19.04.2024

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19.02.00 Ostsee oder Nordsee – wohin am besten zur Badekur?

© Das Ostpreußenblatt  / Landsmannschaft Ostpreußen e.V. / 19. Februar 2000


Stärkung für die Seele
Ostsee oder Nordsee – wohin am besten zur Badekur?

Die Frage hat sich für uns Ostpreußen nie gestellt, als wir noch in der Heimat lebten. Eine herrliche Kette von Kurorten lag ja an unserer Küste: Von Kahlberg auf der Frischen Nehrung über die wie Perlen auf der Schnur aufgereihten Badeorte des Samlands mit Cranz, dem ältesten preußischen Seebad, und weiter auf der Kurischen Nehrung bis Schwarzort. Wer seine Kindheit an der geliebten See verbringen durfte, hat wohl Kraft für Jahre und Jahrzehnte seines Lebens geschöpft. Und es zieht ihn auch im hohen Alter immer wieder zurück an die weiten Strände der Ostsee.

Und das hat auch vom gesundheitlichen Standpunkt seine Berechtigung, denn die Ostseebäder sind gerade für ältere Menschen besser zum Kuren geeignet als die Nordsee. Ärzte verschreiben deshalb Senioren wie Patienten mit ausgeprägten Herz- oder Kreislaufbeschwerden, hohem Blutdruck oder Schilddrüsen-Überfunktion eher einen Kuraufenthalt an der Ostsee als an der Nordsee. Denn See ist nicht gleich See, wie viele Menschen meinen. Und sie tappen prompt in die "Kur-Falle": Abgebrochene Aufenthalte, schlechte Kur-Erfolge oder gar ernsthafte gesundheitliche Schwierigkeiten sind dann die Folge, wie Hans-Helmut Krause, Leiter des Service-Centers "gesuma" der Norddeutschen Gesellschaft für Diakonie in St. Peter-Ording, immer wieder feststellen muß.

Zur Abhärtung und Stärkung an die Nordsee, zur Erholung für den geschwächten Organismus an die Ostsee – so sollte nach Meinung der Wissenschaftler die Faustregel lauten. "Die Nordsee meiden sollten in der Regel Säuglinge, Kleinkinder, sehr alte Menschen und Schwerkranke", rät Prof. Dr. Wolfgang Menger von der Universität Mainz, der die "Klimatherapie an Nord- und Ostsee" in seinem so betitelten Buch eingehend erläutert.

Für die Meteorologen herrscht an der Ostsee ein "abgeschwächtes Reizklima". Gunild Scheid, Medizin-Meteorologin beim deutschen Wetterdienst in Offenbach: "Die Ostsee, im Übergangsgebiet zwischen Atlantik und den eurasischen Landmassen, unterliegt kontinentalen Einflüssen, die nach Osten immer stärker werden. Das bedeutend zunehmend große Temperaturschwankungen im Jahresverlauf, niedrigere Luftfeuchte, geringere Bewölkung, weniger Niederschläge und Wind. Als Randmeer des Atlantik besitzt die Nordsee hingegen ein feucht-ozeanisches Klima mit mehr Regen, viel Wind und Wolken, milden Wintern, verstärkt durch die vor den nordfriesischen Inseln fließenden Ausläufer des atlantischen Golfstroms, sowie relativ kühlen Sommern."

Wer diese Nordsee-Witterung gut verträgt, kann dort auf wesentlich effektivere Linderung seiner Leiden hoffen. Vom Spätherbst bis zum Frühjahr ist das Reizklima am stärksten ausgeprägt. In dieser Zeit lassen sich die besten Kur-Erfolge bei Atemwegserkrankungen wie Asthma oder Bronchitis erzielen. Die Monate von Mai bis Oktober sind wegen des milderen Klimas für Asthmatiker weniger günstig. Dafür sollten Kurende mit Hauterkrankungen wie Neurodermitis oder Schuppenflechte, die viel Luft und Sonne an die Haut lassen müssen, diese Zeit wählen.

Bei richtiger Wahl der Kurortes und ganzheitlichem Therapie-Konzept lassen sich hervorragende Erfolge verzeichnen. Das ergab jetzt eine Pionierstudie der Universität Bremen über die Ergebnisse von Erwachsenenkuren in St. Peter-Ording. Unter wissenschaftlicher Leitung von Dr. Walter Samsel wurden über 2500 Patienten der Kureinrichtung "Köhlbrand", die im Zeitraum von 1991 bis 1998 eine Kur durchführten, detailliert nach Verlauf und Ergebnissen der Therapie befragt. Die häufigsten Krankheitsbilder waren chronische Rückenbeschwerden oder Bandscheibenleiden, chronische Bronchitis bzw. Bronchialasthma, Gelenkarthrose, Infektanfälligkeit und Hauterkrankungen. Über 90 Prozent der Befragten gaben an, daß sich ihr Gesundheitszustand durch die Kur verbessert habe, 51 Prozent antworteten sogar mit "deutlich verbessert". Folge: weniger Besuche bei Haus- und Facharzt, verbesserte Lebensqualität, weniger Medikamente, weniger Fehlzeiten im Beruf. Vier-Wochen-Kuren brachten deutlich höhere Langzeiterfolge als Kuren, die nur drei Wochen dauerten.

Aber eins ist wichtig bei ärztlich verschriebenen Kuren: Der Patient muß sich genau an den Kurplan halten. Und wer darüber hinaus eine aktive mitgestaltende Rolle bei der Wahl einzelner Therapien sowie des Tagesablaufes einnimmt, hat den größten Kurerfolg. Auch das ergab die Studie.

Ob als ärztlich verordneter oder aus freiem Entschluß gekommener Kurgast: Immer wird uns die See mehr als physische Stärkung bringen. Sie wird auch unserer Seele gut tun, weil sie uns zwingt, uns wieder auf die eigentlichen Werte zu besinnen. Wir Ostpreußen wissen das genau: Wer in die Unendlichkeit von Meer und Himmel schaut, wird die Schönheit der Natur wieder stärker erfassen können. Und das ist eine Therapie, die man sich selber verordnen kann. RVR