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15.04.00 Was der Historiker Walter Post über den "Vernichtungskrieg" herausfand, läßt aufhorchen

© Das Ostpreußenblatt  / Landsmannschaft Ostpreußen e.V. / 15. April 2000


Wehrmacht: Jenseits der Polemik
Was der Historiker Walter Post über den "Vernichtungskrieg" herausfand, läßt aufhorchen
Von HANS-JOACHIM v. LEESEN

Wenn die Anti-Wehrmacht-Ausstellung vom Reemtsma-Heer etwas Gutes bewirkt hat, dann war es neben der von Monat zu Monat breiter gewordenen Ablehnungsfront die Entstehung einer Reihe wertvoller Einzelstudien und einiger Gesamtdarstellungen, mit denen überwiegend nichtbeamtete Historiker Vorwürfe der Ausstellung aufgegriffen und widerlegten. So wurde ein erheblicher Teil der Öffentlichkeit auf einen Abschnitt unserer Geschichte hingewiesen, der drohte, dem allgemeinen Bewußtsein zu entschwinden.

Das fundierteste, griffigste, einleuchtendste, in sich geschlossenste Widerlegungs-Werk erschien soeben, also nach der Schließung der Ausstellung – jedenfalls in Deutschland.

Autor dieses höchst bemerkenswerten Buches ist der promovierte Historiker Walter Post (Jahrgang 1954). Er nannte sein Buch "Die verleumdete Armee – Wehrmacht und Anti-Wehrmacht-Propaganda" (Pour le Mérite-Verlag, DM 49,80). Post hatte sich bereits mit seinem vor wenigen Jahren erschienen Werk "Unternehmen Barbarossa – Deutsche und sowjetische Angriffspläne 1940/41" als profunder Kenner der Geschichte des Zweiten Weltkrieges ausgewiesen.

Er beschränkt sich in seinem neuen Buch nicht darauf, einzelne Fehler der Ausstellung aufzudecken und zu kritisieren. Er wollte sich auch nicht damit begnügen, nur die zentralen Thesen der Ausstellung zu widerlegen. Das erledigt er sozusagen im Vorbeigehen. Walter Post hat vielmehr mit Erfolg den Versuch unternommen, dem Bild der Wehrmacht, wie Hannes Heer und seine willigen Helfer es zeichneten, ein anderes, und zwar ein vollständiges und richtiges Bild entgegenzusetzen.

Dabei vermeidet es Post, nur Meinungen oder gar Gefühle zu äußern, er läßt Dokumente sprechen, und zwar sowohl solche, die die Wehrmacht belasten, als auch solche, die sie entlasten. Jede von ihm geschilderte Tatsache wird mit Hilfe eines umfangreichen Anmerkungsapparates belegt. So ist ein außerordentlich sachliches Buch entstanden, das um so überzeugender wirkt.

Da Reemtsma und Heer behaupten,  die deutsche Wehrmacht habe Verbrechen begangen, muß zunächst das Recht dargestellt werden, das angeblich durch die Wehrmacht verletzt worden sei. Das unterließen die beiden Verantwortlichen für die Ausstellung konsequent, und sie wußten, warum. Maßgebend für die Frage, was eine schwere Rechtsverletzung war und was andererseits vom Völkerrecht gedeckt wurde, ist das damals geltende Völkerrecht. Nach den Haager Landkriegsordnungen und den Genfer Abkommen war es der Zivilbevölkerung grundsätzlich untersagt, an Kampfhandlungen in einem Krieg teilzunehmen. Unterstützten Zivilisten trotzdem den Kampf, dann konnten sie nach den völkerrechtlichen Regelungen als Freischärler bestraft werden. Partisanenkrieg war daher von vorneherein völkerrechtswidrig. Auf frischer Tat ertappte Partisanen konnten hingerichtet werden. Dieser Grundsatz wurde auch nach dem Kriege von den Militärgerichtshöfen der alliierten Sieger anerkannt.

Heer und Reemtsma allerdings taten in ihrer Ausstellung so, als hätten die Partisanen das Völkerrecht auf ihrer Seite und als sei es völkerrechtswidrig = verbrecherisch, Zivilisten, die sich am Kampf beteiligten, hinzurichten. Auf diese dreiste Lüge fiel die Masse der deutschen Publizisten bereitwillig herein. Post rückt die Dinge zurecht.

Aber auch Geiselnahme und Erschießung von Geiseln wurden innerhalb festgelegter Regeln (die von der deutschen Wehrmacht fast immer eingehalten wurden) durch das internationale Völkerrecht gedeckt. So wurde denn auch in den Nürnberger Prozessen die deutsche Wehrmacht weder angeklagt noch verurteilt. Der Generalstab und das Oberkommando der Wehrmacht wurden im Nürnberger Hauptkriegsverbrecherprozeß freigesprochen. Die amerikanischen und britischen Gerichte verurteilten nur einzelne Feldmarschälle und Generäle, die aber ausnahmslos nach einigen Jahren rehabilitiert und freigelassen wurden.

Post untersucht die Befehle der deutschen Führung für den Feldzug gegen die Sowjetunion ebenso wie die sowjetische Kriegführung. Er vergleicht die Kriegführung der Amerikaner und der übrigen Uno-Truppen im Korea-Krieg mit der Kriegführung im deutsch-sowjetischen Krieg und befaßt sich ausführlich mit den Thesen der Ausstellung "Vernichtungskrieg", indem er Punkt für Punkt die Beschuldigungen auflistet, ihre Problematik darlegt und den Behauptungen der Ausstellung die historischen Fakten gegenüberstellt.

Hier seien zwei dieser Thesen herausgegriffen, deren Materie gemeinhin in der Öffentlichkeit wenig oder gar nicht bekannt ist, nämlich die Vorwürfe, die Wehrmacht habe systematisch und planmäßig insgesamt 3,3 Millionen sowjetische Kriegsgefangene umkommen lassen durch Hunger, Seuchen und Mord. Post untersucht die Realität und zieht dazu die Akten von Militärgerichtshöfen der Sieger heran, als sie mit eben diesen Vorwürfen gegen deutsche Generäle vorzugehen sich bemühten.

Tatsächlich kam Ende 1941 eine große Anzahl gefangener Rotarmisten ums Leben. Die Frage bleibt, ob das planmäßig herbeigeführt worden war oder ob andere Ursachen dem Massensterben zugrunde lagen.

In einem Befehl des damaligen Oberbefehlshabers des Heeres über das Kriegsgefangenenwesen hieß es: "Die Kriegsgefangenen sind wertvolle Arbeitskräfte. Ihre beschleunigte Nutzbarmachung im Operationsgebiet für Zwecke der Truppe ist von besonderer Wichtigkeit." Dann wird angeordnet, wie Arbeitskompanien zu bilden seien, denen man Beutefahrzeuge und Beutefeldküchen belassen solle, damit im Operationsgebiet die Gefangenen die notwendigen Arbeiten erledigen. Dazu Post: "Eine Absicht, die russischen Kriegsgefangenen vorsätzlich verhungern zu lassen, ist hier auch mit viel Phantasie nicht herauszulesen."

Im Sommer 1941 scheint die Versorgung der sowjetischen Gefangenen im wesentlichen funktioniert zu haben. Aber im Herbst 1941 begann sich die Versorgunslage der russischen Kriegsgefangenen in katastrophaler Weise zu verschlechtern. Die Ursachen: Bis Ende 1941 gerieten drei Millionen Rotarmisten in deutsche Gefangenschaft, "was etwa dem Umfang des ganzen deutschen Ost-Heeres bei Beginn des  Rußlandfeldzuges entsprach." Gleichzeitig machten sich die Auswirkungen der Strategie der "verbrannten Erde" bemerkbar, die die Sowjets bei ihrem Rückzug in großem Stil angewendet hatten. In den von der Wehrmacht eroberten Gebieten war der größte Teil der Nahrungsmittel vernichtet oder nach Osten abtransportiert. Das Eisenbahnsystem war weitgehend zerstört und mußte von den Deutschen erst mühsam repariert werden. In dieser Situation brach durch das Einsetzen der herbstlichen Schlammperiode das überlastete deutsche Transportsystem zusammen, wodurch die Wehrmacht selbst in erhebliche Versorgungsschwierigkeiten geriet. Weiter ist zu berücksichtigen, daß die sowjetischen Soldaten häufig in außerordentlich schlechter körperlicher Verfassung, unterernährt und nicht selten verwundet in deutsche Gefangenschaft gerieten. So sind viele gefangene Rotarmisten aus Hunger, vor Erschöpfung und unter den Einwirkungen der extremen Kälte des Winters ums Leben gekommen. Flecktyphus, Cholera und Ruhr wüteten unter den unüberschaubaren Massen von Gefangenen, Seuchen, gegen die auch die deutschen Ärzte und die in Gefangenschaft geratenen sowjetischen Ärzte sich nicht behaupten konnten.

Historiker Post zitiert eine Weisung des Oberkommandos des Heeres über die Verpflegung sowjetischer Kriegsgefangener aus dem Dezember 1941. Hier wurde angeordnet, welche Mengen Brot, Fleisch, Fett usw. den Gefangenen zu verabreichen seien, welche Zulagen Schwerarbeiter bekommen sollten usw. Danach hätten die Verpflegungssätze mehr als 2200 Kalorien pro Tag betragen müssen, wenn denn nicht die Sowjets bei ihrem Rückzug alle Vorräte vernichtet hätten und wenn nicht das Transportsystem angesichts der unermeßlichen Gefangenenzahlen und der Witterungslage zusammengebrochen wäre.

Post stellt genaue Rechnungen an und kommt zu dem Schluß, daß die von Reemtsma und Heer genannte Zahl von angeblich 3,3 Millionen in deutscher Gefangenschaft ums Leben gekommener Rotarmisten ebenso falsch ist wie vieles andere, was in der Ausstellung behauptet wurde. Nach seiner Rechnung sind 1 784 000 Mann aus deutscher Kriegsgefangenschaft nicht zurückgekehrt. Von diesen sind noch jene abzurechnen, die sich den auf deutscher Seite kämpfenden russischen Freiwilligenverbänden anschlossen, dabei auf deutscher Seite fielen oder sich nach Kriegsende der zwangsweisen Repatriierung in die UdSSR entziehen konnten.

Ein zweiter in der Öffentlichkeit ebenfalls kaum bekannter Tatbestand ist die deutsche Wirtschaftspolitik in besetzten sowjetischen Gebieten. Als Antwort auf die in der Ausstellung behauptete "Ausplünderung" der Ukraine durch die deutsche Wehrmacht, wodurch große Teile der Zivilbevölkerung dem Hungertod preisgegeben wurden, schildert Post die tatsächliche Lage. Die zurückgehenden Sowjettruppen zerstörten planmäßig und ohne Rücksicht auf die zurückbleibende Zivilbevölkerung alles, um den deutschen Vormarsch zu behindern. Das reichte von einfachem landwirtschaftlichem Gerät bis zu den Kraftwerken. So wurden in der Ukraine 95 Prozent der Kraftwerkkapazitäten durch die Rote Armee zerstört. Die Industrieproduktion lag völlig danieder. Die Förderung von Kohle, Eisenerz, Rohstahl, Elektrizität war aufgrund der sowjetischem Zerstörungen in nicht wenigen Fällen auf dem Nullpunkt. In der Landwirtschaft war die Erzeugung auf die Hälfte der Vorkriegswerte gefallen, weil auch hier die sowjetischen Zerstörungstruppe ganze Arbeit geleistet hatten.

Die deutsche Besatzungsmacht mußte zunächst durch riesige Investitionen die Wirtschaft wieder in Gang bringen. So lieferte das Deutsche Reich bis 1943 in die besetzten Teile der UdSSR 15 000 Eisenbahnwaggons mit Landwirtschaftlichen Geräten und Maschinen, darunter mehr als 70 000 Traktoren. Die deutsche Landwirtschaftshilfe belief sich bis Ende 1943 auf 507 Millionen Reichsmark. In den industriellen Wiederaufbau investierte das Deutsche Reich weit mehr, als es dort herausholte. Zwischen Juli 1941 und Dezember 1943 steckte Deutschland rund eine Milliarde RM allein in die Bereiche Bergbau, Energieerzeugung, gewerbliche Wirtschaft. Deutschland lieferte fast 20 Millionen Tonnen Kohle. Insgesamt betrug die deutsche Wiederaufbauhilfe für die industrielle Infrastruktur etwa 2,5 Milliarden Reichsmark, zusammen mit der Landwirtschaftshilfe sogar rund drei Milliarden RM.

Wenn behauptet wurde, dafür hätten die Deutschen dann die besetzten Gebiete ausgeplündert, dann steht dagegen die Tatsache, daß die deutsche Entnahme für den Eigenbedarf der Landwirtschaft beispielsweise nur 15,4 Prozent bzw. in den Jahren 1942/43 23 Prozent der Gesamternte betrug. Die Ernährungsprobleme in den besetzten Ostgebieten gingen also zum überwiegenden Teil auf die sowjetische Strategie der "verbrannten Erde" zurück. Mit der Industrieproduktion ging es nicht anders. Diese beiden Teilgebiete, die von Post mit einer großen Zahl von nachprüfbaren Fakten unter Hinweis auf amtliche Dokumente unterbaut werden, mögen als Beispiele hinreichen, um zu zeigen, wie spannend die Lektüre dieses Buches ist, wie einleuchtend die Schlußfolgerung des Autors, die er in einem Zitat des englischen Verteidigers von Feldmarschall Manstein, Reginald Paget, aus dem Jahre 1951 zusammenfaßt: "Ich persönlich bin der Ansicht, daß die deutsche Armee sich durchschnittlich so gut benahm, wie es von einer Armee unter russischen Verhältnissen erwartet werden konnte, und zumindest so gut, wie jede andere Armee es getan haben würde."