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29.04.00 Paneuropa-Tage in Görlitz: Habsburgs Mannen an der Neiße

© Das Ostpreußenblatt  / Landsmannschaft Ostpreußen e.V. / 29. April 2000


Paneuropa-Tage in Görlitz: Habsburgs Mannen an der Neiße
Zur Geschichte und Gegenwart der Paneuropa-Bewegung
Von Martin Schmidt

Schritt für Schritt mausert sich die geteilte Grenzstadt Görlitz zum Anziehungspunkt für Organisationen, die im Bereich der europäischen Ost-West-Beziehungen tätig sind. Vergangenen November veranstaltete dort die "Junge Generation" im BdV erstmals ein Seminar, und am 14. Oktober 2000 findet endlich das große Schlesiertreffen in diesem Zipfel Niederschlesiens statt.

Bereits für Anfang Mai, genauer gesagt für den 5. bis 7. Mai, hat sich die deutsche Sektion der Paneuropa-Bewegung zu ihrem Jahrestreffen an der Neiße angesagt. Eine Menge Prominenz wird zugegen sein – vom Präsidenten der internationalen Paneuropa-Union, Otto von Habsburg, über den I. Vize-Marschall der polnischen Wojewodschaft Niederschlesien, Andrzej Kosiór, den ersten slowenischen Parlamentspräsidenten France Bucar und den mazedonischen Minister Martin Trenevski bis hin zu den Professoren Rudolf Kucera aus Prag und Josef Joachim Menzel aus Mainz.

Alle haben sie ähnliche Träume, wie sie den paneuropäischen Vordenker Richard Graf Coudenhove-Kalergi zeitlebens beschäftigten. Ein europäischer Staatenbund sollte einen weiteren Weltkrieg unmöglich machen, so lautete die Kernaussage seines 1923 erschienenen "Paneuropa"-Buches.

Besessen von dieser Idee, gründete Coudenhove-Calergi die gleichnamige Bewegung und entwarf sogar eine eigene Paneuropa-Fahne, die all das symbolisierte, was die Zukunft des Kontinents ausmachen sollte: die blaue Grundfarbe als Ausdruck der Hoffnung auf ein friedliches Gesamteuropa, in dem sich die durch zwölf Sterne dargestellten Staaten auf ihr gemeinsames christlich-abendländisches Erbe besannen, das durch ein rotes Kreuz auf goldener Sonne versinnbildlicht ist.

Seine familiäre Herkunft hat den im böhmischen Ronsperg aufgewachsenen Sproß eines zur Zeit der Kreuzzüge geadelten Geschlechts aus Brabant und Kreta tief geprägt. Im Jahre 1894 kam er in Tokio als Kind eines österreichischen Diplomaten und einer aus einer Samurai-Dynastie stammenden Japanerin zur Welt.

Seine übernationale Grundhaltung war ihm somit in die Wiege gelegt und verwandelte sich durch das Miterleben des Krieges sowie der mächtigen nationalistischen und kommunistischen Zeitströmungen zu einem umfassenden politischen Gegenbild.

Dabei lehnte sich Coudenhove-Kalergi an die Traditionen des fränkischen Karolingerreiches, des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation sowie der Donaumonarchie an. Weitgehend fremd blieb ihm der preußische Anteil am deutschen Erbe. Und Rußland wollte er in seinem Paneuropa ebensowenig dabei haben wie das atlantisch orientierte Großbritannien.

Der sozialdemokratische Reichstagspräsident Paul Löbe amtierte in der Weimarer Zeit als Präsident der deutschen Sektion, die zusammen mit französischen Kreisen der wichtigste Träger der Einigungsbemühungen war. Demgegenüber lehnte die damalige Weltmacht Großbritannien die Paneuropa-Idee entschieden ab. Bereits kurz nach der nationalsozialistischen Machtübernahme wurde die deutsche Paneuropa-Union aufgelöst, ihre Literatur verboten, und der steckbrieflich gesuchte Coudenhove-Kalergi mußte nach zwischenzeitlichem Aufenthalt in der Schweiz im Juni 1940 nach Amerika flüchten.

Seine Stunde schien gekommen, als sich die aus dem Zweiten Welkrieg stark geschwächt hervorgegangenen europäischen Führungsmächte Frankreich, Großbritannien, Deutschland und Italien zu einer engeren Zusammenarbeit gezwungen sahen. Politiker wie Churchill, de Gasperi, Schuman, Adenauer und vor allem de Gaulle forcierten die Idee eines freien und friedlichen Gesamteuropas. Paneuropa-Aktivisten beteiligten sich an der Ausgestaltung des Europarates und später der Europäischen Union. 1954 wurde die Bewegung offiziell wiedergegründet.

Doch allen wichtigen Weichenstellungen in der unmittelbaren Nachkriegszeit zum Trotz war die Zeit für die Umsetzung der Paneuropa-Idee noch immer nicht reif. Die Teilung des Kontinents, das weltumspannende kommunistische Staatensystem und der übermächtige Einfluß der USA auf das westliche Europa verhinderten eine gesamteuropäische Entfaltung. Anders als viele westliche Politiker war die Paneuropa-Bewegung zu keinem Zeitpunkt bereit, sich mit der gewaltsamen Teilung des Kontinents und der Sowjetherrschaft im Osten abzufinden. So war es kein Zufall, daß das am 19. August 1989 veranstaltete "Paneuropäische Picknick" im ungarischen Ödenburg (Sopron) seinen Anteil am Zerfall des Imperiums hatte. Der Grenzübertritt von 661 DDR-Bürgern hatte weitere Fluchtwellen und Massenproteste zur Folge. Heute gewinnt die internationale Paneuropa-Union ihren Einfluß insbesondere aus der Mitgliedschaft hochrangiger Persönlichkeiten, allen voran dem zum Nachfolger des 1972 in der Schweiz verstorbenen Coudenhove-Kalergi gewählten Otto von Habsburg. Dieser bringt seine Stimme u. a. als Berater Edmund Stoibers für Mittel- und Osteuropafragen ein.

Der mazedonische Präsident Trajkowski und Belgiens Ex-Ministerpräsident Tindemanns gehören der Vereinigung ebenso an wie der Vize-Präsident des Europaparlaments, Ingo Friedrich (CSU).

Mitgliedsorganisationen bestehen in Österreich, Frankreich, Großbritannien, Schweden, im Bal-

tikum, in Polen, Belgien, Luxemburg, Slowenien, Kroatien, Ungarn, Tschechien, der Slowakei, in Rumänien, Italien, Spanien und Portugal.

Vereint sind sie in dem Streben nach einer politischen Union, deren Substanz in der kulturellen Vielfalt der Glieder liegt. Das Subsidiaritätsprinzip, also eine Zentralisierung nur soweit dies unbedingt nötig ist, gehört genauso zum Kern des Programms wie der Einsatz für die Familie und für Volksgruppenrechte sowie der Kampf gegen "Nihilismus, Atheismus und einen unmoralischen Konsumismus" (Bamberger-Programm von 1996).

Dies alles macht die wertkonservative Paneuropa-Union heute ebenso unverzichtbar wie ihr nachdrücklicher Einsatz für das auch den ost- und sudetendeutschen Vertriebenen zustehende Heimatrecht und eine durch die EU-Osterweiterung anzustrebende baldige Vereinigung des Kontinents.

Dabei sollen neben den Bewerbern der ersten und zweiten Erweiterungsrunde grundsätzlich auch Kroatien, Mazedonien und Albanien einbezogen werden, auf keinen Fall aber die Türkei oder Rußland.

Eine Schwäche in Deutschland ist die starke Anbindung an die Unionsparteien, die natürlich Abhängigkeiten schafft. Das Manko des relativ geringen Bekanntheitsgrades versucht man durch die Zeitschrift "Paneuropa Deutschland" sowie eine intensive Vernetzungstätigkeit auszugleichen.

Schon in den 70er Jahren schlossen sich der Bund der Vertriebenen (BdV) und die meisten Landsmannschaften als korporative Mitglieder der Organisation an. Der deutsche Paneuropa-Präsident und Europaparlamentarier Bernd Posselt ist zugleich Vorsitzender der Sudetendeutschen Landsmannschaft.

Im Zeitalter der Globalisierung und des "Kampfes der Kulturen" (Huntington), also der weltumspannenden Auseinandersetzung kulturell fundierter Großräume, ist das paneuroäpische Ziel einer nicht nur wirtschaftlichen, sondern auch politischen Supermacht Europa aktueller denn je. Vor allem ist es mit der Betonung geistesgeschichtlicher Grundlagen ansprechender als all das, was die Brüsseler Technokratie in Sachen EU üblicherweise verlauten läßt.

Allerdings muß sich die Paneuropa-Union die Frage gefallen lassen, ob die von ihr erstrebten EU-weiten Angleichungen nicht nur in der Außen- und Wirtschaftspolitik, sondern auch in zentralen Bereichen der Rechts- und Innenpolitik der Mitgliedsstaaten nicht teilweise übers Ziel hinausschießen. Denn wie will man etwa einen aus deutscher Sicht befriedigenden Einheitsstandard im Asyl- und Zuwanderungsrecht bekommen?

Bestenfalls springt ein an der Einwohnerzahl orientierter Verteilerschlüssel für künftige Wanderungsbewegungen heraus. Da aber in Deutschland asylpolitisch das Kind bereits in den Brunnen gefallen ist, müssen weitaus strengere Richtlinien her als in Finnland, Irland, Spanien oder Griechenland.

Zumindest in solchen zentralen Politikbereichen sollten die Nationalstaaten ihre Lenkungsmöglichkeiten behalten, andernfalls drohen Gegenreaktionen, die die im Zuge der Osterweiterung zwangsläufig heterogener werdende Europäische Union in kleinere Interessengruppen aufsprengen könnten.

Kontakt: Paneuropa-Union Deutschland e. V., Karlstr. 57, 80333 München, Tel.: 089/554683, Fax: 594768