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12.02.00 Uröhmchen und das Millennium

© Das Ostpreußenblatt  / Landsmannschaft Ostpreußen e.V. / 12. Februar 2000


Uröhmchen und das Millennium
Von EVA PULTKE-SRADNICK

Uröhmchen sah und hörte schon sehr schlecht, aber es machte ihr insofern nichts aus, weil der liebe Gott sie mit einem fröhlichen Gemüt beschenkt hatte, das ihr auch in den hohen Jahren ihres Lebens nicht verlorengegangen war. Alles war ja so anders geworden als in ihrer Jugend. Manchmal dachte sie: Kommst gar nicht mehr so richtig mit. Denn es waren mittlerweile so viele fremde Wörter in ihren ostpreußischen Sprachschatz geraten, die sie nur noch nach dem Gefühl und im Zusammenhang mit dem Gesagten erfaßte – manchmal aber auch nicht. Aber wem schadt das was, pflegte sie dann zu sagen.

Ostpreußen war für sie überhaupt der Innbegriff allen Anstands und Lebens geblieben. Dahinter kam höchstens noch Amerika, was zum Glück sehr weit weg lag und sie demnach auch nichts anging. Eines aber wollte ihr nie und nimmer aus dem Kopf, warum und weshalb man ihr Heimatland so kampflos den Fordernden überlassen hatte. Fordern konnte, ihrer Meinung nach, jeder, aber beweisen mußte er es doch zuerst können, beweisen! Aber es hatte ja heute keiner mehr Sinn für das Ererbte.

Ex und hopp – diese Formulierung hatte sie schon längst begriffen. Dieses ließ sich doch aber nur mit alten Socken machen, die aber auch noch zum Klinken- und Schuheputzen zu gebrauchen gewesen wären, niemals aber doch mit einem Land – und seinen Menschen. Auf wen sollte man sich denn heutigentags bloß noch verlassen können? Andererseits wäre Ostpreußen auch niemals mit alten Socken zu vergleichen gewesen, eher wäre dafür die glänzende Klinke maßgebend.

Nun war dieses Wort Millennium aufgekommen, was Uröhmchen zuerst gar nicht mal richtig bemerkte, denn mit dem Geld geriet ja sowieso alles in Unordnung, mit diesem Euro eben. Na ja, dachte sie, war ja schon alles mal da: Goldmark, Taler, Reichsmark, Deutsche Mark, Euro – aber Millennium? "Um Himmels willen, Engelchen", sagte sie entsetzt zu ihrer Urenkelin Victoria, "kriegen wir jetzt womeglich wieder de Inflation?"

So murmelte sie eingedenk aller neu auf sie zukommenden Wörter fassungslos: Millennium, Millarium, Billarium – Errbarrrmung! Ett wedderhoalt söck doch allet wedder öm Läwe, öck hadd ett doch bäter weete motte, dachte sie traurig, wo öck doch schon allet mehrmoals erläwt hebb.

Am nächsten Tag bat sie alle Kinder und Enkel zu sich, die Stube wurde richtig voll. Dann erklärte sie ihnen, daß mittlerweile die Inflation nicht mehr aufzuhalten wäre. "Und darum, ihr Jungens", ja genau so sagte sie, "ihr werdet in diesem Sommer einen Omnibus schartern, wo wir alle so reinpassen. Ihr, meine Marjellchens, werdet dabei für das Allgemeinwohl wie Essen und Trinken sorjen. Jetzt jeht es ans Eingemachte. Kinderchens, wir verjubeln dann mein lätztes Jäld, was ich mir wieder so im Krepsch zusammengespart hab. Ich hab ja nich mehr lang zu leben, wir fahren noch einmal nach Hause. Wer weiß, was sich die Mänschen in ein paar Jahrchens noch alles Damliges ausdenken werden."

Als sie nun wieder allein war, mußte sie aber doch noch ein paar Wortchens mit dem lieben Gott reden, so konnte man doch nicht mit ihrem Land Ostpreußen umgehen. Es stand ihr ja nicht zu, mit dem Herrgott zu kabbeln. Aber einer mußte es ihm doch mal sagen. Wenn er bestimmt auch viel zu tun hatte, mittlerweile hätte es ihm doch auffallen müssen. Gewiß, es waren ja immer die anderen, daß wußte Uröhmchen schon längst, aber nie hätte es doch so geschehen dürfen: "So heimlich von hinten durch die Brust."