20.04.2024

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15.04.00 Gewaltbegriffe der 68er erschüttern das staatliche Gewaltmonopol (Teil III)

© Das Ostpreußenblatt  / Landsmannschaft Ostpreußen e.V. / 15. April 2000


Einblicke: Kampfauftrag gegen den Rechtsstaat
Gewaltbegriffe der 68er erschüttern das staatliche Gewaltmonopol (Teil III)
Von RUDOLF WILLEKE

Für Max Horkheimer ist Deutschland eine Klassengesellschaft, in der es sich wenige auf Kosten vieler gutgehen lassen.

Diese These von Marx haben die Hauptvertreter der "Frankfurter Schule" jedoch nicht auf sich selbst bezogen, obgleich sie alle aus großbürgerlichen Verhältnissen stammten und mit einem Millionenvermögen den Krieg und die Emigration "gut" überstehen konnten.

Die industrielle Gesellschaft ist keine Gesellschaft freier Menschen, sagen sie, sondern eine der totalen Unterdrückung und totalen Herrschaft. In ihr beherrsche die tote Arbeit (Maschine, Kapital) die lebendige (Arbeiter, Mensch). Ursache dieser total gewordenen Unterdrückung ist nach Horkheimer die Technik, die den Menschen versklave und sein Denken und Bewußtsein deformiere. Der Mensch in der bürgerlichen Gesellschaft folge daher nicht mehr der humanen, sondern der instrumentellen Vernunft.

Horkheimer beschreibt den gesamten technischen Fortschritt als einen unendlichen Prozeß der Entmenschlichung. Alle wohlmeinenden gesellschaftlichen Reformversuche könnten daran nichts ändern, sondern lediglich das bestehende, kapitalistische System stabilisieren. Nicht Reform, sondern Totalveränderung des Bestehenden heißt deshalb die gesellschaftspolitische Devise der Frankfurter.

Die Gesellschaftsanalyse von Habermas läßt sich mit "Verfall" überschreiben. Er spricht von ökonomischen Krisen, die das kapitalistische System ständig erschütterten, jedoch nicht verhindert werden könnten, außerdem von Sinnkrisen, die dem System die motivierenden Kräfte entzögen, und schließlich von Legitimationskrisen.

Alle diese Teilkrisen zusammengenommen könnten das System von Herrschaft und Unterdrückung in eine Systemkrise stürzen und damit zum Zusammenbruch des Kapitalismus führen.

Diese technikfeindliche Grundströmung in unserem Land führt den "Grünen" ein Wählerpotential von zehn Prozent zu und macht die Ökologie zum Staatsziel Nr. 1, zur alles andere in ihren Bann ziehenden Ideologie.

Das Bild, das Horkheimer von der "neuen" sozialistischen Gesellschaft zeichnet, ist unklar und höchst widersprüchlich. Einerseits soll es eine "herrschaftsfreie" Gesellschaft des Genusses sein, in der Triebregungen nicht mehr verpönt und unterdrückt sind (eine Art Schlaraffenland), andererseits ist alles durchgeplant und nichts wird den Kräften des Marktes überlassen.

Bei Habermas dagegen ist die paradiesisch-sozialistische Gesellschaft genau umschrieben:

– sämtliche Bedürfnisse sollen chancengleich zugelassen und befriedigt werden,

– alle durch Herrschaft "verzerrten" Kommunikationsstrukturen der jetzigen Gesellschaft sollen durch den "herrschaftsfreien Diskurs der Vernünftigen und Aufgeklärten" abgelöst werden, und alle Machtansprüche müßten sich ständig rechtfertigen.

Die von Habermas wie Horkheimer als Ideal dargestelle herrschaftsfreie Gesellschaft bedarf der kritischen Anmerkung: Denn wenn niemand herrscht, weder der Staat noch die Gesetze, dann herrschen alle, insbesondere die Mächtigeren, die Kräftigeren, die Durchsetzungsfähigeren. In der herrschaftsfreien Gesellschaft regiert das Prinzip homo homini lupus bzw. bellum omnium contra omnes – also: Anarchie und das Recht des Stärkeren.

Auch Adorno macht in seiner Gesellschaftsanalyse das Prinzip Herrschaft verantwortlich für den "katastrophalen" Ablauf der Geschichte und für die "apokalyptische Zukunft" der Kultur. In seinem geschichtsphilosophischen Hauptwerk "Negative Dialektik" zeichnet er den ganzen Weg der Menschheitsgeschichte nach. Am Anfang habe der Mensch demnach versucht, sich von den Naturgewalten zu emanzipieren. Bei diesem Befreiungskampf sei ihm die Technologie zu Hilfe gekommen. Der Mensch sei zunächst Herr über die Natur und Herr über die Technik gewesen.

Bis zu diesem Zeitpunkt der Emanzipation des Menschen von den Mächten der Natur sei der Geschichtsprozeß positiv-dialektisch verlaufen. Dann aber sei mit der Erfindung der Maschine und der Industrie der Umschlag ins Negative erfolgt: Der Mensch, der diese erfunden bzw. sich dienstbar gemacht hatte, mußte fortan die Maschine bedienen, mußte sich den Sachzwängen und Gesetzen der Technik und Industrie unterwerfen.

Je mehr er sich von der Natur emanzipieren wollte, um so mehr wurde er zum Sklaven des industriellen Systems.

Herrschaft ist nach Adorno total geworden:

– in den Betrieben herrsche die Technik über den Menschen,

– in den gesellschaftlichen Institutionen (Familie, Kirche, Schule, Betrieb, Klinik, Bundeswehr) herrsche der Mensch über Menschen,

– in seinem Gewissen habe der Mensch Herrschaft über sich selbst errichtet.

"Auschwitz" war folgerichtig kein Betriebsunfall der Geschichte: "Jeder technische Fortschritt ist ein Fortschreiten in Richtung Abgrund und Katastrophe." Das ist die tief pessimistische und deprimierende Botschaft der Frankfurter: Der Mensch wird vom Subjekt der Naturbeherrschung zum Objekt total gewordener Unterdrückung. Aber jedes Zurück bringt ihn erneut unter die Herrschaft der Natur.

Im Hinblick auf diesen geschichtlich-gesellschaftlichen Circulus vitiosus von Emanzipation und Unterdrückung formuliert Adorno den radikalen, an die Wurzeln der Gesellschaft gehenden Satz: Das Ganze ist falsch, die Gesellschaft ist zum Unheil gewuchert, sie ist ein unendlicher Fortschritt im Falschen, und der Geist der Geschichte ist die permanente Katastrophe.

Aus dieser Analyse folgert er die Befürwortung der Anarchie, des anarchistischen Aufstandes gegen den technischen Fortschritt, weil nur der Ausstieg aus dem System das Prinzip Herrschaft durchbrechen könne.

Dieses Motiv des Ausstiegs und der Rebellion gegen die Technologie treibt "Grüne" und Greenpeace-Aktivisten zu manchen ihrer heutigen Handlungen gegen den technologischen Fortschritt.

Es sei in diesem Zusammenhang daran erinnert, daß bekannte Repräsentanten des sogenannten "Militärisch-Industriellen Komplexes" (Beckurts, v. Braunmühl, Herrhausen, Ponto, Schleyer sowie deren begleitende Polizeibeamte) aus eben diesem Motiv von zum Teil akademisch gebildeten Anhängern der Rote Armee Fraktion (RAF) ermordet wurden.

Bei dem Kampf gegen das Prinzip Herrschaft stehen die Frankfurter auf seiten der Gewalt-Befürworter. Marcuse unterscheidet zwei Formen der Gewalt: Auf der einen Seite stehe die "institutionalisierte Gewalt" des Establishments, des Staates, der Institutionen und der Gesetze. Diese bezeichnet er als "Gewalt der Unterdrückung"; sie stehe im Dienste des geltenden Rechts, sei daher "legale Gewalt" und zugleich auch "illegitime Gewalt", weil sie den Menschen die Freiheit vorenthalte.

Der institutionalisierten Gewalt stehe die zweite Form gegenüber: die "Gewalt des Widerstandes", die Marcuse auch "Gewalt der Befreiung" oder "Gewalt der Verteidigung des Lebens" nennt. Diese Gegengewalt gegen den Staat sei nach geltendem Recht (Gesetz) notwendigerweise illegal, aber sie sei eine gerechtfertigte Gewalt, weil sie auf Befreiung vom Bestehenden abziele.

Marcuse erklärt, daß es für unterdrückte und überwältigte Minderheiten ein "Naturrecht" auf Widerstand gebe und daß außergesetzliche Mittel (Gewalt gegen Sachen/Personen) angewendet werden müßten, sobald sich die gesetzlichen als unzulänglich herausgestellt hätten.

Wenn die unterdrückten Minderheiten Gewalt anwenden, beginnen sie, folgt man seinen Gedankengängen, keine neue Kette von Gewalttaten, sondern zerbrechen die etablierte Gewalt des Staates. Und kein Dritter – am allerwenigsten der Erzieher und Intellektuelle – habe das Recht, den Aufständischen Friedfertigkeit zu predigen.

Zusammengefaßt lautet die Botschaft der Frankfurter: In bestimmten Situationen hat oppositionelle Gewalt mehr Recht als das Recht, das sie bricht.

Diese Botschaft oder Heilslehre Marcuses wurde von der Linken als Kampfauftrag gegen den demokratisch legitimerten Rechtsstaat aufgefaßt und umgesetzt.

Seit ihrer Verkündung wird in politischen Kreisen öffentlich darüber diskutiert, welche Gewalt illegal, aber legitim bzw. legal, aber illegitim sei und ob Gewalt auch gegen Personen zu rechtfertigen sei. Täter mit (bestimmtem) "politischem Hintergrund" können seitdem mit mehr Nachsicht seitens der Gerichte rechnen.

Sitzblockaden vor Kernkraftwerken, Munitionsdepots der Bundeswehr oder auf Gleisen der Bundesbahn erscheinen nicht mehr als illegale Gewalt (Nötigung), sondern als zulässige Form freier Meinungsäußerung.

Der Rechtsstaat Deutschland verzichtete auf ein Auslieferungsgesuch des marxistischen Kurdenführers Öcalan, der unter dem Verdacht mehrfachen Mordes stand, weil die Bundesregierung die Gewalt der bei uns Gastrecht genießenden PKK-Anhänger befürchten mußte und weil die Kurden ja lediglich die "Befreiung" Kurdistans von den Teilungsstaaten Türkei, Irak, Iran und Syrien durchsetzen wollten.

Im heutigen Deutschland "muß" man für "linke" Gewalt Verständnis haben, wendet sie sich doch in "edler Absicht" gegen Ungerechtigkeiten vor der eigenen Haustür und in der ganzen Welt.

Dabei ist es symptomatisch, wenn – wie in Magdeburg im Februar 1999 geschehen – bei gewaltsamen Demonstrationen "gegen Rechts" in der gesamten Innenstadt unterstützend die Kirchenglocken läuten. Denn "rechte" Gewalt ist ohne Wenn und Aber verabscheuungswürdig und ruft tiefempfundene Betroffenheit hervor. Sie muß mit drakonischen Maßnahmen bestraft werden, da es gilt, für alle sichtbar den "Anfängen zu wehren".

Gewalt gegen Sachen (Autos, Geschäftsfassaden, Fensterscheiben) wird in aller Regel nicht mehr als Gefahr für "unsere gefestigte Demokratie" bewertet. Meist heißt es lapidar: Die Geschädigten haben eben Pech gehabt.

Gewalt gegen Personen gilt im allgemeinen zwar (noch) als Schwerkriminalität. Aber auch hier wird allzu oft ideologisch unterschieden: Besonders gefährlich und verwerflich ist sie nämlich dann, wenn Deutsche gegenüber Ausländern handgreiflich werden. Im umgekehrten Fall erscheint sie als weniger problematisch.

Man erinnere sich: Im Februar 1999 wird ein junger Algerier in Guben von deutschen Skinheads in den Tod getrieben. Der örtliche Polizeichef bestreitet einen "politischen Hintergrund" der Tat, die Medien aber vermuten sofort einen "neonazistischen" Vorfall, also Gewalt "von rechts". Des Algeriers wird in einem Quasi-Staatsakt mit Lichterketten und wahren Blumenbergen gedacht.

Doch der am selben Tag auf dem Bahnhof von Frankfurt-Griesheim von Afrikanern mit mehreren Messerstichen niedergestreckte 24jährige Deutsche wird von seinen Eltern ohne öffentliche Anteilnahme in aller Stille beerdigt. Die Medien schweigen diesen Fall tot.

Es gibt also "gute" Tote, die heftig an das Rechtsbewußtsein der Deutschen appellieren sollen, und "schlechte" Tote, die man lieber unbeachtet läßt.

Jede Überschreitung der Geschwindigkeitsbegrenzung, jedes verbotswidrige Parken in der Innenstadt wird ebenso unnachsichtig verfolgt wie ungesetzliche Versuche der Steuerminderung. Demonstrieren dagegen Tausende von Ausländern rechtswidrig (Art. 8 GG) an Grenzen, auf Autobahnen, in Innenstädten oder dringen Scharen von PKK-Anhängern, selbsternannten "Antifaschisten"/"Antirassisten" mit Gewalt in unliebsame Parteigeschäftsstellen, in Teestuben oder ausländische Vertretungen ein, verzichtet die Polizei reihenweise auf die fälligen Festnahmen, die Aufnahme von Personalien und Beweismitteln sowie auf Anzeige bei der Staatsanwaltschaft. Sie sichert sogar freies Geleit zu, wenn friedlich weiterdemonstriert oder gewaltlos der Rückzug angetreten wird.

Doch der Staat, der auf sein Gewaltmonopel verzichtet und Schwäche zeigt, wird nur um so mehr Gewalt und Terror ernten und wandelt seinen Charakter. Abhilfe schafft allein die eiserne und unparteiische Beherzigung der Grundregeln: "Nur das Recht soll herrschen" und "Gleiches Recht für alle".