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08.01.00 Rußland: Putin hält ihm den Rücken frei

© Das Ostpreußenblatt  / Landsmannschaft Ostpreußen e.V. / 08. Januar 2000


Rußland: Putin hält ihm den Rücken frei

Jelzins überraschender Rücktritt hatte nicht nur politische Gründe

Die Spekulationen darüber, daß der am 31. Dezember 1999 zurückgetretene russische Präsident Boris Jelzin vor allem deshalb sein Amt vorzeitig aufgab, weil er sich von dem im August des letzten Jahres zum Ministerpräsident ernannten Wladimir Putin Schutz vor Strafverfolgung erhofft, haben in den letzten Tagen erneut Nahrung erhalten. Mit der Übernahme des Präsidentenamtes hat Putin ein Dekret erlassen, das dem 68jährigen Jelzin neben der Immunität vor Strafverfolgung auch eine Altersversorgung auf Lebenszeit, die Nutzung eines Landsitzes der Regierung, Leibwächter sowie Gesundheitsversorgung für ihn selbst und seine Familie gewährt.

Bereits wenige Tage nach Erlaß dieses Dekretes machen neue Vorwürfe die Runde, die Jelzin in direkte Verbindung mit Geldwäschegeschäften bringen. Das US-Nachrichtenmagazin "Newsweek" will zum Beispiel erfahren haben, daß Jelzin auf Schweizer Bankkonten über ein Guthaben von mehr als 15 Millionen Dollar verfügt. Diese Konten sorgten bereits im vergangenen Sommer für Gesprächsstoff. Damals wurde Geldwäsche durch russische Regierungsvertreter und Geschäftsleute vermutet. Aufgeklärt werden konnten diese Geschäfte, in die auch die Jelzin-Tochter Tatjana Djatschenko verwickelt sein soll, bis heute nicht. Schweizer Ermittler brachten jetzt aber erstmals ausdrücklich den Namen Jelzin ins Spiel.

Daß Wladimir Putin Jelzin trotz aller Vorwürfe den Rücken freihält, muß gewichtige Gründe haben. Auffällig bleibt, daß es für die Absetzung des Putin-Vorgängers Stepashin im August 1999 keine nachvollziehbaren politischen Ursachen gab. Im Gegenteil: Die russische Wirtschaft zeigte unter Stepaschin Anzeichen einer leichten Erholung. Jelzin ging es aber wohl in erster Linie darum, die Macht auf eine Person zu übertragen, die ihm die Möglichkeit eröffnet, sein persönliches Schicksal und das seiner Familie zu sichern.

Erhebliches Kopfzerbrechen bereitete Jelzin im Frühjahr 1999 insbesondere die Aufdeckung zahlreicher Korruptionsskandale durch Generalstaatsanwalt Juri Skuratow, den Jelzin denn auch prompt entließ. Diese Entscheidung rief den massiven Widerstand des Förderationsrates hervor, der über das Amt des Generalstaatsanwaltes bestimmt. Auch die Kommunisten in der Duma machten gegen den Präsidenten mobil. Dazu kam noch der Nato-Krieg im Kosovo, der zu einer Stärkung der nationalen Gegner Jelzins führte. Der damalige Premier Primakow wuchs in dieser Situation mehr und mehr in die Rolle eines Einigers der Oppositionskräfte gegen den Kreml-Chef hinein. Die Folge: Primakow mußte gehen, und Stephaschin kam. Dieser schaffte es allerdings nicht, die Auseinandersetzungen zwischen Anatoli Tschubaijs, dem Vorsitzenden des russischen Energieriesen JES-Rossija und dem zwielichtigen Finanzmagnaten Boris Beresowski um die finanziellen und Rohstoffreserven Rußlands in den Griff zu bekommen.

Putin, ein bis zu seinem Amtsantritt eher farbloser Politiker, ist nach Primakow und Stepaschin bereits der dritte Premierminister, der dem Geheimdienstmilieu entstammt. Er wurde 1952 in Leningrad geboren, schloß 1975 ein Jura-Studium an der dortigen Universität ab und arbeitete bis zum Zerfall der Sowjetunion in der Ersten Hauptabteilung des KGB. Sein damaliges Aufgabengebiet: Auslandsspionage in der DDR in der Zeit von 1984 bis 1990. Nach seiner Rückkehr nach Rußland unterstützte er zunächst Anatoli Sobtschak bei der Wahl zum Bürgermeister von St. Petersburg. Nach dessen Kür besetzte Putin Schlüsselpositionen in der Petersburger Stadtregierung. Als Sobtschak bei der Wiederwahl im Jahre 1995 scheiterte, ging Putin nach Moskau, wo er hohe Positionen in der Präsidentenadministration übernahm.

Der politische Einfluß Putins vor seiner Ernennung zum Ministerpräsidenten muß als eher gering eingestuft werden. Neben seinen guten Verbindungen zum Geheimdienst ist er eng mit den sogenannten Reformern um Anatoli Tschubaijs verbunden, die von Jelzins immer wieder unterstützt worden sind. Ob es Putin gelingt, daß Diktum Stepaschins, daß Rußland eine "Bananenrepublik ohne Bananen" sei, zu entkräften, erscheint vor dem Hintergrund seiner Nähe zur "Jelzin-Familie" eher fraglich. Stefan Gellner