18.05.2024

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Folge 39-21 vom 01. Oktober 2021 / Bilanz einer Ära Die unbewältigten Integrationsprobleme durch Masseneinwanderung, eskalierende Kosten der Energiewende, marode Infrastruktur und Digitalisierungsrückstände zeichnen Deutschland heute aus / Großbaustellen, die Merkel hinterlässt / Während viele die scheidende Bundeskanzlerin als Stabilitätsanker sehen, hat ihre Politik für zahlreiche Unsicherheiten gesorgt

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 39-21 vom 01. Oktober 2021

Bilanz einer Ära Die unbewältigten Integrationsprobleme durch Masseneinwanderung, eskalierende Kosten der Energiewende, marode Infrastruktur und Digitalisierungsrückstände zeichnen Deutschland heute aus
Großbaustellen, die Merkel hinterlässt
Während viele die scheidende Bundeskanzlerin als Stabilitätsanker sehen, hat ihre Politik für zahlreiche Unsicherheiten gesorgt
Robert Mühlbauer

Im Großen und Ganzen sei nichts schiefgelaufen, so hat Angela Merkel vor einigen Monaten die deutsche Corona-Politik beschrieben. Da kann man geteilter Meinung sein. Und ihre Kanzlerschaft insgesamt? Sind die 16 Jahre im Großen und Ganzen gut gelaufen? Ihre Fürsprecher lobten die Kanzlerin als Stabilitätsanker im Meer der Unsicherheiten. Deutschland stehe zudem wirtschaftlich am Ende ihrer Kanzlerschaft gut da, betonen die Merkel-Freunde. Noch nie habe man solchen Wohlstand, so hohe Beschäftigung erreicht. Es stimmt, die Arbeitslosigkeit ist auf den niedrigsten Stand seit der Vereinigung gesunken.

Allerdings sind keine Wirtschafts- oder Sozialreformen Merkels bekannt, die dazu maßgeblich beigetragen hätten. Sie scheute große Reformen. Die Wende zu geringerer Arbeitslosigkeit ist ihrem Vorgänger Gerhard Schröder und seiner Agenda 2010, einer schmerzhaften Rosskur, zu verdanken. Hinzu kam der Aufschwung großer Schwellenländer und besonders Chinas. Der Export boomte. Deutsche Ingenieure und Facharbeiter, die Autos in Wolfsburg oder Untertürkheim bauen, profitierten davon. Die Einkommen stiegen, auch wenn aktuell die Reallöhne wegen der Inflation bröckeln. Ist der Wohlstand Deutschlands wirklich dauerhaft gesichert?

Weltspitze bei Strompreis

Eine Großbaustelle der Merkel-Zeit ist die Energiewende. Kein anderes Land der Erde steigt gleichzeitig aus Atomkraft und Kohle aus. Erneuerbare Energien wie Solar- und Windanlagen werden durch die EEG-Umlage subventioniert. Eine Folge ist, dass der Strompreis in Deutschlands mittlerweile an der Weltspitze liegt. Zugleich sind die hiesigen CO₂-Emissionen weniger gesunken als in einigen Nachbarländern, weil Deutschland durch den hastigen Atomausstieg länger an Kohlestrom festhalten muss. An der merkelschen Energiewende werden die Deutschen noch schwer tragen.

In ihre Amtszeit fällt auch der Beginn der EU-Schuldenunion. Eurobonds, also gemeinsame EU-Schuldtitel, werde es nicht geben, „solange ich lebe“, tönte die Kanzlerin vor einem Jahrzehnt. Inzwischen gibt es Eurobonds, nur unter anderem Namen. Für den Corona-Hilfsfonds von 750 Milliarden Euro hat die EU-Kommission mit der Ausgabe von EU-Schuldenpapieren angefangen. Von den einstigen zentralen Versprechen der CDU zur Euro-Währungsunion („Wir haften nicht für fremde Schulden“) blieb in den Merkel-Jahren nicht viel übrig. Der Euro bleibt eine instabile Baustelle.

Die umstrittenste Entscheidung der Bundeskanzlerin fiel im Herbst 2015. Ihre Grenzöffnung für Zehntausende Migranten, denen Hunderttausende weitere folgten, hat das Land tief verändert. Bis heute ist die Integration der mehr als 1,5 Millionen aus Syrien, Irak, Afghanistan, aus dem weiteren Nahen und Mittleren Osten, aus Afrika und vom Balkan nicht gelungen. 

Sechs Jahre nach der großen Flüchtlings- und Migrantenwelle sind sie keineswegs in den Arbeitsmarkt integriert, wie Optimisten damals versprachen. Die große Mehrheit der erwerbsfähigen Syrer in Deutschland (65 Prozent) lebt ganz oder teilweise von Hartz IV; später beziehen viele staatliche Grundrente. Dies belastet auf Jahrzehnte die Sozialstaatskassen. Fachleute gehen von dreistelligen Milliardenbeträgen aus.

Auch die Kriminalitätsbelastung ist gestiegen. Die Asylsuchermigranten – überwiegend junge, entwurzelte und frustrierte Männer – sind in der Kriminalstatistik bei Drogen-, vor allem aber Gewaltdelikten überproportional vertreten. Unfreiwillig komisch war es, dass Merkels CDU im NRW-Landtagswahlkampf 2017 Großplakate druckte mit der Aufschrift „Ich fühle mich hier nicht mehr sicher. Warum tun die nichts?“. Eine Auswertung des Bundeskriminalamtes (BKA), die das Magazin „Focus“ vor Kurzem publizierte, kam zu dem Ergebnis, dass fast 2000 Tötungsdelikte (Mord, Totschlag und fahrlässige Tötungen) in den Jahren 2016 bis 2020 auf das Konto von Asyl-Einwanderern gingen. Im Bundestagswahlkampf 2021 spielte das Thema Innere Sicherheit bemerkenswerterweise nur eine sehr nachrangige Rolle.

Unglücklich gelaufen ist es für CDU-Kanzlerkandidat Laschet, der das mit Abstand schlechteste Unions-Wahlergebnis der Geschichte der Bundesrepublik eingefahren hat. Nach 16 Jahren Merkel-Regierung versprach er im Wahlkampf ein „Modernisierungsjahrzehnt“. Indirekt gab er damit zu, dass Deutschland Nachholbedarf hat bei der Infrastruktur und Digitalisierung. In den Merkel-Jahren hat der Staat weniger investiert als abgeschrieben wurde. Diese negativen Netto-Investitionen sieht man an bröckeligen Straßen, rissigen Brücken und gammeligen Schulgebäuden. Beim Ausbau von Breitband-Internet liegt das Land zurück. In der Corona-Krise sorgten Gesundheitsämter, die mit Fax-Geräten kommunizierten, für Kopfschütteln. Die deutsche Bürokratie wirkt in vielen Bereichen veraltet. Marode, unterfinanziert und demoralisiert ist auch die Bundeswehr.

Deutschland lebt von der Substanz

Rückblickend muss man sagen, dass Deutschland in den Merkel-Jahren von der Substanz gelebt hat. Die Grundlagen seines wirtschaftlichen Erfolgs sind gefährdet. Das sieht man an Schlüsselbranchen wie der Automobilindustrie. Die politisch erzwungene Wende zum Elektro-Auto macht sie verletzlich; mehr als 200.000 Arbeitsplätze können bei den großen Autokonzernen und Zulieferern wegfallen, ergab vor Kurzem eine Studie des Ifo-Instituts. Bei den wirtschaftlichen Zukunftsthemen wie IT, Künstliche Intelligenz und Plattformökonomie, die im amerikanischen Silicon Valley florieren, liegt das Land zurück. 

Deutschlands traditionelle, alte industrielle Stärken können in einer Zeit des rasanten digitalen Wandels unter die Räder kommen. Eine grün-ideologisch gefärbte Energiewende, deren Kosten aus dem Ruder laufen, bedroht den Standort. Die Post-Merkel-Ära wird von größten Unsicherheiten geprägt sein, ihr Nachfolger erbt riesige Baustellen.