18.05.2024

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Folge 41-21 vom 15. Oktober 2021 / Corona / Abschied von der schlanken Produktion / Unternehmen setzten verstärkt auf Lagerhaltung und kurze, krisenfeste Lieferketten

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 41-21 vom 15. Oktober 2021

Corona
Abschied von der schlanken Produktion
Unternehmen setzten verstärkt auf Lagerhaltung und kurze, krisenfeste Lieferketten
Norman Hanert

Nachdem bereits vergangenes Jahr die Fließbänder in Autofabriken Corona-bedingt zeitweise stillgestanden hatten, zwingt nun der Mangel an Halbleitern Autobauer weltweit dazu, die Produktion zu drosseln und Kurzarbeit einzuführen. Schätzungen des CAR-Instituts der Universität Duisburg-Essen gehen dahin, dass durch die anhaltenden Versorgungsschwierigkeiten dieses Jahr weltweit rund fünf Millionen Fahrzeuge nicht gebaut und verkauft werden können, obwohl für sie eine Nachfrage besteht. Von Lieferengpässen sind derzeit nicht nur Autohersteller, sondern auch viele andere Branchen betroffen. Im Fall der Autohersteller steht mit den Versorgungsproblemen aber eine ganze Produktionsweise unter einer Belastungsprobe. 

Weltweit orientieren sich die großen Autobauer am „Lean Manufacturing“, einem Konzept, das ursprünglich von japanischen Unternehmen entwickelt wurde. Japans Industrieunternehmen kämpften in den Nachkriegsjahrzehnten mit einer Knappheit an Kapital, materiellen Ressourcen und häufig auch Platz. In dieser Situation bot die „schlanke Produktion“ einen Ausweg, weil sie half, Fertigungstiefe, Lagerhaltung und Kapitaleinsatz der Unternehmen gering zu halten. 

Kernidee der „schlanken Produktion“ ist es, viele Komponenten eines Produkts nicht mehr selbst zu fertigen, sondern je nach Auftragslage bei Zulieferfirmen zu ordern und zeitlich genau abgestimmt zur Endmontage quasi bis ans Fließband anliefern zu lassen. Dem japanischen Autobauer Toyota, Vorreiter des „Lean Manufacturing“, war es bis Ende der 1980er Jahre so gelungen, den Aufwand zum Bau eines Autos innerhalb des eigenen Unternehmens auf 20 Arbeitsstunden zu senken. Bei Daimler-Benz waren es damals noch mehr als doppelt so viele. Mittlerweile hat sich die „schlanke Produktion“ weltweit in vielen Branchen zum Standard entwickelt und ist sogar zu einer Unternehmensphilosophie geworden.

Die Corona-Pandemie hat nun allerdings auch drastisch vor Augen geführt, dass „Lean Manufactoring“ verlässliche Lieferketten und auch kalkulierbare Absatzzahlen verlangt. Beides war während der Pandemie nicht mehr gegeben.

Aus Sicht vieler Unternehmen in Europa und den USA haben sich insbesondere die Lieferketten aus Asien als nicht krisenfest herausgestellt. Als Folge verstärkt sich eine Entwicklung, die bereits nach der globalen Finanzkrise eingesetzt hat. Unternehmen prüfen immer öfter, wie sinnvoll es ist, Lieferanten am anderen Ende der Welt zu haben. Resultat solcher Überlegungen ist der Trend, Lieferketten wieder zu verkürzen. Westeuropäische Unternehmen sehen sich schon seit einigen Jahren wieder verstärkt in Osteuropa und Nordafrika nach Zulieferern und Produzenten um. Experten wie Hartmut Egger von der Universität Bayreuth sehen als weiteren Trend nach der Pandemie, dass Unternehmen wieder verstärkt eine Lagerhaltung betreiben werden, um Ausfallrisiken bei den Lieferketten zu verkleinern.