28.03.2024

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08.01.00 Ein Stück historisches Stettin

© Das Ostpreußenblatt  / Landsmannschaft Ostpreußen e.V. / 08. Januar 2000


Altstadt-Rekonstruktion:
Ein Stück historisches Stettin
Bis 2002 will eine Genossenschaft 140 Häuser wiedererrichten
Von Friedrich Nolopp

Die Bürgerhäuser aus der Barock-Zeit und Fassaden der Jahrhundertwende reihen sich am Stettiner Heumarkt aneinander, als hätten die Häuser schon immer dort gestanden. Dabei sind die zwei kompletten Altstadtviertel in der Nähe des Schlosses der Pommernherzöge seit 1995 auf historischen, zum Teil aus dem Mittelalter stammenden Fundamenten neu entstanden.

"Auf insgesamt 16 Hektar nach dem Krieg plattgemachten und teilweise bis zu zwei Meter mit Trümmerschutt aufgeschütteten Flächen am linken Oderufer baut unsere Wohnungsgenossenschaft ‚Podzamcze‘ bis 2002 ein Stück altes Stettin wieder auf", sagt deren Vorsitzender Jozef Kalinowski.

Von insgesamt 140 Häusern konnten bislang über 50 fertiggestellt werden. 38 davon seien schon verkauft worden, betont Kalinowski. Die Besitzer richteten in ihnen Geschäfte, Boutiquen, Gaststätten, Kellerkneipen sowie Büros und Wohnungen ein.

Architekturprofessor Stanislaw Latour, 1927 in Warschau geboren und seit den 50er Jahren in leitender Position in der Denkmalpflege tätig, hat den Wiederaufbau historischer Städte miterlebt. In Warschau wurde die Altstadt mit Abrißziegeln aus Stettin und Küstrin sowie anderen Städten detailgetreu wiedererrichtet, auch Danzig entstand neu. In Posen und Breslau errichtete man jeweils die zerstörten Altmärkte nach altem Muster.

Als Latour Anfang der 80er Jahre mit seinem Vorschlag, die Altstadt von Stettin neu entstehen zu lassen, einen Wettbewerb gewann, bestand allerdings ein gravierender Unterschied zu den vorherigen Leistungen polnischer Bauleute. "Hier gab es keinen Polen, der sich erinnern konnte, wie es einmal war, und so gingen wir neuen Einwohner der Stadt in die Archive", erinnert sich Latour. Bis "Podzamcze" mit der Stadt im reinen war, vergingen Jahre. Im Frühling 1995 erfolgte dann der erste Spatenstich.

"Wir haben mit unserem Projekt in mehrfacher Hinsicht Glück gehabt", meint Latour mit Blick auf den Stadtplan. Auf der Hochfläche westlich des Schlosses sind nach dem Krieg neue Wohnviertel in Ziegel- und Plattenbauweise entstanden. Der Baugrund, auf dem das alte Stettin einmal entstand, war demgegenüber für die Architekten der 50er und 60er Jahre wohl zu schlecht. Neuere Fotos zeigen zwischen der nach dem Krieg aus dem Boden gestampften Schnellstraße an der Oder und dem Schloß lediglich hohe Bäume.

41 Stettiner Architekten haben die Entwürfe für die Häuser der ersten beiden Altstadtviertel gefertigt. "Bei den Geschoßhöhen, der Größe der Fenster sowie der Form der Giebel und Dächer mußten wir uns an die Vorgaben der Denkmalpfleger halten", berichtet der junge Architekt Piotr Fiuk.

Mehrere Gebäude, darunter die Bürgerhäuser am Heumarkt, entstanden nach alten Plänen und Fotos bis ins letzte Detail neu. Doch eine Kopie wird die wiedererrichtete Altstadt nicht sein. Schließlich war Stettin noch bis ins 19. Jahrhundert von Festungsanlagen umgeben und konnte sich nicht ausdehnen. Enge Hinterhöfe waren zwangsläufig die Folge. Heute möchte niemand mehr so wohnen.