Angesichts von Rekordpreisen für Erdgas und Tanklagern, die zu Beginn der Heizperiode nur dürftig gefüllt sind, verbreiten einige Abgeordnete des EU-Parlaments, Grünen-Politiker wie Annalena Baerbock sowie die Regierungen in Warschau und Madrid ihre Darstellung, wonach „Moskau“ die Gaslieferung in die EU gezielt verknappt hat. 

Demgegenüber steht der nüchterne Befund von Oliver Hermes, Vorstandsvorsitzender des Ost-Ausschusses der Deutschen Wirtschaft: „Gazprom erfüllt seine Lieferverträge“, bestätigte er. Mehr noch: russisches Pipeline-Gas ist derzeit deutlich günstiger als das Gas, das auf dem sogenannten Spotmarkt gehandelt wird.

„Dies schirmt Europa ein Stück weit gegen die hohen Weltmarktpreise ab“, so Hermes. Tatsächlich treiben aktuell gleich mehrere Faktoren den Preis für Erdgas in die Höhe. Die Weltwirtschaft nimmt wieder Fahrt auf. Dazu kommt eine drastisch steigende Nachfrage nach Flüssiggas in Asien.

In dieser Situation bekommen die Europäer schwere Fehleinschätzungen zu spüren, die der EU-Kommission unterlaufen sind. Ein kühler Winter und Windflauten haben in diesem Jahr bewiesen, wie unzuverlässig die Versorgung durch Erneuerbare Energien ist.

Brüssel hat obendrein jahrelang viel Ehrgeiz darauf verwendet, langfristige Lieferverträge für Erdgas einzuschränken. Nun zeigt sich: dies bringt für die Verbraucher nicht zwangsläufig immer fallende Preise mit sich. Eine Liberalisierung des Gasmarktes kann auch massive Preisausschläge nach oben bedeuten. Ebenso trügerisch war die Hoffnung, verflüssigtes Erdgas aus den USA könnte die Versorgungssicherheit in Europa garantieren. Insbesondere China treibt mit seiner Nachfrage die Preise für Flüssiggas in die Höhe. Großer Profiteur der Entwicklung sind die US-Gasexporteure, die immer mehr nach Fernost liefern. Mittlerweile ist der Umfang der Ausfuhren so groß, dass in den USA ganz offen Forderungen aus der Industrie nach Einschränkungen der Flüssiggasexporte laut werden.