28.03.2024

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05.02.00 Freiwillig in den "Golf-Krieg"

© Das Ostpreußenblatt  / Landsmannschaft Ostpreußen e.V. / 05. Februar 2000


Bundeswehr:
Freiwillig in den "Golf-Krieg"
Vor allem Geld lockt die Soldaten in den Balkan-Einsatz

In Deutschland erfüllen Staatsbürger in Uniform das, was in anderen Ländern Aufgabe von Soldaten ist: Heimatverteidigung, Auslandseinsatz, Sicherung der außenpolitischen Handlungsfähigkeit.

In Deutschland werden die Soldaten deshalb gerne anders bezeichnet, weil sie dem Prinzip der Inneren Führung unterliegen. Als Instrument einer demokratisch verankerten Armee eingeführt, garantiert die Innere Führung ihren Staatsbürgern in Uniform Mündigkeit in jeder Lebens- und Gefechtslage. Ein kritisches Bewußtsein über die eigene Situation und Befindlichkeit und die Hinterfragung aller Befehle auf Gültigkeit für die eigene Person stehen im Katalog der Erziehungsziele der Bundeswehr ganz oben.

Man sollte also davon ausgehen können, daß jeder Angehörige der deutschen Einsatz-Kontingente auf dem Balkan genau weiß, warum er sich nach Sarajevo (Bosnien) oder ins Kosovo (Serbien) gemeldet hat. Seit der Besetzung Deutschlands durch Napoleons Truppen und den daraus folgenden Befreiungskriegen ist der Beweis erbracht, daß der Soldat unermüdlich, aufopferungsvoll und treu nur für sein eigenes Land, sein Volk und sein Hab und Gut kämpft. Für den Balkan-Einsatz taugt dieser Gedanke nicht.

Jedoch könnte sich der Staatsbürger in Uniform eine Rechtfertigungskette basteln und zu der Einsicht gelangen, daß Deutschland angesichts seiner Mitgliedschaft in Nato und "westlicher Wertegemeinschaft" einen Beitrag zu leisten hat. Die Sicherung amerikanischen Interesses könnte sich nicht zuletzt günstig auf den deutschen Vasallen auswirken. Aber auch die Orientierung an allgemeingültigen moralischen und ethischen Werten kann in den Überlegungen eines Bundeswehrsoldaten eine Rolle spielen. Eine – wenn auch beschränkte – Teilnahme am Einsatz in Ost-Timor folgt solchen Argumenten. Die kleine Gruppe der patriotischen Freiwilligen verweist auf die Vertreibungsgeschichte des deutschen Volkes. Nach solchen Erfahrungen könne man ähnlichem Treiben nicht tatenlos zusehen.

Umfragen unter einsatzerfahrenen Bundeswehrsoldaten haben jedoch – allen Erziehungsbemühungen der Inneren Führung zum Trotze – ernüchternde Ergebnisse zu Tage gebracht. Nicht umsonst bezeichnen vor allem die unteren Dienstgrade in entwaffnender Ehrlichkeit den Auslandseinsatz als "Golfkrieg", nach dessen Absolvierung man sich eben einen neuen VW-Golf kaufen könne. Geld in Form von steuerfreien Auslandszulagen ist der wichtigste Antrieb für die überwiegende Mehrheit der uniformierten Staatsbürger.

Im Vergleich zur Bezahlung eines im belgischen Ausland eingesetzten EU-Beamten ist die Vergütung zwar immer noch recht bescheiden; für einen Bundeswehrangehörigen nimmt sie jedoch im Vergleich zum Heimatgehalt geradezu paradiesische Züge an. Zusätzlich zum normalen Verdienst erhält jeder Einsatzsoldat täglich 130 Mark überwiesen, das summiert sich. Das Handgeld, das in der Art eines traditionellen Solds direkt vor Ort ausbezahlt wird, ist daneben eine vernachlässigbare Größe: ein paar hundert Mark im Monat, die im Normalfall zur Begleichung der laufenden Kosten am Tresen hinreichen.

Trotzdem hat das Verteidigungsministerium im finanziellen Bereich das Argument erkannt, mit dem die notwendige Anzahl Freiwilliger geködert und zum Einsatz verpflichtet werden kann: Nachdem die 12. Panzerdivision aus Sigmaringen nicht in der Lage war, 8000 Soldaten für das nächste Kontingent zu sammeln, mußte die 4. Gebirgsdivision in die Bresche springen. Sie arbeitete mit Broschüren und einem Plakat, das in großen Lettern verkündete, es seien noch Plätze frei. Fettgedruckt erschienen dann die finanziellen Anreize, von moralischer Verpflichtung oder außenpolitisch wünschenswertem Einsatz war keine Rede mehr, zumindest nicht auf dieser Ebene.

Das Verteidigungsministerium beugt sich damit einer Realität, die es nicht gäbe, wenn die Innere Führung angeschlagen hätte: Die Motivation der meisten Bundeswehrsoldaten ist frei von jeder ideellen Wurzel. Dem ersten Befehlshaber der deutschen Truppen im Kosovo, General Helmut Harff, wurde in einem Interview einmal die Frage gestellt, ob er bereit gewesen wäre, deutsche Soldaten zu opfern, um kosovarische Zivilisten zu retten. Er antwortete mit einer Gegenfrage: "Ist denn das Leben eines Kosovo-Albaners weniger wert als das Leben eines Soldaten, der zum Kämpfen ausgebildet ist? Wo bleibt das Völkerrecht, wo bleibt die Moral?"

Auch General Harff wird nicht daran vorbeikommen, den Einsatz-Anreiz deutscher Soldaten jenseits und – sozusagen – unterhalb moralischer Verankerungen zu suchen. Große menschenrechtliche Attitüden sucht man zwar auch bei französischen oder britischen Kollegen vergebens. Jedoch läßt sich wenigstens patriotische Substanz ausmachen, Überzeugungen also, für das eigene Land außenpolitisch etwas Nützliches beizutragen. In Deutschland hat die Innere Führung davon nichts übriggelassen. Was bleibt, ist der Wink mit dem Scheckbuch.

Götz Kubitschek