18.05.2024

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Folge 28-21 vom 16. Juli 2021 / Kriminaltelepathie / Eine Frau, an die man glaubte (oder auch nicht) / Hellseherische Fähigkeiten einer Ostpreußin – Das Trancemedium Else Günther-Geffers klärte vor rund 100 Jahren Kriminalfälle auf

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 28-21 vom 16. Juli 2021

Kriminaltelepathie
Eine Frau, an die man glaubte (oder auch nicht)
Hellseherische Fähigkeiten einer Ostpreußin – Das Trancemedium Else Günther-Geffers klärte vor rund 100 Jahren Kriminalfälle auf
Bettina Müller

Berlin, im Februar 1929. Neugierig standen Menschen vor Berliner Litfasssäulen und begutachteten ein Filmplakat mit dem Titel „Somnambul“, das von einer weißhaarigen Dame mit entrücktem Gesichtsausdruck dominiert wurde. Else Günther-Geffers, so ihr Name, war damals keine Unbekannte. Sie galt damals als das berühmteste Trancemedium Deutschlands, das vor allem Kriminalfälle durch seine geistigen Kräfte lösen konnte. 

Die am 11. Juli 1871 im ostpreußischen Gumbinnen als Elsbeth Geffers geborene Tochter eines Oberpostdirektors spürte schon als junges Mädchen, dass sie über ungewöhnliche Fähigkeiten verfügte. So sagte sie zum Beispiel einer ahnungslosen Schulkameradin deren Schwangerschaft voraus. Empörung bei der Schuldirektorin und ein Schulverweis waren die Folgen, dann aber die Rehabilitation, als Elses Vorhersage auch tatsächlich eintraf.

1897 heiratete sie den Kaufmann Kurt Günther, und Elses mysteriöse Fähigkeiten rückten zunächst zugunsten des Familienlebens – das Ehepaar bekam insgesamt drei Kinder – in den Hintergrund, ließen sie aber nie wirklich los. Um 1912 begann sie mit dem Handlesen, dann fiel sie bei einer Séance in Königsberg völlig überraschend in Trance, und so begann die Karriere der „merkwürdigen Else“, wie Verwandte sie getauft hatten, denen die junge Frau schon immer irgendwie unheimlich gewesen war. 

1921 gründete sie ihre eigene Detektei namens „Animismus“, eine Erfolgsgeschichte, denn Aufträge bekam sie mit zunehmendem Bekanntheitsgrad reichlich. Als zum Beispiel im Kreis Rastenburg der Knecht eines Rittergutsbesitzers verschwand, wurde sie mit der Suche beauftragt. In Trance nahm sie die Spur des Verschwundenen auf, ging zu einem See in der Nähe und zeigte dann feierlich auf die Stelle, an welcher der Knecht angeblich im Sumpf versunken war, Kopf und Hände waren dabei angeblich nach unten gerichtet, so behauptete sie. Die Suche nach der Leiche blieb jedoch ohne Erfolg, bis schließlich Monate später an derselben Stelle Rohr geschnitten wurde. Entsetzte Schreie über einen grauenhaften Fund, denn die Arbeiter waren auf die mit Kopf und Händen nach unten liegende Leiche des Knechtes gestoßen. 

Filmrolle in „Somnambul“

In der Regel gelangten derart spektakuläre Erfolgserlebnisse des Trancemediums auch in die Zeitungen der Reichshauptstadt. In den 1920er Jahre wurde Berlin von einem „okkultistischen Fieber“ erfasst, sodass auch das Trancemedium aus der fernen Provinz dort zu zweifelhaftem Ruhm gelangte. Denn wie immer polarisierte sie: Die einen verehrten sie wie eine Heilige, die anderen hielten sie für eine Schwindlerin, sodass sie mehrmals wegen Betrugs vor Gericht gestellt wurde. 1928 endete der „Insterburger Hellseherprozess“ mit einem Freispruch in allen Anklagepunkten. Doch der war ambivalent, genauso wie Else Günther-Geffers: 25 Mal hatten ihre Fähigkeiten versagt, 25 Mal war sie erfolgreich gewesen. 

Der „Sensationsprozess“ führte dann auch zu ihrer Filmrolle in „Somnambul“, der vorher eigentlich „Die Hellseherin“ geheißen hatte. Er wurde von der Filmoberprüfstelle verboten und musste gekürzt und umbenannt werden, sodass von der Kriminaltelepathin nur eine unwichtige Nebenrolle übrigblieb. 

1932 sorgte sie in den USA als „Hexe“ aus Deutschland für Schlagzeilen, als sie dort ihren Sohn besuchte. Dann zog sie sich aus der Öffentlichkeit zurück und arbeitete nur noch als Geistheilerin. Am 19. August 1959 ist die „viel besprochene, berüchtigte und berühmte Hellseherin“, wie sie sich selber sah, in Treuenbrietzen in Brandenburg gestorben.