19.04.2024

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18.03.00 Reparationen / Von Peter Fischer

© Das Ostpreußenblatt  / Landsmannschaft Ostpreußen e.V. / 18. März 2000


Reparationen / Von Peter Fischer

Der aus Rostock stammende Schriftsteller Walter Kempowski beschreibt in seinem autobiographischen Roman "Ein Kapitel für sich", wie er während der sowjetischen Besatzungszeit zusammen mit seinem Bruder die aus dem Hafen ausfahrenden Sowjetschiffe beobachtete, um mit der der damaligen Jugend eigenen Leidenschaft zu registrieren, was die Sowjets außer deutschen Landes verfrachteten. Damit, wie er bekannte, wir bei einem "späteren Friedensvertrag" nicht alles doppelt bezahlen müssen.

Die Sowjets verübelten ihm dies und verurteilten ihn zu 25 Jahren Zwangsarbeit. Kempowskis ominöse Frachtbriefe von damals könnten allmählich wieder Bedeutung erlangen, denn die US-Regierung wartete jetzt über ihren Chefunterhändler Stuart Eizenstat zur Überraschung der wie gewohnt ahnungslosen Bundesregierung plötzlich mit Reparationsforderungen auf.

Der Reihe nach: Ähnlich wie in der SBZ verhielt es sich in den Westzonen, wo insbesondere in den Ballungszentren der Industrie die Bereitschaft der deutschen Arbeiter groß war, sich der brutalen Ausplünderung durch westliche Besatzungsmächte zu entziehen. Während die sowjetische Besatzungsmacht bis zum Zusammenbruch der DDR an den in Warnemünde gebauten Schiffe ihren Reparationshunger stillte, versicherten sich die USA des deutschen Auslandsvermögens, deutscher Patente sowie der führenden Köpfe der Raketenforschung, worauf sich Jahre später wesentlich die technologische Überlegenheit dieser Weltmacht begründete.

Zugleich mit der Heraufkunft des "Kalten Krieges" und der vermutlich nie ernstgemeinten "Roll back"-Aktion der Amerikaner kam jene erwünschte Blockmentalität auf, die Westdeutschland und die Länder der späteren "westlichen Wertegemeinschaft" an die Seite Washingtons und Mittel- und Ostdeutschland an die Seite Moskaus zwang. Von offenen Reparationsforderungen war zunächst nichts mehr zu vernehmen, man buhlte offiziös gleichsam um die Gunst des westdeutschen Partners. Insofern erschien es einigermaßen akzeptabel, wenn 1953 mit den Westalliierten in London ein "Schuldenabkommen" vereinbart wurde, das die Frage möglicher Reparationsleistungen aussetzte und die prinzipielle Frage von Kriegsentschädigungen für die Zeit nach einem Friedensvertrag mit Deutschland aufschob.

Bekanntlich erbrachten die ominösen Zwei-plus-vier-Verhandlungen nach dem Zusammenbruch der DDR keinen Friedensvertrag, auch wenn Bonner und später Berliner Regierungsstellen dies mitunter zu suggerieren suchten. Dies wäre auch keinesfalls in Übereinstimmung mit dem Völkerrecht gewesen, das zwangsweise Gebietsabtretungen nicht kennt und weshalb auch Ostdeutschland und das Sudetenland nur zeitweilig, nämlich bis zum Abschluß eines Friedensvertrages, unter sowjetischer, polnischer beziehungsweise tschechischer Verwaltung bleiben.

Auch bei den Zwei-plus-vier-Verhandlungen von 1990 wurde just aus diesem Grunde nur ein Grenzbestätigungsabkommen geschlossen, das den zwischenzeitlichen Verhältnissen Rechnung trägt. Zugleich wurde die friedensvertragliche Regelung in der bundesdeutschen Propaganda dahin denunziert, daß unsere ehemaligen Kriegsgegner, darunter so fernab liegende Staaten wie Paraguay und Brasilien maßlose Reparationszahlungen für ihre durch Washington angeregten Kriegserklärungen erheben würden. Gemeint war aber immer der deutsche Osten, der natürlich bei einem Friedensvertrag an uns zurückgegeben werden muß.

Wenn Washington nun, für Berlin unvermutet (wie auch sonst?), mit Reparationsforderungen aufwartet, dann erhebt sich naturgemäß die Frage nach dem Ziel. Daß die USA uns gleichsam über Nacht die Ostgebiete zuschanzen wollen, indem sie dies mit Geldforderungen verbinden, scheint sehr unwahrscheinlich. Es hieße dies, ein wesentliches Kriegsziel für nichtig zu erklären und zugleich den deutschen Sperriegel gegenüber Rußland, Polen, zu entfernen. Auch allgemeine Geldsorgen können es nicht mehr sein, es war die erklärte Aufgabe des derzeitigen Präsidenten, die US-Finanzen zu sanieren, was wohl gelungen scheint.

Bliebe die Möglichkeit, die Reparationsforderung als ständig drohende Eventualität gegenüber Berlin ins Spiel bringen. Doch auch diese Politik trüge in sich das Risiko, daß sich dadurch allmählich eine antiamerikanische Front in Deutschland aufbauen könnte, was den gedanken- und heimatlosen Linken sofort ein zukünftiges Arbeitsfeld zuweisen würde, an das sich – schrecklichste Möglichkeit! – die ideen- und tatenarme Normalbevölkerung anschließen könnte.

Wie auch immer die Motive sein mögen, die deutsche Zukunft wird durch solche US-Interventionen nach vorne offener. Auch die europäische Perspektive zeigt sich unverblümter: die Tatsache, daß Reparationen auch im griechischen Parlament thematisiert wurden, fußt auf einer Verbindungsaufnahme französischer Linker, die ihre Gesinnungsfreunde in Athen aktivierten.