Gespräch mit dem Breslauer Stadtrat Michael
Kaczmarek:
Schlesisches Millenniumsfest
Am 24. Juni erreichen die 1000-Jahr-Feiern ihren Höhepunkt In welchem Zusammenhang
wurde Breslau erstmals in den Geschichtsbüchern erwähnt?
Kaczmarek: Im Jahre 1000 pilgerte der deutsche Kaiser Otto III. zum Grab des Hl.
Adalbert nach Gnesen. Damals wurde das Erzbistum Gnesen mit drei Bistümern in Krakau,
Kolberg und Breslau gegründet. Die ganze Pilgerfahrt hat der deutsche Chronist Thietmar,
Bischof von Merseburg, beschrieben.
Dabei erwähnte er erstmals in der Geschichte des Abendlandes den Namen Breslaus
ein Ereignis, das Anlaß gibt, auch über den kirchlichen Rahmen hinaus würdig gefeiert
zu werden.
Wofür Sie sich als Breslauer Stadtrat ja auch besonders eingesetzt haben.
Kaczmarek: Bereits im Jahre 1997 habe ich im Stadtparlament einen Beschluß zur
1000-Jahr-Feier herbeigeführt. Damals beauftragte mich Stadtpräsident Bogdan Zdrojewski,
einen Entwurf für ein Rahmenprogramm zu erarbeiten. Anfang 1998 war ich damit fertig und
hatte so die Basis für die weiteren Planungen geschaffen.
Nach der Kommunalwahl im Herbst 1998 wurden das Organisationskomitee und der
Programmbeirat zur Durchführung der offiziellen Feier gebildet.
Es gibt also zwei Gremien, die mit der Vorbereitung der Breslauer Jubiläumsfeier
befaßt sind?
Kaczmarek: Der Programmbeirat, dem auch kulturelle und wissenschaftliche Organisationen
und Institutionen sowie Vertreter der Medien angehörten, sammelte Ideen und machte
Vorschläge, während das Organisationskomitee als zuständiges politisches Gremium über
die Vorhaben entschieden hat.
Im Oktober 1999 verabschiedete der Stadtrat den endgültigen Programmentwurf des
Organisationskomitees.
Wann sind die zentralen Veranstaltungen geplant?
Kaczmarek: Im Jahre 1000 wurde Johannes der Täufer zum Patron des Breslauer Bistums
bestimmt. Daher werden die zentralen Jubiläumsfeierlichkeiten um den 24. Juni, seinen
Namenstag, stattfinden.
Können Sie schon genaue Termine einzelner Veranstaltungen nennen?
Kaczmarek: Für den 18. Juni ist eine Zusammenkunft noch lebender großer Breslauer
Persönlichkeiten geplant. Am 20. Juni wird eine internationale wissenschaftliche
Konferenz "1000 Jahre Erzbistum Breslau" durchgeführt und zugleich die
Ausstellung "1000 Jahre Erzbistum Breslau" eröffnet.
Am gleichen Tag ist außerdem ein Zusammentreffen der Staatspräsidenten all jener
Länder vorgesehen, zu denen Breslau im Laufe der Jahrhunderte gehört hat. Und am 21.
Juni steht die 9. Sinfonie Beethovens auf dem Programm mit einem polnischen
Dirigenten, einem tschechischen Chor, einem deutschen Orchester und österreichischen
Solisten.
Ferner wird am 22. Juni ein Kreuz als Symbol für das tausendjährige Jubiläum auf dem
Zobten eingeweiht. Und am folgenden Tag treffen sich die Oberbürgermeister der
Partnerstädte von Breslau und aller Stadtoberhäupter der Wojewodschaft Niederschlesien.
Auch der Görlitzer Oberbürgermeister Prof. Rolf Karbaum ist dann mit dabei.
Schließlich gibt am 29. Juli der weltbekannte schlesische Dirigent Kurt Masur ein
Konzert.
Das klingt vielversprechend. Doch was erwartet die Breslauer Bevölkerung und die
angereisten Gäste am Namenstag des Stadtpatrons selbst?
Kaczmarek: Am zentralen Gedenktag, dem 24. Juni, finden eine ganze Reihe von
Veranstaltungen statt, von denen ich nur die wichtigsten erwähnen kann.
An erster Stelle ist die Heilige Messe für die Stadt Breslau auf dem Ring zu nennen,
die von mehreren Kardinälen und Bischöfen aus Polen und den Nachbarländern zelebriert
wird. Auch der Breslauer Stadtrat führt an diesem Tag seine zentrale Feierstunde durch.
Den darauffolgenden Tag soll der Bevölkerung Gelegenheit gegeben werden, an einer
langen, um den gesamten Ring aufgestellten Tischreihe gemeinsam zu speisen. Gleichzeitig
stellen sich die Partnerstädte Breslaus vor.
Werden auch die vertriebenen Deutschen in die Feiern eingebunden?
Kaczmarek: Sowohl die vertriebenen Deutschen als auch die Deutsche Sozial-Kulturelle
Gesellschaft in Breslau haben in der Programmgestaltung ihren Platz.
Viele vertriebene Breslauer Persönlichkeiten zum Beispiel der Nobelpreisträger
Reinhard Selten und der Kölner Kardinal Joachim Meissner werden offiziell
eingeladen. Auch das örtliche deutsche Generalkonsulat hat an der Vorbereitung der Feiern
mitgewirkt.
In diesem Zusammenhang betone ich, daß wir bisher nur über das offizielle Programm
gesprochen haben. In einem unabhängigen Rahmenprogramm werden jedoch weitere
Organisationen in eigener Regie Veranstaltungen durchführen. Hier besteht auch für
schlesische Kultureinrichtungen in der Bundesrepublik Deutschland die Möglichkeit,
Beiträge zu leisten.
Wie stellt sich die Situation Ihrer Heimatstadt Breslau im Vorfeld des tausendsten
Geburtstages dar?
Kaczmarek: In den letzten zehn Jahren hat Breslau einen großen Aufschwung genommen. Zu
kommunistischer Zeit war es eine unbeachtete Stadt in der polnischen Provinz. Heute, zehn
Jahre nach der friedlichen Revolution und dem Fall der Grenzen, ist Breslau wieder vom
Rand in die Mitte gerückt.
Heute ist es von hier aus auch de facto wieder genauso weit nach Berlin wie nach
Warschau, und Dresden und Prag sind ebenso nah wie Krakau. Ganz Schlesien gewinnt
allmählich als Brückenlandschaft wieder an Bedeutung so wie früher, als Breslau
und Görlitz blühende Handelsstädte waren. Mittlerweile gehört die schlesische
Metropole zusammen mit Posen, Krakau und Danzig zu den fortgeschrittensten Städten
Polens.
Viele große westliche Investoren haben sich hier niedergelassen und dazu beigetragen,
die Arbeitslosigkeit einzudämmen. Breslau ist sogar als Austragungsort für die
Weltausstellung 2010 im Gespräch.
Unsere große Aufgabe ist es heute, dieser wachsenden europäischen Bedeutung durch
einen zügigen Ausbau der Infrastruktur, etwa im Bereich der Kommunikation, der
überregionalen Straßen- und Bahnverbindungen sowie des innerstädtischen Verkehrsnetzes,
gerecht zu werden.
Gerade durch die Partnerschaft mit Dresden und Wiesbaden sowie insbesondere durch den
am 17. September 1999 vereinbarten Freundschaftsvertrag zwischen dem Freistaat Sachsen und
der Wojewodschaft Niederschlesien versprechen wir uns Impulse für die Umsetzung dieser
Bemühungen.
Das genaue Programm kann über die Zeitschrift "Schlesien heute" angefordert
werden, in der das Interview in einer längeren Fassung zuerst erschienen ist (Brüderstr.
3, 02826 Görlitz), oder direkt beim Organisationskomitee im Breslauer Rathaus: ul.
Sukiennice 9, PL 50-107 Wroclaw
Zur Person:
Dr. Michael Kaczmarek wurde 1948 in Breslau geboren. Er arbeitet als Dozent für
Geschichte an der Universität Breslau und gehört für die Freiheitsunion (UW) dem
Stadtrat an. Außerdem ist Kaczmarek Mitglied der Deutschen Sozial-Kulturellen
Gesellschaft in Breslau und gehörte bis zum Herbst 1999 dem Vorstand der Stiftung Kreisau
an.