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27.11.20 / Zum ersten Advent / Vorweihnachtszeit in Pommern / Was wäre die schöne, lichtvolle Adventszeit ohne die althergebrachten Rituale

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 48 vom 27. November 2020

Zum ersten Advent
Vorweihnachtszeit in Pommern
Was wäre die schöne, lichtvolle Adventszeit ohne die althergebrachten Rituale
Brigitte Stramm

Kaum eine andere Zeit im Laufe eines Jahres versetzt uns so in Freude und lässt alle traditionellen Vorbereitungen zu einem jährlich wiederkehrenden unverzichtbaren Ritual werden. Das wird in vielen Familien wie selbstverständlich zelebriert, stets gewürzt mit Erzählungen: Weißt du noch, damals. Zumeist startete alles mit dem Backen der Weihnachtsspezialitäten. Die alten Rezepte wurden hervorgeholt und es dauerte nicht lange, bis der vertraute Duft dieses ganz besonderen Gebäcks durchs Haus duftete. Gerade in diesem Corona-bedingt „sehr speziellen“ Jahr möchten wir noch mehr an Althergebrachtem und Vertrautem festhalten. Deshalb tauchen Sie bitte ein in die Adventsaktivitäten im alten Pommern. Genießen wir alle doppelt die Zeit der Lichter. Die Stettiner Adventsrose vermittelt dabei heimatliche Stimmung.

Dem schönsten und besinnlichsten der Feste gingen wochenlange Vorbereitungen voraus. Es fing im Herbst mit der Schlachterei an, so dass zum Fest dann gut abgehangene Braten, duftende Spickgänse, all die guten Wurstsorten, und andere Spezialitäten für den eigenen Tisch und die vielen Weihnachtspakete fertig waren. 

Viel Überlegung brauchten auch die mancherlei Wunschzettel. Die jungen Mädchen, die meist jahrelang auf den Höfen waren, wünschten sich als Hauptgeschenk immer Aussteuerwäsche, sie fingen an mit Bettwäsche, Handtüchern, Tischwäsche, dann kam der Silberkasten und zum Schluss Kaffee- und Essservice. So war es schon zu Großmutters Zeiten und so war es noch bei unserm letzten Weihnachtsfest in der Heimat. Es blieb jedes Jahr noch nebenbei so viel übrig, dass Geschenke zum sofortigen Gebrauch dabei waren. 

Lichterfunkelnde Schummerstunde

Aber wie stolz waren sie auf ihre gut gefüllten Aussteuerkisten, mit denen sie dann getrost den Start in den eigenen Hausstand wagen konnten. Solange die Kinder klein waren, wurden auf dem eigenen Hof Pferdeställe und Bollerwagen, Puppenbettchen, Schiebkarren und Piekschlitten hergestellt, sie überdauerten Generationen. Weihnachtsbesorgungen wurden in der nächstgelegenen Stadt oder in der Kreisstadt gemacht. 

Im Dezember, zur Zeit des Hengstmarktes, auch in Stettin, der schönen Landeshauptstadt. Da traf sich dann das ganze Land und es blieb neben der Veranstaltung reichlich Zeit für den Weihnachtsmann. Schon die ganze Adventszeit war in den Häusern des Dorfes alles festlich geschmückt und jede Mutter sah darauf, dass Zeit blieb zum Licht anstecken am Adventskranz und zum Singen all der lieben alten Lieder. Die lichterfunkelnde Schummerstunde war besonders schön bei knackendem Frost und leise fallenden Schneeflocken, in den Händen duftende Pfeffernüsse. 

Zutaten in Settern angerührt

Jeder hatte seinen alten ererbten Schatz an Familienrezepten, die zum Fest alle wieder gebacken wurden. Urgroßmutters Ausstecher, die dicken Thorner, weiße und braune Pfeffernüsse, darinnen all die Gewürze mit den klingenden Namen: Cremor Tartari (Weinstein), Koriander, Kaneel. Später kamen die Mürbchen dazu, Heidesand, Spekulatius, Marzipan und Nougat. Keine Arbeit wurde gescheut, kein Backtag war zu lang. 

In Pommern wurden die Zutaten in Settern angerührt, das sind riesengroße irdene Schüsseln. Den Stollenteig dagegen in den hölzernen Backmulden, den „Müllen“. Teig, der abends glatt und „schier“ eingerührt, an den noch warmen Ofen geschoben wurde, war morgens, wenn man die weißen Backlaken abnahm, kraus und unbeschreiblich gut duftend. Er war „kurz“ und ließ sich herrlich verarbeiten. Trotz ihres reichlich großen Pflichtenkreises ließ sich keine pommersche Landfrau bei ihren Backvorbereitungen jagen. Alles geschah „sinnig“, trotzdem flink und immer blieb Zeit, drei segenbringende Kreuze mit der Hand in den Teig zu drücken.

Landkinder, die sich sonst am liebsten ordentlich den Wind auf dem Eis um die Ohren pusten ließen, wurden ganz zahm, wenn sie helfen durften. Leider, leider wurde dabei immer gesungen, so dass es ein Kunststück war, Kandis, Mandeln oder Sukkade in ungehörigen Mengen zu naschen. Ebenso von dem Teig, den sie alleine zu Figuren formen durften. War zu viel Teig in den Magen gewandert, entschloss sich der kleine Sünder, dass eigentlich Pfeffernüsse viel idealer wären als Weihnachtsmänner, die so viel Teig zum Gedeihen brauchten. 

Julklapp alter Brauch in Pommern

In die Nacht des kürzesten Tages, dem Julabend, dem Fest der Wintersonnenwende, fällt der Julklapp-Brauch. Mit dem Ruf „Julklapp“ warf man in die Stuben von Verwandten und Freunden ein riesiges Paket mit einem kleinen Geschenk und einem selbstverfassten Gedicht darin. Der Geber versuchte nach Möglichkeit unerkannt zu entkommen. Diese Julklappsitte hat die bekannte schwedische Parallele.

Es ist aber nicht erwiesen, dass dieser alte Brauch in Pommern aus dem Schwedischen stammt, da das Gebiet des Pommerschen Julklapp-Brauches nach Westen und Osten weit über das alte schwedische Herrschaftsgebiet herausreicht und der Brauch noch weitere Parallelen hat.

(gelesen in alten pommerschen Aufzeichnungen)