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22.01.00 Geheimnisvolle Botschaft

© Das Ostpreußenblatt  / Landsmannschaft Ostpreußen e.V. / 22. Januar 2000


Geheimnisvolle Botschaft

Von ROBERT JUNG

Als Walter Rathenau, der später ermordete deutsche Außenminister, noch Generaldirektor der AEG war, inspizierte er eines Tages die Stuttgarter Niederlassung seiner Firma. Dabei fiel ihm die Beschwerde einer Gemeinde aus dem Raum Köslin in die Hände. Überaus gewissenhaft war er selbst bei Beschwerden an Ort und Stelle zugegen. In diesem Beschwerdebrief hieß es wörtlich: "Bei uns ist es immer noch rabenschwarze Nacht, obwohl von Ihrer Gesellschaft in Stuttgart die Montage-Termine genauestens eingehalten wurden. Wenn es jedoch wie bei uns noch so finster wie im dunkelsten Urwald des Amazonas ist, so liegt es allein daran, daß der längst bestellte Transformator fehlt!"

Rathenau ließ sich auf der Stelle Bericht erstatten. Da er aber auch ein Mann der Kürze war und es ausgezeichnet verstand, mit völlig verschlüsselten Texten zu arbeiten, schickte er an die Gemeinde ein Telegramm ab. Doch dieses Telegramm sollte den damals regierenden Ortsoberhäuptern ein gewaltiges Kopfzerbrechen verursachen. In dem verschlüsselten Text hieß es wortgetreu: "an gemeinderat in x., aeg 518 vers 2, zeile 1 und 2, aeg stuttgart."

Die Gemeindeoberhäupter ließen einen Stoßseufzer nach dem andern von sich hören. Schließlich meinte einer der Neunmalklugen, man solle doch den sehr bibelfesten Pfarrer Krotzinger aus Köslin zu sich rufen und ihn bitten, den verschlüsselten Text aufzulösen.

Der sehr belesene Geistliche schlug das "Allgemeine Evangelische Gesangbuch" auf – abgekürzt AEG – und las den Verdutzten den Choral Nummer 518 vor. Dann seufzte er laut und deutete mit dem Finger auf die erste und zweite Zeile des Verses: "Eine Raffinesse sondergleichen!" Das Telegramm betraf den bestellten Trafo. – Der entschlüsselte Text aus dem genannten Choral war: "Macht eure Lampen fertig, er ist schon auf der Bahn!"