20.04.2024

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05.02.00 Die Partei hat (n)immer recht

© Das Ostpreußenblatt  / Landsmannschaft Ostpreußen e.V. / 05. Februar 2000


Spaltungen, Fusionen, Neugründungen:
Die Partei hat (n)immer recht
Parteien sind im Osten viel unbedeutender als in Deutschland / Von Martin Schmidt

Eines der bekanntesten Propagandalieder der DDR hat den heute satirisch anmutenden Refrain "Die Partei, die Partei, die hat immer recht."

Seit dem Untergang des kommunistischen Imperiums gehört auch die Alleinherrschaft der SED der Vergangenheit an. An ihre Stelle ist die bundesdeutsche Parteiendemokratie getreten, die in diesen Wochen und Monaten ihre bisher schwerste Krise erlebt. Dabei ist es erstaunlich, daß trotz des Ausmaßes des Spendenskandals der CDU und der SPD-Affären à la Glogowski, Schleußer oder Rau die etablierten Parteien und die gesetzlich zugelassenen Formen ihrer Finanzierung nicht grundsätzlich hinterfragt werden.

Zumindest in den Staaten des östlichen und südlichen Europas hätte es längst Abspaltungen und Neugründungen gegeben. Wie sehr die politische Szenerie beispielsweise in den ostmittel- und osteuropäischen Ländern im Fluß ist, deutet ein Rückblick auf den letzten Monat an.

Am 15. Januar hat ein vorläufiges Leitungsgremium das Gründungsmanifest und die Statuten der Europäischen Demokratischen Partei (EDS) formuliert. Den Vorsitz dieser neuen tschechischen Mitte-Rechts-Partei führt Pavel Maixner, einst Abgeordneter der national-chauvinistischen Republikaner, mit denen er jedoch nichts mehr zu tun haben will.

Die EDS vertritt nach eigenen Aussagen klar EU-freundliche Positionen und will einen allgemeinen Wandel des politischen Stils erreichen. Parteiämter dürfen bei ihr maximal zwei Legislaturperioden von ein und derselben Person besetzt sein, die sich danach aus der aktiven Parteipolitik zu verabschieden hat.

Auch in der Slowakei bahnt sich eine Erweiterung des Parteienspektrums an. Ministerpräsident Dzurinda kündigte am 17. Januar an, vor den nächsten Wahlen 2002 eine Formation unter dem Namen "Slowakische Demokratische und Christliche Union" gründen zu wollen.

Aus der zerstrittenen Sammlungsbewegung Slowakische Demokratische Koalition (SDK), der größten Regierungspartei, wolle er "bald" ausscheiden. Als Unterstützer der Initiative traten u. a. Außenminister Kukan, Kulturminister Knazko und Innenminister Pittner auf.

In Polen ist es unlängst zu einer für die EU-Beitrittsambitionen bedrohlichen Neugründung gekommen. Die landwirtschaftliche Gewerkschaft "Samoobrona" (Selbstverteidigung), die von Tadeusz Wilecki geführte Nationale Front sowie die Gewerkschaft "August 80" haben sich am 17. Januar zum "Nationalen Bauern-Block" zusammengeschlossen.

Der international bekannte Aktivist Andrzej Lepper ließ verlauten, die Sammlungsbewegung wolle eine Alternative sowohl zur regierenden Wahlaktion Solidarität darstellen wie zu den oppositionellen Postkommunisten (siehe OB 50/99, S. 6).

Auch im Baltikum war die Parteienlandschaft in den zehn Jahren der zurückgewonnenen Unabhängigkeit starken Wandlungen unterworfen. Dies gilt in besonderem Maße für Lettland. Bei den letzten Parlamentswahlen im Oktober 1998 wurde die gerade ein Jahr zuvor gegründete christdemokratische Volkspartei gleich stärkste Kraft, und auch die frisch entstandenen Sozialdemokraten sowie die "Neue Partei" zogen aus dem Stand in die Saeima ein.

Gewachsene Bindungen an bestimmte Parteien gibt es nicht. Der Wähler entscheidet jedesmal neu. Eine schlechte Politik oder die Häufung von Skandalen kann zum sofortigen politischen Exitus führen.

In Ungarn ist die traditionsreiche Kleinlandwirtepartei zwar wiedererstanden und trägt Regierungsverantwortung, und in Rumänien spielt die Bauernpartei (PNTCD) eine ähnliche Rolle. Trotzdem hat auch hier die lange Alleinherrschaft der Kommunisten eine Fortführung früherer Parteien sehr erschwert.

Die Schwäche und oft sogar Kurzlebigkeit von Parteien in Ostmitteleuropa sind gut ein Jahrzehnt nach dem revolutionären Wandel zweifellos Ausdruck einer noch nicht völlig überwunden Instabilität. Andererseits kann die bloß oberflächliche Verankerung von Parteien auch deren Verfilzung und die totale Inbesitznahme staatlicher Strukturen verhindern. Zwangsläufig rücken anstelle anonymer Apparate Persönlichkeiten in den Mittelpunkt des öffentlichen Interesses und der Macht. Daß das nicht unbedingt schlecht sein muß, veranschaulichen die Skandale im grundlegend anders organisierten Deutschland, die von den Kommentatoren zu einseitig auf das "System Kohl" verkürzt werden.