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15.01.21 / 100 Jahre Burgenland / Eine kleine Ausnahme von der Regel

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 02-21 vom 15. Januar 2021

100 Jahre Burgenland
Eine kleine Ausnahme von der Regel

„Österreich ist das, was übrig bleibt“, sagte der französische Ministerpräsident Georges Clemenceau bei der Neuordnung Europas nach dem Ersten Weltkrieg. Der Verliererstaat des Ersten Weltkrieges verlor nach der Niederlage einen Großteil seiner Gebiete. 

Da ist es geradezu exotisch, dass mit dem Burgenland ein kleines Gebiet hinzukam. Dieser Gewinn ist wohl nur damit zu erklären, dass die damit verbundene Grenzverschiebung nicht zulasten eines neutralen oder gar eines Siegerstaates erfolgte, sondern auf Kosten Ungarns, das von den Siegern ebenfalls zu den Kriegsverlierern gezählt wurde. Die österreichisch-ungarische Grenze war eine innerhalb des Verliererlagers, und deshalb konnten sich die Sieger großzügig zeigen und das vorgeblich ihre Neuordnung Europas bestimmende Selbstbestimmungsrecht der Völker zur Anwendung bringen. Deutsch-Westungarn, wie der mehrheitlich von Deutschen bewohnte österreichisch-ungarische Grenzstreifen zwischen der Slowakei im Norden und Slowenien im Süden damals noch vielsagend genannt wurde, sollte also zum deutschen Staat Österreich kommen. 

Abgesehen vom Selbstbestimmungsrecht der Völker sprach noch Weiteres aus Sicht der Sieger für diese Grenzverschiebung. Weitaus stärker noch als Berlin durch die Abtrennung Ostdeutschlands nach dem Zweiten Weltkrieg ist Wien durch die Zerschlagung der Donaumonarchie nach dem Ersten Weltkrieg in eine Randlage geraten, welche die Versorgung der Metropole mit Lebensmitteln aus dem Umland zu gefährden drohte. Zudem war Ungarn vom 21. März bis zum 1. August Räterepublik, und die allesamt kapitalistischen Siegermächte hatten kein Interesse daran, einen sozialistischen Staat zu schonen.

Österreich stand vor der Frage, wie es seinen Territorialgewinn nennen sollte. Es entschied sich schließlich für „Burgenland“, denn das Gebiet setzte sich aus Teilen von altungarischen Komitaten (Verwaltungseinheiten) zusammen, die allesamt den Bestandteil „burg“ im Namen führten: Wieselburg (Moson), Ödenburg (Sopron) und Eisenburg (Vas). Die formelle Eingliederung des Neuerwerbs regelte vor 100 Jahren das Bundesverfassungsgesetz über die Stellung des Burgenlandes als selbstständiges und gleichberechtigtes Land im Bund und über seine vorläufige Einrichtung vom 25. Januar 1921.

Ungarn leistete jedoch hinhaltenden Widerstand mit irregulären und teils auch regulären Truppen. Unter dem Einfluss Italiens, das wegen der Annexion des vormals österreichischen Südtirols ein stärkeres Interesse an einer Schwächung Österreichs als Ungarns hatte, kam es zu einem Kompromiss: Das Burgenland kam grundsätzlich zu Österreich, zu dem es heute noch gehört; aber in Ödenburg (Sopron), das eigentlich die Hauptstadt des Burgenlandes hatte werden sollen, und dessen für die Wasserversorgung der Stadt wichtigem Umland wurde separat abgestimmt. Diese Volksabstimmung vom 14. und 16. Dezember 1921, deren Korrektheit umstritten ist, hatte das offizielle Ergebnis, dass die Mehrheit in der Stadt für Ungarn und in dessen Umland für Österreich gestimmt habe. In der Konsequenz verblieb Ödenburg samt Umland bei Ungarn, zu dem es bis heute gehört.Manuel Ruoff