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05.03.21 / Kommentare / Riskanter Kurswechsel

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 09-21 vom 03. März 2021

Kommentare
Riskanter Kurswechsel
Manuela Rosenthal-Kappi

Um den Geldgebern der EU seinen Reformwillen unter Beweis zu stellen, um den nationalistischen Kräften in seinem Land nachzugeben oder um den vorauseilenden Gehorsam gegenüber dem neuen US-Präsidenten Joe Biden unter Beweis zu stellen, hat der ukrainische Präsident Wladimir Selenskij drei russischsprachige Fernsehsender abgeschaltet (siehe Seite 6). Einen Oligarchen-Sender hat er allerdings vergessen zu sanktionieren, nämlich den Sender 1+1 des in der Ukraine äußerst umstrittenen Oligarchen Igor Kolomojskij. Ob das daran liegt, dass Selenskijs erfolgreiche Komikserie „Diener des Volkes“ jahrelang über diesen Sender ausgestrahlt wurde und Kolomojskij es war, der den Schauspieler 2019 ins Amt gebracht hat?

Selenskij, der selbst aus dem russischsprachigen Südosten der Ukraine stammt, hat einen riskanten Kurswechsel eingeschlagen, wenn er statt auf eine Politik des Ausgleichs zu setzen, seine politischen Gegner scharf angreift. Seine Beliebtheitswerte sind bereits in den Keller gesunken. Einer Umfrage zufolge würde nur noch ein Fünftel der Ukrainer wieder für Selenskij stimmen. Seine Unterstützer, die ihm geglaubt hatten, er werde den unpopulären Krieg in der Ostukraine schnell beenden, wurden bitter enttäuscht. Korruption und Rechtlosigkeit herrschen immer noch vor in der Ukraine, versprochene Reformen blieben aus. 

Die Enttäuschung spielt der Oppositionsplattform des Oligarchen Viktor Medwedtschuk in die Hände. In Umfragen liegt sie bereits auf Platz eins, während die Präsidentenpartei an Zustimmung verliert und selbst im Parlament faktisch keine Mehrheit mehr hat. Die rechtliche Grundlage für Selenskijs Senderschließungen ist dünn. Selbst russlandkritische Journalisten sprechen von einem Angriff auf die Meinungsfreiheit.

Die Ukraine ist mehr denn je auf die Hilfe des Westens angewiesen, doch der will vor allem Ergebnisse bei der Korruptionsbekämpfung sehen. Und wie die USA mit nicht mehr haltbaren Statthaltern umgehen, dürfte hinlänglich bekannt sein.