wird, dass es zu viele werden könnten, um noch von einer „kleinen radikalen Minderheit“ zu sprechen, werden die Tore geschlossen und die Nachrückenden nach Hause geschickt. Ausgenommen die Antifa, versteht sich. Einer muss ja für die gewünschten Schlagzeilen sorgen: „Gewalttätige Ausschreitungen im Zusammenhang mit einer Demonstration gegen die Corona-Maßnahmen“.

Mindestens ebenso wichtig wie abschreckende Maßnahmen gegen die Aufmüpfigen bleibt die Unterstützung der Regierungslinie durch einsichtige Zeitgenossen. Das funktioniert ganz hervorragend, wie ein Vorgang im Ruhrgebiet beispielhaft bestätigt. In Oberhausen hatten rund 100 negative Elemente, überwiegend Jugendliche, ein Fußballspiel veranstaltet. Dieses Vergehen blieb nicht unentdeckt: Wie örtliche Medien berichten, hat ein „aufmerksamer Nachbar“ die Polizei verständigt, welche die Übeltäter mit allem Nachdruck verfolgt hat.

Deutschland, was wärst du in Geschichte und Gegenwart nur geworden ohne „aufmerksame Nachbarn“ überall im Lande! Dieser „Nachbar“ entspricht einem Typus, den es wohl schon immer gab, vom Christenverpetzer im Alten Rom und Hexen-Aufdecker in der frühen Neuzeit über Gestapo-Zuträger und Stasi-Spitzel bis zum Corona-Wächter. Moment, darf man das so einfach vergleichen? Kommt darauf an, hier geht’s ja nicht um Inhalt oder Folgen des Verrats, sondern um das Wesen des Verräters an sich, auf das wir gucken. So dürfte der Christenverpetzer des 3. Jahrhunderts seinem Bruder im Geiste, der 500 Jahre später genau jene ans Messer der Schwertmission lieferte, die sich dem nunmehr vorherrschenden christlichen Glauben eben nicht anschließen wollten, geglichen haben wie eine Ratte der anderen. Diese Figur wabert durch die Zeitalter, immer aalglatt angepasst an das, was die Herren der jeweiligen Epoche von so einer Existenzform erwarten. Das spürt der Denunziant instinktiv und macht sich dienstbar.

Schade, dass Joachim Fernau nicht mehr lebt. Der begnadete preußische Geschichtssatiriker starb knapp ein Jahr vor dem Mauerfall und wurde noch 1989 von einem Literaturlexikon als „umstritten“ gebrandmarkt. Sie wissen, was „umstritten“ heißt: Es war und bleibt äußerst lesenswert. Fernaus Spezialität war es, bestimmte Charakterformen auf den Punkt zu bringen in ihren alle Zeiten überdauernden Stärken und Schwächen.

Seine Zeit als Kriegsberichterstatter im Zweiten Weltkrieg wurde ihm später übel vorgehalten. Er stand es durch. Heute hätte der Bestseller-Autor seine Freude daran, uns aus gegebenem Anlass mit einer die Jahrhunderte überspannenden „Geschichte des aufmerksamen Nachbarn“ zu erfrischen. Wir würden staunen, welche Ähnlichkeiten Fernau über 2000 Jahre hinweg aufdecken würde.

Eine wäre sicherlich, dass der Denunziant sein trübes Treiben meist als Verteidigung einer höheren Moral rechtfertigt. Und wenn das nicht geht, weil’s mit der „Moral“ im Einzelfall des Verratenen nicht so hinhaut, verschanzt er sich hinterm „Prinzip“, das schließlich von den Autoritäten aufgestellt wurde und daher durchgesetzt werden müsse, vernünftig und moralisch oder nicht.

Nur aus dem Prinzip „Kein Gruppensport wegen Ansteckung“ haben sie sogar Hallentennis verboten, bei dem sich die Sportler für gewöhnlich kaum näherkommen als zwei zutiefst verfeindete Gäste in einem ansonsten leer gefegten Restaurant. Wehe dem, der beim Tennisspielen vom „aufmerksamen Nachbarn“ ertappt wird! Der Griff zum Telefon wäre gewiss. Und ein zufriedenes Grunzen hinter der Gardine, sobald die Polizei die Halle stürmt.