16.04.2024

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04.03.00 Mahnmal gegen Versailles

© Das Ostpreußenblatt  / Landsmannschaft Ostpreußen e.V. / 04. März 2000


Mahnmal gegen Versailles
Ausführliche Studie beleuchtet die Geschichte des Tannenberg-Nationaldenkmals

Die Anfänge für die Planung eines "Tannenberg- Nationaldenkmals" gehen zurück auf eine Feier zum 5. Jahrestag der Tannenberg-Schlacht (31. August 1919), die der Ostdeutsche Heimatdienst auf dem Feld von Sauden bei Hohenstein organisierte ("Die Grundsteinlegung für das Tannenberg-Nationaldenkmal und die Gründung des Tannenberg-Nationaldenkmal-Vereins"). Die Teilnehmer äußerten danach den Wunsch zur Errichtung eines Denkmals, was zur Berufung eines Denkmal-Ausschusses führte. Der Vorsitzende des Provinzial-Kriegerverbandes, Generalmajor a. D. Kahns (der übrigens kein Tannenberg-Veteran war), übernahm den Vorsitz. 1925 wandelte man den Ausschuß in den Tannenberg-Nationaldenkmal-Verein (TNDV) um. Bemerkenswert ist, daß der Ausschuß zum 10. Jahrestag der Schlacht die Grundsteinlegung für ein Denkmal in Sauden durchführte, ohne eine Vorstellung über Form, Größe, Umfang und Kosten zu haben – und das alles ein knappes Jahr nach Ende der verheerenden Inflation. Diesem Mangel half der TNDV durch Ausschreibung eines Wettbewerbs ab. Dieser Wettbewerb ist denn auch Gegenstand einer eingehenden Untersuchung, angefangen von der Zusammensetzung des Preisgerichts, den Wettbewerbsbedingungen, über die eingereichten Entwürfe und Urteile der Jury, der detailreichen Beschreibung des preisgekrönten Entwurfs der Berliner Brüder Krüger, bis hin zu den Angriffen auf den Wettbewerb selbst, die geradezu in eine Kampagne in der Architektenzeitschrift "Stadtbaukunst in alter und neuer Zeit" ausartete und schließlich 1926 vor einem Ehrengericht des Bundes Deutscher Architekten (BDA) landete. Der Streit, der dann nicht nur um den Wettbewerb ging, sondern sich auch auf die Brüder Walter und Johannes Krüger ausweitete, endete erst 1929 durch den Schriftleiter jener Zeitschrift, den Berliner Architekten Möhring. Viele Abbildungen der preisgekrönten Entwürfe geben eine gute Vorstellung der unterschiedlichen Intentionen der Denkmalsarchitektur jener Zeit.

Das Preisgericht hatte 1925 über 389 Beiträge von 352 Bewerbern zu entscheiden, wozu man die Halle I der Königsberger Ostmesse (nicht "Ostseemesse", wie der Autor Seite 33 behauptet) benutzte.

Buchstäblich ein Kapitel für sich war die "Finanzierung" des Projekts. Zwar war die Grundstücks- und damit die Standortfrage durch die großzügige Schenkung von Grund und Boden der Stadt Hohenstein an den TNDV gelöst, aber keineswegs die Baufinanzierung. Bei weitem reichten die Spenden aus den Reihen der ostpreußischen Veteranen dafür nicht aus. Der Plan für eine öffentliche Sammlung in Preußen wurde mit Hinweis auf die angespannte allgemeine wirtschaftliche Lage vom zuständigen Ministerium abgelehnt, dagegen ein Jahr später genehmigt, wie auch sämtliche deutschen Länderregierungen sowie der deutsche Städtetag sich damit einverstanden erklärten. Ohne Angabe einer Quelle vermutet Tietz eine direkte oder indirekte Einflußnahme des Ehrenvorsitzenden des TNDV, Reichspräsident v. Hindenburg, die diesen Sinneswandel hervorgerufen hätte (S. 45). Daß diese Mutmaßung ohne Substanz ist, läßt sich an Hindenburgs Haltung in der Reichsehrenmal-Frage leicht ablesen, in der er – trotz Bewerbung des TNDV für Hohenstein – sich für den Standort Bad Berka entschieden hatte, wie auch an der Tatsache, daß die politische Unterstützung der preußischen Staatsregierung durch die Verweigerung der Unterschrift des Ministerpräsidenten Otto Braun unter den Sammlungsaufruf und auch die Zuwendung größerer finanzieller Mittel für das Bauvorhaben von seiner Seite ausblieben.

Das Spendenaufkommen ergab eine stattliche Summe, so daß man nicht nur einen Turm, sondern alle weiteren sieben Türme mit den Umfassungsmauern erstellen konnte. Klar überschritten waren längst jene im Wettbewerb auf 250 000 Reichsmark begrenzten Kosten. In der Folgezeit nahmen Spenden, staatliche Zuwendungen, Eintrittsgelder durch die sich verschlechternde Wirtschaft spürbar ab, so daß der weitere Ausbau langsamer voranging. Trotzdem war das Interesse am Denkmal nach wie vor deutlich: 1929 waren es 70 000 Besucher gewesen, die in der kurzen Reisesaison von Mai bis September das Bauwerk anschauten.

Die Einweihungsfeier hatte der TNDV 1926 für den 2. Oktober 1927, den 80. Geburtstag des Reichspräsidenten (und nicht für den 2. August, wie angegeben. Das war Hindenburgs Sterbetag 1934), geplant. Durch den guten Zufluß der Geldmittel konnte der Rohbau des Denkmals schneller ausgeführt werden, so daß die Einweihung auf den 18. September festgelegt wurde. Die Terminwahl war also nicht "in unmittelbarem Zusammenhang mit dem 80. Geburtstag des ,Tannenbergsiegers‘" zu sehen, sondern auch wohl im Hinblick auf die in Ostpreußen oft schon früh einsetzenden Frosteinbrüche, die die Bautätigkeit nicht nur für Tage, sondern im ungünstigsten Fall auch Wochen, im Winter ohnehin, unterbrechen konnten. Den Höhepunkt der Einweihungsfeierlichkeiten bildete die Rede Hindenburgs, in der er sich gegen die im Versailler Vertrag verankerte Alleinkriegsschuld Deutschlands wandte. – Die vielen, meist noch unveröffentlichten Fotos, durchweg in guter Qualität, vermitteln übrigens einen lebendigen Eindruck in die damalige Bautechnik: Pferdewagen für den Materialtransport, Holzgerüste, große Sandsiebe, viele Maurer, aber auch schon ein Motormörtelmischer und für die Erdbewegungen Kipploren auf Feldbahngleisen.

Die Planung für die Einweihungsfeierlichkeiten war nicht reibungslos verlaufen. Unter anderem war die Nichtzulassung der Ansprache eines Rabbiners als Vertreter des jüdischen Frontkämpferverbandes mit "schlecht verhülltem Antisemitismus" und die Begründung dazu als fadenscheiniges Argument eingestuft (S. 54). Die Akten sagen dazu etwas anderes aus.

Die Fortführung des Baus, die Sinnstiftung der zentral orientierten Denkmalsanlage mit ihren Ehrenhallen und Türmen, Vergleiche mit anderen Denkmälern aus dem gleichen Zeitraum werden in diesem Kapitel erläutert, woraus hervorgeht, wie die Anlage und die Bedeutung im Laufe der Zeit wechselnde Zuordnungen erfahren. Hier muß man im Zusammenhang mit dem Fahnenturm, in dem die Fahnennachbildungen der an der Tannenberg-Schlacht beteiligten Regimenter aufgehängt wurden, einflechten, daß Regimentsfahnen keineswegs eine kaiserliche, sondern eine alte militärische Tradition haben und das Denkmal kaum dem "monarchistischen Selbstverständnis der Denkmalgründer" diente, wie es der Autor behauptete. Spätestens seit der Wahl Hindenburgs zum Reichspräsidenten als Nachfolger Eberts hat das zu einem anderen Verständnis geführt, wenn jene Denkmalsgründer sich an der "Kultfigur" ihres Denkmals orientierten. Hindenburgs Verfassungstreue ist erwiesen, ohne dabei seine persönliche Treue zum Kaiser aufzugeben. An dieser Treue zur Reichsverfassung hatte sich bekanntermaßen auch der Konflikt zwischen ihm und Ludendorff entzündet (der so weit ging, daß Ludendorff die Zustimmung zur Aufstellung seiner Büste zusammen mit denen aller kommandierenen Generäle im Feldherrnturm bis zu seinem Tode verweigerte). Hindenburg wollte die Republik bewahren, Ludendorff sie stürzen.

Im Kapitel "Castel del Monte oder Stonehenge: motivgeschichtliche Untersuchungen zum Tannenberg-Nationaldenkmal" werden Vergleiche mit anderen architektonischen Vorbildern analysiert, die auch andere Denkmäler beeinflußt haben und setzt sich mit den Intentionen der Architektenbrüder Krüger auseinander.

Ein über 60 Seiten langer Abschnitt befaßt sich mit der "Umgestaltung des Tannenberg-Nationaldenkmals 1934/35 und ergänzende(n) Baumaßnahmen im Denkmalsbereich bis 1945". Es ist denn auch wohl mit der wichtigste Teil in der Denkmalsgeschichte mit der Überführung Hindenburgs 1934, seiner Beisetzung in die Gruft 1935 und den daraus folgenden Umbauten. Auch hier ist wieder die penible Detailarbeit hervorzuheben, die jedoch bei historischen und militärischen Einzelheiten erneut ins Schwimmen gerät, bei politischen Reflexionen mehrfach spekulativ bleiben.

Gerade die Umwidmung des Denkmals zur Grablege für Hindenburg, der auf seine Rolle als Feldherr "reduziert" worden sei, hat wohl mindestens Bestrebungen behindert, wenn nicht sogar verhindert, das Monument NS-ideologisch zu okkupieren (S. 85, 125). Selbst später teilverwirklichte Planungen wie im Ostpreußenturm sind noch kein Beweis für diese Annahmen, zumal der Krieg ohnehin jeden weiteren Fortgang von Vorhaben behindert hat. Ein weiteres Indiz sind die Flaggen, die 1934 und 1935 den Sarg bedeckten: war es 1934 bei der Überführung von Neudeck ins Denkmal die Kriegsflagge der Republik, so 1935 die Kriegsflagge des kaiserlichen Heeres. Warum? Weil zu der Zeit die Kriegsflagge des Dritten Reichs bereits mit einem Hakenkreuz versehen war …

Die Umwidmung des Denkmals vom vereinseigenen Bauwerk solcher Größe und Bedeutung zum Reichsehrenmal hatte durchaus auch Vorteile. Der TNDV war seine inzwischen doch permanent gewordenen finanziellen Sorgen los, da das Reich in alle Verbindlichkeiten und Folgekosten eintrat; die ohnehin immer noch schwebende Reichsehrenmalfrage mit Berka in Thüringen löste sich auf elegante Weise, die hierfür aufgelaufenen Gelder des Fonds konnten für Tannenberg verwendet werden. Ob von Hitler die Umwidmung in ein Reichsehrenmal als eine Drohgebärde nach Osten gedacht wurde, wie Tietz ausführt (S. 127), muß auf dem Hintergrund des kurz vorher abgeschlossenen Nichtangriffspakts mit Polen und den sich damit entspannteren Beziehungen (Göring in der Bialowieska zur Jagd!) zwischen beiden Staaten bezweifelt werden.

"Das  Tannenberg-Nationaldenkmal im Umfeld nachfolgender Memorialbauten und Repräsentationsarchitekturen" wird im folgenden Kapitel beschrieben, wobei besonders die Ehrenmäler des Volksbundes Deutscher Kriegsgräberfürsorge (VDK), das Marine-Ehrenmal bei Laboe, die Wettbewerber für ein Reichsehrenmal für die Gefallenen des Ersten Weltkriegs untersucht werden. Alle diese Objekte zeigen mehr oder minder starke Einflüsse des  Tannenberg-Denkmals,  die schließlich sogar in der Architektur von Profan- und Repräsentationsbauten der dreißiger Jahre wie auch in den NS-Ordensburgen manifestiert sind (S. 176).

Aber außer dem Tannenberg-Denkmal gab es noch "weitere Denkmalsbauten der Brüder Walter und Johannes Krüger". So beteiligten sie sich erfolgreich an verschiedenen Wettbewerben und bauten den Braunschweiger Dom um mit einer Gruft für Heinrich den Löwen. Hier finden sich wieder bis ins einzelne gehende Beschreibungen und Wertungen. Am Rande sei vermerkt, daß Johannes Krüger für den Entwurf eines Denkmals für Kemal Atatürk den 1. Preis errang. Ein Rückgriff auf "Tannenberg" sei unverkennbar.

"Das Ende des Tannenberg-Nationaldenkmals und sein ,Nachleben‘, Nachwort und Anhang" beschließen die umfangreiche Arbeit. Wie wir durch Gert Sailer wissen, wurden am 21. Januar 1945 Eingangs- und Gruftturm von deutschen Truppen gesprengt, nachdem die Hindenburg-Särge geborgen waren. Den Rest sprengten polnische Pioniere nach und nach, das anfallende Material wurde wiederverwendet. – Doch damit ist die Geschichte nicht beendet. So seien in den Kriegsgräberstätten, die der VDK in den fünfziger Jahren in Tobruk und El Alamein errichtete, überkommene Formen und Materialsprache tradiert – ein Reflex auf das Tannenberg-Denkmal; was als das "Erschreckende, das auch El Alamein (Ägypten) auszeichnet" bezeichnet wird (S. 204). Weit schlimmer sei jedoch – so der Autor – der Bau eines 1995 eingeweihten Ehrenmals für die Gefallenen und Vermißten zweier Weltkriege aus den Verbänden Heer – Luftwaffe – Marine der Provinzen Ost- und Westpreußen in Oberschleißheim, dem eine fünffache Verkleinerung des Tannenberg-Denkmals zugrunde liegt. die Ursache, ein solches Denkmal überhaupt zu bauen, wird verschwiegen. Sie lag an den ständig zunehmenden, organisierten Störungen der Trauerfeiern am Volkstrauertag im Rosengarten in Göttingen durch autonome Gruppen, die auch bei den ausländischen Teilnehmern Unverständnis und Befremden hervorriefen. Eine anschließende Vandalisierung der Blumen und Kränze komplettierte die Aktionen. Auf diesem Hintergrund und der völlig anderen Einstellung der ost-westpreußischen Vertriebenen- und soldatischen ost-westpreußischen Traditionsverbände zum Tannenberg-Denkmal, das in deren Augen weder ein nationalistisches noch "braunes" Monument gewesen ist, entstand das "kleine Tannenberg-Denkmal". Deshalb sind einige Bemerkungen wie: "…an die Stelle der Traditionspflege tritt hier der Verdacht des Revanchismus" (S. 206), nur als völlig unqualifiziert zu bezeichnen. Der Autor könnte wissen, daß es seit dem 5. August 1950 so etwas wie eine Charta der deutschen Heimatvertriebenen gibt, die es mindestens zu lesen lohnt.

Bei aller angemerkten Kritik bleibt die Feststellung, daß es sich bei dem Buch um eine große Arbeit handelt, die das bedeutende Denkmal noch einmal in das Bewußtsein der Gegenwart rückt. Erich Vogelsang

Jürgen Tietz, Das Tannenberg-Nationaldenkmal. Architektur, Geschichte, Kontext, Verlag Bauwesen, Berlin 1999, 260 Seiten, 154 Abbildungen, geb., 78 Mark