19.04.2024

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Suchen und finden
04.03.00 Liga der Russisch-Deutschen Freundschaft hilft bei der Aufklärung des Schicksals Vermißter

© Das Ostpreußenblatt  / Landsmannschaft Ostpreußen e.V. / 04. März 2000


Aufschrift "Streng geheim"
Liga der Russisch-Deutschen Freundschaft hilft bei der Aufklärung des Schicksals Vermißter

Noch sind viele Menschen nicht müde geworden, nach dem Schicksal ihrer vermißten, verschleppten oder irgendwo im weiten Osten verstorbenen Angehörigen oder Kameraden zu fragen. Wir Ostpreußen merken es an den vielen Suchanzeigen und den immer noch wachsenden Suchbitten in unserer "Ostpreußischen Familie". Und es tun sich sogar noch neue, bisher kaum begehbare Wege auf, um Aufklärung über Gefallene und Vermißte zu finden. Einer von ihnen führt zu der Liga für Russisch-Deutsche Freundschaft in Moskau.

Ein Wegweiser zu dieser Informationsstelle ist Hans-Egon von Skopnik aus Glittehnen, heute im Berchtesgadener Land wohnhaft. Er kann auf glaubhafte Erfolge hinweisen, die seine eigene Familie betreffen. Lange Jahre versuchte er, das Schicksal seiner beiden Glittehner Vettern zu klären – vergeblich. Der 1914 geborene Hans-Joachim war 1942 in der Sowjetunion gefallen, der drei Jahre jüngere Wolf-Dietrich 1947 in einem sowjetischen Kriegsgefangenenlager verstorben. Über verschiedene Stellen wie DRK-Suchdienst, München, den Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge (VDK) und die "Wehrmachtsauskunftsstelle" (WAS), offiziell "Deutsche Dienststelle", in Berlin erhielt er Kopien aus dem Soldbuch beider Vettern, aber auch Informationen über die Lage des Ortes sowie über den Todestag und den Namen des Kriegsgefangenenlazaretts, in dem der eine verstorben war.

Es war ja schon lange bekannt gewesen, daß es in Moskau eine sogenannte "Totenkartei" gab, aber selbst hochrangige deutsche Delegationen konnten eine Freigabe dieser Daten nicht bewirken. Erst 1992 konnte das DRK eine Vereinbarung mit dem zentralen Sonderarchiv der Russischen Föderation erreichen. Es erfolgte die Übergabe der Daten von rund 330 000 deutschen Kriegsgefangenen, die in sowjetischen Lagern verstorben und dort beerdigt worden waren.

Herr von Skopnik besaß somit schon recht konkrete Angaben, aber er wollte weiterforschen. Aber wo und wie? Die Frage löste sich von selbst, denn wenig später erhielt er ein Schreiben aus Moskau von der Liga der Russisch-Deutschen Freundschaft, in dem ihm die Leiterin des Suchdienstes der Liga, Dipl. phil. Olga Kondraschowa, ihre Hilfe anbot. Natürlich war der Empfänger zuerst skeptisch, aber ihm war der Brief über eine Berliner Kontaktadresse, den Deutschen Industrie- und Handelstag (DIHT), zugestellt worden. Es mußte sich also um eine seriöse Institution handeln, über die ein beigelegtes Informationsblatt Aufklärung bot.

Demnach hat sich die Liga 1995 aus der "Aktion Versöhnung" gebildet, mit den selbstgewählten Aufgaben, die Schicksale von im Zweiten Weltkrieg vermißten oder gefallenen Soldaten und verschleppten Zivilpersonen aufzuklären. Das Referat Suchdienst hat Zugang zu vier zentralen und 78 regionalen Archiven in Rußland, die bislang versperrt und für deutsche Stellen nicht zugänglich waren. In ihnen befinden sich Soldbücher, Feldpost, Lagerbriefe, Krankenberichte, Fragebögen, Vernehmungsprotokolle und Angaben über Grabstellen und Todesbescheinigungen. Für eine erste Auskunft wird 40 DM verlangt, die auf eine deutsche Bank zu überweisen sind. Der Fragesteller muß eine vorgedruckte Suchanzeige mit den ihm schon bekannten Daten ausfüllen. Liegen der Liga Informationen vor, erhält der Suchende die genaue Angabe der Daten und das Angebot einer Übersetzung. Die Kosten hierfür betragen 350 DM. Übersetzung und Dokumente sind amtlich beglaubigt und enthalten eine Echtheitszertifikat.

Herr von Skopnik wurde trotz eines noch immer vorhandenen Rests von Skepsis nicht enttäuscht. Er erhielt den Bescheid, daß von seinem Vetter Hans-Joachim keine neuen Angaben vorlägen. Dagegen bekam er die komplette, mit "streng geheim" eingestufte Akte über seinen Vetter Wolf-Dietrich seit dessen Gefangennahme in Königsberg am Tag der Kapitulation, am 9. April 1945, bis zu dessen Tode im Kriegsgefangenenlazarett in Übersetzung mit amtlicher Beglaubigung. Ein zweisprachiges Anschreiben enthielt die Archivauskunft der Gesamtakte.

Die Akte in kyrillischer Schrift als Kopie und mit beglaubigter Übersetzung enthielt unter anderem folgende Unterlagen:

Originalkopie der russischen Akte – Zusammenfassende Archivauskunft – Personalakte NKWD (Volkskommissariat-Ministerium für Innere Angelegenheiten der UdSSR) mit Todesbescheinigung – Verhörfragebogen im NKWD Lager – Personenbeschreibung des Kriegsgefangenen – Todesurkunde des KGF-Lazarettes – Grabbeschreibung mit Ortsangabe – Verzeichnis persönlicher Dinge (nur Uniformen) – Vollständige Krankengeschichte vom Tag der Einlieferung bis zum Tod. Teilweise sind die ärztlichen Eintragungen in deutsch, wohl von einem mitgefangenen Militärarzt.

Herr von Skopnik hat also in diesem Fall einen vollen Erfolg gehabt, und damit steht er nicht alleine. Seit der Gründung des Suchreferates vor fünf Jahren konnten Hunderte von Schicksalen aufgeklärt werden. Als Beispiel für eine bis zum letzten Detail erfolgte Aufklärung sei hier der Fall des im November 1944 in russischer Gefangenschaft verstorbenen Gefreiten Johann Grünbauer aus Burgweining erwähnt, dessen Sohn sich ebenfalls an die Liga gewandt hatte. Dieser erhielt eine zwölfseitige Akte mit Verhörpotokollen seit der Gefangennahme am 27. Juni 1944 im Raum Orsha und später im 2000 Kilometer entfernten Kriegsgefangenenlager Nr. 108 bei Stalingrad, in denen auch Angaben zu der Familie des Gefangenen vermerkt sind. Der Sohn fand darin sogar seinen Namen mit Altersangabe: vier Jahre! Ferner enthielt die Akte die Krankheitsgeschichte des Gefangenen, Sterbeurkunde, Obduktionsprotokoll und die Begräbnisakte mit Angabe der Lage des Grabes. Der Sohn hatte nun nach einem halben Jahrhundert endlich Gewißheit über die letzten Tage und den Tod seines Vaters. Die Leiterin des Referates Suchdienst der Liga, Olga Kondraschowa, kann noch auf einen besonderen Erfolg hinweisen: 1998 wurden die Totenlisten der 1004 vermißten deutschen Soldaten gefunden, die im Heimkehrerlager 69 und im Spital 1762 in Frankfurt/Oder auf der Rückfahrt an Krankheit und Hunger gestorben waren und als Unbekannte begraben wurden. Die Liga konnte diese Listen der Friedhofsverwaltung in Frankfurt/Oder und dem DRK-Suchdienst übergeben. Frau Kondraschowa nahm auch persönlich an der Einweihung des Mahnmales für den Frieden in Frankfurt/Oder teil.

Inzwischen haben sich aber Schwierigkeiten ergeben. Zwar klappt nach wie vor die Zusammenarbeit mit der Gesellschaft BRD-GUS e.V. und dem Verband der Heimkehrer und Vermißtenangehörigen Deutschlands e.V., aber die Post kann nicht mehr über den DIHT in Berlin geleitet werden, da dessen Postsammelstelle aufgelöst wurde. Die Liga ist nun in eine sehr komplizierte Lage geraten, denn sie will die Archivunterlagen nicht durch die russische Post absenden. Der Postweg ist lang und nicht sicher, weil viele Dokumente die Beschriftung "streng geheim" tragen. Obgleich dies nicht mehr gilt und allen Postsendungen der Liga ein Schreiben des Zentralen Archivdienstes mit amtlichem Stempel beigefügt wird, sind Befürchtungen, daß eine mögliche Prüfung der Briefe beim russischen Postzoll zumindestens zeitliche Verzögerungen, aber auch andere Schwierigkeiten bewirken könnte, durchaus berechtigt. Zur Zeit liegen im Moskauer Büro rund 50 zum Absenden bereite Briefe mit Unterlagen, die in den nächsten Wochen wohl nicht verschickt werden können. Das bringt natürlich Probleme, denn in Deutschland warten die Suchenden vergeblich und können mißtrauisch werden.

Der Vorsitzende des Vorstandes der Liga, Dipl. jur. A. Rumjanzew, will sich jetzt an die Deutsche Botschaft in Moskau wenden, um zu versuchen, eine Genehmigung zur Mitbenutzung des amtlichen Kurierweges der Botschaft zu bekommen. Es handelt sich um etwa zwanzig Briefe mit Archivakten im Monat. Die Liga hofft auf Unterstützung aus der Bundesrepublik, vor allem durch die Deutschen, die durch die Liga einen Erfolg zu verbuchen haben, und durch die Veröffentlichung in Publikationen. Es wäre zu bedauern, wenn dieser Weg, der Erfolge verzeichnete und auf weitere hoffen läßt, wieder blockiert wird. So sieht es auch Frau Kondraschowa, ihre letzten, auch an uns gerichteten Faxe beweisen das.

Die Anschrift lautet: Suchreferat der Liga für Russisch-Deutsche Freundschaft, Marosseika-Str. 7/8-27, Central-Postamt A/Nr. 190, 101000 Moskau, Rußland/Russie (per Einschreiben!), Telefax Moskau 007-095-206 84 67. OB