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26.02.00 Das historische Kalenderblatt: 25. März 1917

© Das Ostpreußenblatt  / Landsmannschaft Ostpreußen e.V. / 26. Februar 2000


Das historische Kalenderblatt: 25. März 1917
Kanzlerschaft auf tönernen Füßen
Bethmann Hollwegs Schwäche legte die politische Macht in die Hände der militärischen Gewalt
Von PHILIPP HÖTENSLEBEN

Wenige Wochen, nachdem das Deutsche Reich die Wiederaufnahme des uneingeschränkten U-Boot-Krieges erklärt hat, ist die Hoffnung auf einen baldigen Friedensschluß endgültig verflogen, und die Beziehungen zu den Neutralen sind schlechter als je zuvor in diesem Krieg. Dadurch kommt es zu einer schweren innenpolitischen Krise in Deutschland, und die Vorboten eines Kriegseintritts der USA mehren sich.

Im Herbst 1916 scheint es, als habe das Kriegsglück die Deutschen endgültig verlassen. Die Landfronten sind im Stellungskrieg erstarrt, und zur See übt Großbritannien unangefochten seine Seemacht aus. Seit der U-Boot-Krieg wieder mit den Beschränkungen des Prisenrechts geführt wird, drückt es Deutschland mit einer brutalen Hungerblockade nieder.

"U-Boot-Krieg gegen Hunger-Krieg" heißt jetzt die Devise der Militärs. Daher ersucht der Admiralstab den Kaiser am 22. Oktober um die Erlaubnis, den uneingeschränkten U-Boot-Krieg beginnen zu dürfen. Um seiner Forderung Nachdruck zu verleihen, legt er eine Denkschrift vor, in der er unter Hinweis auf wissenschaftliche Gutachten eine erhebliche Schädigung der britischen Wirtschaft durch die Angriffe der U-Boote prognostiziert. Die Marine glaubt, Großbritannien auf diesem Wege innerhalb weniger Monate zu einem Friedensschluß zwingen zu können. Unterstützung findet sie bei Hindenburg, der der Reichsregierung erklärt, daß der Krieg ohne diesen Schritt verloren sei.

Reichskanzler Theobald von Bethmann Hollweg sieht sich in der U-Boot-Frage einer fast geschlossenen Opposition von Heeres- und Marineführung gegenüber, die sich auf den täglich zunehmenden Druck der öffentlichen Meinung stützen kann. Grundsätzlich scheut der Kanzler eine Verschärfung des U-Boot-Krieges, da er für diesen Fall wenigstens mit einem Abbruch der diplomatischen Beziehungen zwischen dem Deutschen Reich und den USA rechnet.

Als der Reichskanzler am 8. Dezember in Pleß mit Hindenburgs Forderung konfrontiert wird, will er zuvor noch einen Versuch machen, sich mit den Kriegsgegnern zu verständigen, um damit die Feindseligkeiten auf politischem Wege zu beenden. Am 12. Dezember übergibt Bethmann Hollweg der amerikanischen Botschaft ein deutsches Friedensangebot. Allerdings ruft es bei den alliierten Regierungen ein negatives Echo hervor und wird auch vom amerikanischen Präsidenten skeptisch aufgenommen. Daher richtet Woodrow Wilson am 18. Dezember einen eigenen Friedensappell an die Kriegführenden und fordert sie zur Erläuterung ihrer Kriegsziele auf.

Auf diesen Friedensvorschlag antwortet die Reichsregierung mit einer deutlichen Ablehnung, denn tatsächlich will sie jede Einmischung der amerikanischen Regierung vermeiden und nur direkt mit den Feindstaaten verhandeln. Über die schwerwiegenden Folgen dieser Desavouierung des Präsidenten macht man sich in Berlin indes keine Gedanken. Die Reichsleitung sieht Wilson nur als Mittel an, um die Feindstaaten an den Verhandlungstisch zu bekommen oder um im Falle von deren Weigerung eine moralische Berechtigung zur Verschärfung des U-Boot-Krieges zu haben.

Angesichts dieser Entwicklung macht der Reichskanzler gegenüber Hindenburg deutlich, daß er die Ausweitung des Unterseekrieges als eine außenpolitische Angelegenheit betrachte, die in seine alleinige verfassungsmäßige Kompetenz falle. Hindenburg stimmt ihm hier zu, weist jedoch auf seine eigene Verantwortung für einen siegreichen Ausgang des Krieges hin.

Durch die schnelle deutsche Ablehnung des amerikanischen Vermittlungsangebotes wird den alliierten Regierungen, die keine Neigung verspüren, mit Deutschland über eine Friedensregelung in Verhandlungen zu treten, die Zurückweisung des deutschen Angebotes erleichtert. Am 30. Dezember veröffentlichen sie ihre Antwortnote, die so verletzend ist, daß die militärische Führung alle außenpolitischen Bedenken fallen läßt und die sofortige Anwendung des letzten Mittels, des rücksichtslosen U-Boot-Krieges, beschließt. Die Militärs sind jetzt sogar bereit, über innenpolitische Konsequenzen wie den Sturz des Reichskanzlers nachzudenken, falls sich die Reichsregierung in der U-Boot-Frage immer noch gegen sie stellen sollte.

Ein solcher Schritt ist jedoch nicht notwendig, denn Bethmann Hollweg, der eine schroffe Ablehnung der Alliierten vorausgesehen hat, verzichtet nun darauf, seine bekannte Position weiter zu verteidigen. Während einer Sitzung des Kronrates am 9. Januar 1917 in Pleß tragen Hindenburg und der Chef des Admiralstabes ihre Ansichten vor, denen der Reichskanzler nach kurzer Diskussion zustimmt. Er begründet dies damit, daß er sich nicht einer geschlossenen Forderung der militärischen Stellen entgegenstellen könne, und erklärt, daß man, "wenn der Erfolg winke", handeln müsse. Der Kaiser schließt sich dieser Ansicht an und entscheidet, den uneingeschränkten Unterseekrieg am 1. Februar zu beginnen. Damit hat sich die militärische Strategie gegenüber der Politik endgültig durchgesetzt.

Noch am gleichen Tag ergeht der Befehl des Kaisers, den bedingungslosen U-Boot-Krieg "mit voller Energie" wieder aufzunehmen. Vier Tage später wird der neue Operationsbefehl an die U-Boote ausgegeben, dem zufolge innerhalb eines bezeichneten Sperrgebietes alle als feindlich erkannten Handelsschiffe ohne Warnung versenkt werden dürfen. Außerhalb des Sperrgebietes sollen unbewaffnete Handelsschiffe nach Prisenordnung behandelt werden. Bewaffnete Fahrzeuge sind sofort anzugreifen. Zum Abschluß des Befehls wird betont, daß zur Abschreckung der Neutralen eine "möglichst starke Anfangswirkung von großer Bedeutung" sei.

Bethmann Hollwegs Politik ist gescheitert. Die bisherige Rücksichtnahme auf die USA hat sich für Friedensgespräche nicht ausgezahlt. Vielmehr hat die Wilson-Administration die Alliierten in immer größerem Ausmaß unterstützt. Einflußreiche Industrielle wie der Generaldirektor der Bayer-Werke, Carl Duisberg, und Emil Kirdorf vom Rheinisch-Westfälischen Kohlensyndikat sowie konservative und neoliberale Politiker verhandeln am 25. Februar im Berliner Hotel "Adlon". Sie verfassen eine Petition an den Reichstag, in der sie die Entlassung des Kanzlers fordern. Die Verfassung läßt diesen Schritt jedoch nicht zu. Gleichwohl wächst die Opposition gegen Bethmann Hollweg. Zugleich verschlechtert sich das Verhältnis zu den USA dramatisch.

Innenpolitisch endet die Krise schließlich mit dem Rücktritt des Kanzlers, außenpolitisch trägt sein Scheitern zur Ausweitung des Ringens zum Weltkrieg bei.