29.03.2024

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29.04.00 Osterweiterung bringt für die böhmische Landwirtschaft wenig Nutzen

© Das Ostpreußenblatt  / Landsmannschaft Ostpreußen e.V. / 29. April 2000


Tschechei: Der hl. Wenzel und die EU-Bürokatie
Osterweiterung bringt für die böhmische Landwirtschaft wenig Nutzen

Dem durchschnittlichen Weinkonsumenten in Deutschland dürfte wenig bekannt sein, daß es in der Tschechei auch bedeutenden Weinanbau gibt. Der ganze Landwirtschaftssektor ist nach 1990 in eine Krise geraten. Diese Krise hat mehrere Ursachen. Am schwerwiegendsten hat sich sicher die Umstellung von der sozialistischen zur kapitalistischen Wirtschaftsform ausgewirkt. Weiter leidet die Landwirtschaft unter dem Preisdiktat der Lebensmittelindustrie und der großen Handelsketten. Steigende Preise für Energie und Maschinen kommen noch dazu. Auch die relativ großen landwirtschaftlichen Betriebe (über 1000 Hektar) können aus der untergeordneten Rolle gegenüber dem Handel nicht heraustreten. Der Löwenanteil am Ladenpreis landwirtschaftlicher Produkte gehört dem Handel, genauso wie in der EU. Im Hinblick auf die Osterweiterung der EU steht also die tschechische Landwirtschaft vor großen Problemen, die der Beitritt nicht lindern, sondern eher vertiefen wird. Bereits jetzt werden mehr landwirtschaftliche Produkte aus dem Ausland eingeführt als dorthin exportiert. Dies betrifft auch den Wein – ein relativ kleines Segment des Agrarmarktes.

Der durchschnittliche Weinverbrauch in der Tschechei ist 15 Liter pro Person. Davon wird ungefähr die Hälfte aus der eigenen Produktion gedeckt. Der Rest wird durch Importe gedeckt, meistens Billigwein aus Spanien oder Italien. Bei dem Wegfall der Zollgrenze würden die tschechischen Winzer noch mehr unter Druck geraten, denn an Weinexporte ist kaum zu denken. Obwohl der Weinanbau eine tausendjährige Tradition hat, sind die böhmischen und mährischen Weine in Europa unbekannt.

Als Patron der Winzer gilt der hl. Wenzel. Bereits um das Jahr 1000 gab es in Mähren und auch in Böhmen Weinberge. Der Weinanbau in Leitmeritz an der Elbe wird urkundlich bereits 1057 erwähnt. 1143 kamen Mönche aus Steinfeld am Rhein an die Elbe und trugen wesentlich zur Erweiterung des Weinanbaus bei. Sie gründeten und erweiterten Weinberge bei Groß-Zernosek und Lobositz. Groß-Zernosek entwickelte sich zum zentralen Weinort an der unteren böhmischen Elbe. An der mittleren böhmischen Elbe war es von Anfang an Melnik, wo auch der hl. Wenzel am Weinberg gearbeitet haben soll. Die Blütezeit des Weinanbaus war vor dem Dreißigjährigen Krieg. Es wird geschätzt, daß es in Böhmen bis zu 10 000 Hektar Rebfläche gab, in Mähren 20 000. Seit alters her gab es Bestimmungen und Verordnungen zum Weinanbau und zur Kellerwirtschaft. 1358 erließ Karl IV. in seiner Eigenschaft als König von Böhmen eine Verordnung zur Gründung von neuen Weingärten und ordnete zugleich härteste Strafen für Diebstahl und andere Schädigung im Weinberg an. 1497 erließ Wladislaw von Jagello eine Verordnung zur Sicherung der Weinqualität. Der Wein wurde nun nicht nur im Lande verbraucht, sondern auch exportiert. Die Zollbücher bezeugen, daß 1595 allein aus Leitmeritz umgerechnet 275 000 Liter Wein nach Sachsen exportiert wurden.

Der böhmische Weinanbau hat sich nach dem Dreißigjährigen Krieg nie mehr erholt, um 1800 gab es nur noch 2000 Hektar, 1930 sogar nur noch 250 Hektar Rebfläche. Nach den Investitionen der 60er und 70er Jahre erhöhte sich die Rebfläche in Böhmen auf etwa 400 Hektar. In Mähren war die Situation etwas besser. Um 1750 erholte sich der Weinanbau auf 16 000 Hektar, allerdings 1930 gab es nur noch 3870, erst 1980 erreichte man ca. 15 000 Hektar. Heute gibt es in Mähren zirka 11 000 Hektar Rebfläche. Das ist zum Vergleich nur ein Zehntel der bundesdeutschen Rebfläche.

Während man sich in sozialistischen Verhältnissen auf die Produktion von Massenwein konzentrierte (Weinimporte gab es nur im Rahmen des Ostblocks), strebt man heute Qualität an. Das ausländische Kapital interessiert sich für bestimmte Teilbereiche der Weinproduktion. Die traditionsreiche Firma Bohemia Sekt (zwei Millionen Liter Sekt und Schaumwein jährlicher Umsatz) gehört nun dem Oetker-Konzern an. Besonders in die Technologie müssen die mährischen und böhmischen Weinbetriebe noch viel investieren. Ob der EU-Beitritt aber eine positive Entwicklung bringt, ist fraglich. Unbestritten ist, daß die Bürokratie anwachsen wird. Die Weingesetzgebung der EU beträgt ca. 1000 Seiten, und die wird man erst verinnerlichen müssen.

Jaroslav Opocensky´