18.05.2024

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Folge 49-21 vom 10. Dezember 2021 / Deutschland / Erfolgreich in allen Lebensbereichen / Wie der britische Journalist John Kampfner die Bundesrepublik im Vergleich zu England sieht

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 49-21 vom 10. Dezember 2021

Deutschland
Erfolgreich in allen Lebensbereichen
Wie der britische Journalist John Kampfner die Bundesrepublik im Vergleich zu England sieht
Karlheinz Lau

John Kampfner ist ein bekannter britischer Journalist mit internationaler Erfahrung. Sein Hauptinteresse gilt Deutschland vor und nach der friedlichen Revolution. Viele Jahre war er Korrespondent in dem damaligen Regierungssitz Bonn. Der Untertitel seines Buches „Warum Deutschland es besser macht“ lautet: „Ein bewundernder Blick von außen“. 

Es ist durchaus keine Jubelarie, sondern eine differenzierende, kritische und an den dargestellten Fakten orientierte Darstellung. Überwiegend die Verhältnisse in Großbritannien bilden das Material, das mit der Bundesrepublik Deutschland verglichen wird, aber auch Hinweise auf einzelne Mitglieder der EU werden einbezogen. Der Leser muss beachten, dass alle Aussagen von Kampfner seine persönliche Meinung sind, die keineswegs identisch mit dem ist, was in Großbritannien über Deutschland oder Angela Merkel geurteilt und gedacht wird. 

An Fakten orientierte Darstellung

Die Darstellung wird neben einer Einleitung und dem Ergebnis in sechs Kapitel gegliedert. Diese folgen der Chronologie, das heißt vom Ende des Zweiten Weltkrieges bis in das Jahr 2021. Der Autor behandelt die nach seiner Ansicht prägenden und wichtigen Ereignisse und Vorgänge der Entwicklung Deutschlands von der Stunde Null bis in unsere Gegenwart. Bis 1989 steht allerdings überwiegend Westdeutschland im Mittelpunkt. In diesem zeitlichen Rahmen setzt er die Vergleiche mit England an. Es ist also eine Art Geschichte der Bundesrepublik aus dem Blickwinkel eines britischen Journalisten. 

In den ersten Abschnitten seines Buches behandelt Kampfner die Frage, wie in Deutschland und Europa aus dem Chaos der in weiten Teilen des Kontinents völlig zerstörten Infrastruktur und mentalen Verzweiflung und Erschöpfung der Menschen eine Aufbruchstimmung entstehen konnte, aus den Ruinen und Trümmern herauszukommen. 

Bezugsgröße Britisches Empire

In England und Deutschland entwickelten sich sehr bald unterschiedliche Ansichten über die Gestaltung eines vereinten Europas, das noch 1946 von Winston Churchill als politische Hauptaufgabe der europäischen Einzelstaaten bezeichnet und gefordert wurde. Wie die Entwicklungen bis 2021 zeigen, saßen Deutschland und England in verschiedenen Booten. Nach Kampfners Ansicht ist England nicht richtig mit der EU warm geworden, was letztlich der Brexit zeigt. 

Die historische Bezugsgröße für viele Engländer sei nach wie vor das weltumspannende Britische Empire, die Siegermacht des Ersten und Zweiten Weltkrieges. Es ist also ein traditionelles Bewusstsein in dem Sinne, dass Großbritannien sich immer noch als eine souveräne und eigenständige Großmacht sieht. Dies erklärt die Leitlinien der englischen Politik. 

Und dies im Gegensatz zu Deutschland, das zumindest im Rückblick der letzten Jahrhunderte über keine glanzvolle Traditionslinie verfügt: zwei verlorene Weltkriege, die Verbrechen der nationalsozialistischen Schreckensherrschaft sind die Last, welche die Deutschen noch lange tragen müssen. 

Diese Auseinandersetzung mit der eigenen Geschichte begann nicht sofort nach 1945, in jenen Jahren standen die Beseitigung der Trümmer und der Notlagen der Menschen im Vordergrund und die beginnende Phase des Wiederaufbaus, die im Wirtschaftswunder ihre Fortsetzung fand. Erst zögernd begann die Beschäftigung mit der jüngsten Vergangenheit, mit der Zeit des Nationalsozialismus und dem Holocaust. Sie hält bis heute an und wird auch in Zukunft die innere Verfasstheit der deutschen Demokratie bestimmen. 

Beispielhaft für die Ernsthaftigkeit der Auseinandersetzung mit der eigenen Vergangenheit nennt der Autor den Warschauer Kniefall von Willy Brandt im Dezember 1970 und die berühmte Rede des früheren Bundespräsidenten Richard von Weizsäcker vom 8. Mai 1945 zum 40. Jahrestag der Beendigung des Krieges in Europa. Ein strategischer Unterschied wird auch deutlich im Bereich der Außenbeziehungen im Bezug zu Europa: die deutschen Bemühungen um Stabilisierung der EU und die britische Politik der Befreiung aus dem Korsett der EU mit den bekannten Folgen, die wir heute sehen. 

Bedeutung von USA und China

Kampfner warnt allerdings beide Seiten, die Bedeutung Chinas und der USA nicht zu unterschätzen. Deshalb fordert er, sie neu zu bewerten. Er spricht von einer langfristigen Verlagerung der amerikanischen Interessen weg von Europa und hin nach Asien. Der Schutzschild USA für Europa, so besonders im Kalten Krieg, gilt nicht mehr wie gewohnt. Das muss sich besonders Deutschland sagen. Der deutsche Weg in der Wirtschafts- und Finanzpolitik, in der Asyl- und Migrationspolitik, in der Arbeitsmarktpolitik, in der Energie- und Klimapolitik, in der Bekämpfung der Pandemie, aber auch die Stabilität der Demokratie und ihrer Institutionen, werden vom Autor im Vergleich zu den Nachbarstaaten gelobt, in Einzelpunkten aber durchaus kritisch gesehen. 

Deutschlands Stabilität

Als aktuelles Beispiel kann Nord Stream 2 genannt werden. Am Schluss seines Buches kommt der Autor zu folgendem Ergebnis: Sein Heimatland sei „ein klassisches Beispiel für Größenwahn, Inkompetenz – und Leid“ gepaart mit Selbsttäuschung – ein wahrlich hartes Urteil. Deutschland ist nach seiner Meinung seit dem Ende des Krieges eine erstaunliche Erfolgsstory und die Geschichte einer bemerkenswerten Stabilität in allen Lebensbereichen.

Es ist ein interessantes, aspektreiches und sehr lesenswertes Buch, das durch die persönlichen Kenntnisse und Erfahrungen des Autors an Authentizität gewinnt. 

John Kampfner: „Warum Deutschland es besser macht“, Rowohlt Verlag, Hamburg 2021,  gebunden, 207 Seiten, 12 Euro