19.04.2024

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18.03.00 Wissenschaftliche Analyse zum Werk des Schriftstellers Arno Surminski erschienen

© Das Ostpreußenblatt  / Landsmannschaft Ostpreußen e.V. / 18. März 2000


Tabu gebrochen
Wissenschaftliche Analyse zum Werk des Schriftstellers Arno Surminski erschienen

Obwohl namhafte Autoren wie Siegfried Lenz, Horst Bienek, Arno Surminski u. a. immer wieder ihre Werke dem Thema Flucht und Vertreibung gewidmet haben, scheint die Beschäftigung der deutschen Germanistik mit Vertriebenenliteratur bis heute weitgehend tabuisiert zu sein.

Um so verdienstvoller ist die Arbeit des australischen Germanisten Herman Ernst Beyersdorf zu bewerten, der in seinem Buch Erinnerte Heimat (Harrasowitz Verlag, Wiesbaden 1999. 218 Seiten, broschiert, 78 DM) eine Gesamtdarstellung und Analyse zum Werk des ostpreußischen Schriftstellers Arno Surminski vornimmt. Herman Ernst Beyersdorf wurde 1948 als Sohn einer aus der Gegend von Stettin stammenden Familie in Kriegenbrunn bei Erlangen geboren. Die Familie wanderte nach Australien aus, als der Sohn neun Jahre alt war. Nach Germanistik-Studium und Promotion war er im diplomatischen Dienst tätig und arbeitet nun als Senior Lecturer für deutsche Sprache und Literatur an der University of New England, Armidale, Australien.

Den Begriff "Vertriebenenliteratur" definiert Beyersdorf als ein spezielles Genre der Heimatliteratur mit dem Unterschied, daß in der Heimatliteratur die Heimat noch frei zugänglich ist, während Heimat für Vertriebene für immer verloren und nicht nur durch zeitliche Veränderungen zerstört ist. Das Buch beginnt mit einer biographischen Skizze des Autors Surminski, der den Lesern als Chronist seiner ostpreußischen Heimat und des Flucht- und Vertreibungsschicksals bekannt ist. Arno Surminski wurde 1934 in Jäglack, Kreis Rastenburg geboren und gelangte nach der Vertreibung 1947 nach Trittau in Schleswig-Holstein, wo ihn eine Flüchtlingsfamilie aufnahm. Nach Abschluß der Lehre in einer Anwaltskanzlei ging er 1955 mit drei Freunden für zwei Jahre nach Kanada, wo er in einem Holzfällercamp arbeitete. Nach seiner Rückkehr nach Deutschland war der Ostpreuße zunächst wieder Anwaltsgehilfe und später Angestellter einer Hamburger Versicherungsgesellschaft. Ab 1972 war er Journalist für Wirtschafts- und Versicherungsfragen, doch seit dem Erfolg seiner Romane arbeitet Surminski als freier Schriftsteller. 1978 erhielt er den "Andreas-Gryphius-Preis" und 1982 den Kulturpreis der Landsmannschaft Ostpreußen.

Im Analyseteil ordnet Beyersdorf Surminskis Stellenwert im Rahmen der Vertreibungsliteratur als ein "humanes, um Ausgleich bemühtes Anliegen" ein. Er untersucht die Erzählperspektive, bei der die distanziertere dritte Person (Er-Erzähler) dominiert, das Stilmittel der Montage, mit der Surminski seinen Erzählungen historische Authentizität verleiht. Im Mittelpunkt der Untersuchung stehen jedoch die Motive Flucht und Vertreibung. Da Surminskis Gesamtwerk sich jedoch auch auf andere Themen ausdehnt als in seinen großen Romanen "Jokehnen", "Kudenow" und "Fremdes Land" (die als Trilogie des Flüchtlingsthemas betrachtet werden können), er Flucht nicht nur auf die Ereignisse von 1945/46 bezieht, sondern auch auf Erscheinungen der modernen Gesellschaft, Themen wie die deutsche Wiedervereinigung (Kein schöner Land), Aussteiger- und Liebesthematik (Malojawind), würde eine eingehendere Analyse themenbezogener Werke – schließlich lautet der Titel des Buches "Erinnerte Heimat" – sinnvoll erscheinen.

In einem weiteren Kapitel stellt Beyersdorf Surminskis Werk im Spiegel der Presse dar, die im großen und ganzen seine Romane und Erzählungen positiv bewertet, wenn sie auch weniger als große Literatur hervorgehoben, sondern zur guten Unterhaltungsliteratur gezählt wird. Die Interviews mit dem Autor Surminski behandeln u. a. auch den neuesten Roman Sommer vierundvierzig. Oder wie lange fährt man von Deutschland nach Ostpreußen, der jetzt als Taschenbuchausgabe vorliegt (Ullstein Verlag, 446 Seiten, 16,90 DM). Die Gespräche unterstreichen jedoch lediglich das in den vorangehenden Analysen Gesagte.

Insgesamt ist die Untersuchung Beyersdorfs ein sehr lobenswerter Ansatz, der auch die deutsche Germanistik dazu animieren könnte, sich eines bisher ver- nachlässigten Themas anzunehmen. Michela Wagner