18.05.2024

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Folge 30-21 vom 30. Juli 2021 / KunstAusstellung / Dem Volk ins Gesicht geschaut / Berliner Gemäldegalerie präsentiert eindrucksvolle Zusammenstellungen von Meisterwerken der Spätgotik

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 30-21 vom 30. Juli 2021

KunstAusstellung
Dem Volk ins Gesicht geschaut
Berliner Gemäldegalerie präsentiert eindrucksvolle Zusammenstellungen von Meisterwerken der Spätgotik
Dirk Klose

Die Berliner Museen sind wieder geöffnet, und die Gemäldegalerie am Kulturforum lockt gleich mit einem Juwel: „Spätgotik – Aufbruch in die Neuzeit“ lautet die bis zum 5. September dauernde Ausstellung, in der die Umbruchzeit von Mittelalter zur Renaissance am Beispiel der Kunst dokumentiert wird. Gezeigt werden Gemälde und Altaraufsätze, Druckgraphik, Skulptur und Kunsthandwerk aus dem mittel- und westeuropäischen Raum.

Es ist eine kleine, aber ungemein informative Ausstellung mit Meisterwerken aus allen genannten Bereichen. Was generell an dieser politisch und künstlerisch so bewegten Umbruchzeit vom Mittelalter zur neueren Geschichte fasziniert, ist die Diskrepanz zwischen noch weitgehend traditioneller Mentalität und neuen technischen Errungenschaften wie Hoch- und Tiefdruckstichen, Buchdruck (eine Gutenberg-Bibel wird auch in der Ausstellung gezeigt). Mit der Erfindung des Papiers wurde kurz vor 1400 das teure Pergament zugunsten sehr viel billigerer Darstellungsmöglichkeiten abgelöst. Das löste fast schlagartig eine größere Verbreitung von Graphik und Zeichnung aus.

Die traditionellen, stark von christlichen Überlieferungen geprägten Darstellungen überwiegen noch. Die gezeigten Kreuzigungsszenen haben einen drastischen, oft bei den brutalen Kriegsknechten geradezu sadistischen Ausdruck. Andererseits zeigen Mariendarstellungen bei Christi Geburt nicht mehr eine schier unnahbare Himmelskönigin, sondern eine junge Frau gleichsam aus dem Volk. Für ersteres steht die siebenteilige virtuose Karlsruher Passion (um 1450), für letzteres Werke etwa des Elsässer Malers Martin Schongauer (um 1475).

Neben Künstlern wie Al­brecht Dürer und Tilman Riemenschneider, dessen vier Evangelisten des Münnerstädter Altars aus dem Bode Museum als Höhepunkt spätmittelalterlicher Skulptur gelten, lernt man damals ebenso beliebte Zeitgenossen wie Hans Multscher, Hans Pleyenwurff oder Jakob Elsner kennen. Die berührende, aus Kalkstandstein geformte Skulptur „Bildnis eines Melancholikers“ von Niclaus Gerheart von Leyden, eine Leihgabe aus Straßburg, unterscheidet sich in ihrer Expressivität kaum von Werken des deutschen Expressionismus im 20. Jahrhundert.
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