20.04.2024

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01.04.00 Auf Wladimir Putin warten gewaltige Aufgaben

© Das Ostpreußenblatt  / Landsmannschaft Ostpreußen e.V. / 01. April 2000


Der Mann mit den Stahlaugen
Auf Wladimir Putin warten gewaltige Aufgaben
Von Martin Schmidt

Für das Rußland dieser Tage lassen sich alle Prognosen auf die eine zentrale Frage verkürzen: Wer ist der alte und mit einer knappen absoluten Mehrheit auch neue russische Präsident Wladimir Putin? Klar ist, daß für den 47jährigen früheren KGB-Offizier und Juristen Putin die Stärkung der russischen Staatsmacht höchste Priorität hat. Zu seinen liebsten Leitsätzen gehört der von der "Diktatur des Gesetzes", und in einem offenen Brief an die Bürger seines Landes vom 25. Februar betonte er: "Je stärker der Staat, um so freier der einzelne."

Mancherorts werden Gedankenspiele angestellt, in welchem Maße Putin überhaupt selbständig handeln kann, oder ob auch er – wie sein Vorgänger Jelzin – weitgehend als eine Marionette in der Händen der eigentlich Mächtigen im Lande fungiert. Daß er ein moderner "virtueller Politiker" ist, der dank einer höchst wirkungsvollen Medienkampagne in kürzester Zeit ungeheure Beliebtheit gewinnen konnte, steht außer Frage. Andererseits scheint der Ex-Geheimdienstler mit den stählernen Augen nicht der Mann zu sein, der sich beliebig von anderen instrumentalisieren ließe.

Entscheidend ist: Seit der Augustkrise 1998 haben sich die politischen Koordinaten der Russischen Föderation grundlegend verschoben. Konnten zuvor einige wenige, um private Großbanken und Presseimperien gruppierte Oligarchen eine Art "Staat im Staate" bilden und die Moskauer Regierungsgeschäfte maßgeblich beeinflussen, so sind es seit dem Zusammenbruch des Rubels wieder staatliche Institutionen wie die Staatsbanken oder die staatseigenen Waffenexportfirmen, die die Macht in den Händen halten. Entsprechend größer ist nun der Einfluß führender Politiker Moskaus.

Putin hat sich seinen Präsidialapparat mit alten Bekannten aus der St. Petersburger Zeit neu organisiert und besitzt starken Rückhalt in den Geheimdiensten. Auch in der Armee ist er beliebt, zumal er deren Haushalt um 50 Prozent aufstocken will. Parteien und Gewerkschaften sind kaum von Bedeutung, und die orthodoxe Kirche ist traditionell obrigkeitstreu. Auch die Staatsduma dürfte nach dem Wahlerfolg der Präsidentenpartei "Jedinstwo" (Einheit) und deren Übereinkunft mit den Kommunisten, alle wichtigen Posten gütlich zu teilen, keine Probleme bereiten.

Was Wladimir Putin genau will, ist schwer zu beantworten, zumal er alles andere als ein Ideologe ist. Ein klares wirtschaftliches Programm zur Bekämpfung der Massenverelendung hat er während des gesamten Präsidentschaftswahlkampfes nicht formuliert. Auch die Haltung gegenüber den ausländischen Staaten läßt sich kaum auf einen Punkt bringen. Mal baut der Kreml eine auf den Atomwaffen basierende Drohkulisse auf und bastelt an einer Reintegration der GUS, dann ordnet Putin Rußland ausdrücklich dem "Westen" zu und hält sogar einen Nato-Beitritt für möglich.

Aus deutscher Sicht ist natürlich von Bedeutung, daß der Präsident, der fünf Jahre in Mitteldeutschland gelebt hat und dessen Kinder damals deutsche Schulen besuchten, sich öffentlich als deutschfreundlich bekennt. Die Herkunft seiner Frau Ljudmila Alexandrowna aus Ostpreußen gibt dieser Orientierung noch eine zusätzliche persönliche Note.

Auch wenn zuletzt die ökonomischen Rahmendaten eine leichte Erholung auswiesen, steht die einstige Supermacht langfristig vor kaum zu bewältigenden Herausforderungen. Putin weiß, daß diese mit der seit Anfang der 90er Jahre stark beschädigten Würde und Moral der russischen Massen nicht zu meistern sein werden. So baut er auf die Motivationskraft patriotischer Rhetorik. In den vergangenen Monaten hatte er damit Erfolg. Umfragen offenbarten ein neues optimistisches Lebensgefühl, das es so seit 1991 nicht mehr gegeben hat.

Doch wie lange die Wirkung anhält, ist sehr fraglich. Auf Dauer dürfte das demographisch schwindende Volk der Russen sogar fast alle seine Machtpositionen im Nordkaukasus verlieren und sich überdies einer massiven chinesischen Bedrohung in Sibirien ausgesetzt sehen. Schon heute überschreiten nach Angaben des Gouverneurs von Wladiwostok Tag für Tag 5000 Menschen aus der Volksrepublik China illegal die Amurgrenze und sickern in die kaum zu kontrollierenden Weiten des russischen Ostens ein.