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19.02.00 Spionage:"Echelon": Der Große Bruder hört mit

© Das Ostpreußenblatt  / Landsmannschaft Ostpreußen e.V. / 19. Februar 2000


Spionage:"Echelon": Der Große Bruder hört mit
Das effektivste Abhörsystem der Welt kann jedes Telefongespräch mitschneiden

Die "National Security Agency" (NSA) ist der geheimste aller US-amerikanischen Geheimdienste. Mit Hilfe seines Spionageprogramms "Echelon" (Staffelung) können weltweit alle Telefonate, Faxe oder E-Mails abgehört werden. Experten vermuten, daß etwa 100 Milliarden Mitschnitte durch die NSA erfolgen. Anschließend würden sie auf bestimmte Begriffe aus der Terroristen-, Spionage- und Drogenszene untersucht. 140 000 Mitarbeiter zählt die NSA. Bei einem Jahresetat von etwa zehn Milliarden Dollar (etwa 20 Milliarden Mark) verfügt sie über das gewaltigste nachrichtendienstliche Arsenal der Welt. Rund 120 Spionagestationen gebe es weltweit, davon allein 17 in Deutschland. Beteiligt an "Echelon" sind neben den USA noch Großbritannen, Kanada, Neuseeland und Australien. Alle letzteren stellen jedoch nur das Territorium für die Anlagen zur Verfügung.

Noch im vergangenen Jahr gaben der Chef des Bundesnachrichtendienstes, August Hanning, und der Geheimdienstkoordinator  Ernst Uhrlau der deutschen Öffentlichkeit befriedigt zur Kenntnis, daß die von den USA betriebene Abhöranlage im bayerischen Bad Aibling keinerlei deutsche Bürger oder Unternehmen ausspioniere (Das Ostpreußenblatt berichtete). Tatsächlich wurden jedoch schon damals rund um die Uhr Gespräche von Deutschen vor allem durch die britische Abhörstation Menwith Hill abgehört. Auch Fälle von Wirtschaftsspionage zuungunsten Deutschlands waren bereits damals nachgewiesen.

Immer wieder war von interessierter Seite behauptet worden, das "Echelon"-System existiere überhaupt nicht und sei lediglich ein Produkt von paranoiden Verschwörungstheorien. Inzwischen ist aber aufgrund der "Freedom of Information Act" der Vereinigten Staaten ein Dokument gefunden worden, das ausdrücklich und unmißverständlich auf die Existenz von "Echelon" hinweist.

In der Tat gerät das Überwachungssystem international immer stärker in die Kritik. So will, wie vor einigen Tagen die Londoner "Times" berichtete, die französische Regierung die Regierungen der USA und Großbritanniens wegen Spionage verklagen. Die Franzosen berufen sich dabei ebenfalls auf Unterlagen über das Mammut-Spionageprojekt "Echelon", die seit etwa zwei Wochen auf der Internet-Seite der amerikanischen George-Washington-Universität öffentlich zugänglich sind. Dort werden die Aktivitäten von "Echelon" erstmals anhand von Originaldokumenten ausführlich belegt.

Der französische Anwalt Jean-Pierre Millet, der die Interessen der französischen Republik vertritt, ist außer sich. Laut "Times" richtet er an die US-amerikanische und die britische Regierung schwere Vorwürfe: "Sie können sicher sein: Jedesmal, wenn ein Mitglied des französischen Kabinetts mit seinem Handy telefoniert, wird das aufgenommen." Laut Aussage von Millet ist in Frankreich sogar der Versuch des Abhörens strafbar. Die entsprechende Rechtsgrundlage finde sich, so der Anwalt, im französischen Privatrecht. Auch im dänischen Massenblatt "Ekstra Bladet" wird die Praxis scharf angegriffen. In einer Reportage wurde eine der Erfinderinnen von "Echelon", Margaret Newsham, interviewt. Sie hat seit einer hochgeheimen Anhörung im US Kongress im Jahre 1988 über "Echelon" geschwiegen. Inzwischen glaubt sie, ihres Lebens nicht mehr sicher zu sein. Verzweifelt über das weltumspannende Überwachungssystem ist sie schon 1977. Damals war sie im britischen Menwith Hill stationiert.

Newsham: "An dem Tag, wo mir ernsthaft klar wurde, wie falsch das war, was wir taten, saß ich mit einem unserer vielen Übersetzer zusammen. Er war Experte für Russisch, Chinesisch und Japanisch. Auf einmal fragte er mich, ob ich ein Gespräch mithören möchte, das in den USA, in einem Büro im Gebäude des Senats geführt wurde. Ganz deutlich konnte ich eine Stimme mit einem Südstaaten-Akzent hören, die mir bekannt vorkam. ,Wer ist das?‘ fragte ich. ,Das ist Senator Thurmond‘, sagte der Übersetzer. Um Gottes willen, dachte ich, wir spionieren nicht nur andere Länder aus, sondern auch unsere eigenen Bürger. Da wurde mir klar, daß unsere Aktivitäten nichts mit der nationalen Sicherheit der Vereinigten Staaten zu tun hatten."

Der deutsche Geheimdienstkoordinator Uhrlau bleibt indessen bei seiner These, "Echelon"-Berichte seien "Unfug". Ähnliche Initiativen wie die von Frankreich sind nicht geplant. Amerikanische Pressestellen schweigen eisern. Arved Ascheraden