25.04.2024

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29.04.00 "Krajebieter" – so war es wirklich

© Das Ostpreußenblatt  / Landsmannschaft Ostpreußen e.V. / 29. April 2000


"Krajebieter" – so war es wirklich
Von ARMIN TOLL

Die Verse "Krajebieter" (Folge 11/Seite 6) des Herrn Gert O. E. Sattler las ich – mit einigem Zorn. Der Verfasser dieser Zeilen scheint über das Thema seines Gedichtes nicht sehr gut im Bild zu sein. Bei seinen Schlußzeilen geht daher jemand wie mir, der wohl einer der letzten dieser "Krajebieter" auf der Kurischen Nehrung war, "der Hut hoch".

Mein letzter Fang, den ich als 15jähriger im Herbst 1944 mit Zugnetz und zwei Fallen machte, waren 63 Krähen an einem Tag. Trotzdem bin ich nicht als Drakula nach Hause gekommen. Es ist ja auch kaum vorstellbar, wie man einer Krähe mit ihrem langen Schnabel den Kopf "abbeißen" können sollte. Keiner der "Krajebieter" ist wohl jemals mit einem Blutfleck an der Kleidung vom Fang zurückgekehrt. Den Krähen wurde lediglich mit einem kurzen Biß leicht die Schädeldecke eingedrückt. So waren sie schmerzlos in Sekundenschnelle tot. Beide Hände brauchte man zum Festhalten von Schnabel und Flochten.

Zum Krähenfang: Gefangen wurden die Krähen einmal im Herbst, wenn das Haff zufror und der Fischfang deshalb nicht mehr möglich war. Zum anderen fing man die Krähen im Frühjahr, wenn das Eis brach und wiederum Fischen nicht möglich war. Die Vogelzüge in diesen Zeiten lieferten den Nehrungsfischern also Nahrung in der fischarmen Zeit. Als Mahlzeit gab es meist eine Krähe pro Person mit Reis und Gemüse gekocht.

Die Krähenfangplätze wurden vom Förster vergeben. Mein Großvater, der mein Lehrmeister im Krähenfang war, hatte zwei Fangplätze, einen für das Frühjahr und einen für den Herbst. So mußten die Fanglauben aus Fichtenzweigen und die Fangplätze, die der Flugrichtung der Vögel angepaßt waren, nicht für die jeweilige Jahreszeit umgebaut werden. Von den gefangenen Krähen wurde auf Wunsch auch die Nachbarschaft versorgt, und was übrig blieb, wurde eingeweckt. Die Krähenfedern wurden gesammelt und im Winter geschlissen. Dabei wurden die Flaumfedern und die Schwanz- und Flochtenfedern von den Kielen getrennt, sortiert und zu Bettfüllungen verarbeitet. Zu dieser Arbeit versammelten sich die Frauen aus dem Dorf, meist auf der Veranda der Gastwirtschaft, zu einem fröhlichen Liederabend mit reichlich Grog. Die Männer waren natürlich auch dabei. Allerdings nicht zum Federnschleißen – sie erwärmten sich mit steiferem Grog nach dem Einfahren des Eises.