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06.05.00 Deutsche Kulturarbeit in Schlesien: Ende der Ära Hupka weckt neue Hoffnungen

© Das Ostpreußenblatt  / Landsmannschaft Ostpreußen e.V. / 06. Mai 2000


Retten, was zu retten ist
Deutsche Kulturarbeit in Schlesien: Ende der Ära Hupka weckt neue Hoffnungen
Von Hedla Heinka

Seit dem Fall der Mauer bieten sich den Landsmannschaften und Heimatkreisvereinigungen, aber auch Privatpersonen die verschiedensten Möglichkeiten, vor Ort in der alten Heimat aktiv zu werden.

Schlesien bildet dabei unter den früheren ostdeutschen Provinzen insofern eine Sonderrolle, weil hier vor der Flucht und Vertreibung die größte Zahl von Ostdeutschen lebte. Zugleich war es die wirtschaftlich stärkste und kulturgeschichtlich sicherlich reichhaltigste Region. Heute besitzt das auf vier Woiwodschaften aufgeteilte Land das dichteste Netz an wissenschaftlichen Einrichtungen in der gesamten Republik Polen.

In Oberschlesien lebt noch über eine halbe Million Heimatverbliebene, von denen sich nicht wenige mit dem Deutschtum identifizieren. Fast alle Gemeinden, in denen diese Oberschlesier politische Mehrheiten besitzen und somit für ihre engere Heimat Verantwortung tragen, verfügen inzwischen über Partnerschaften zu bundesdeutschen Kommunen. Die örtlichen deutschen Volksgruppenorganisationen pflegen außerdem oftmals Kontakte zu Heimatvereinen und Ortsverbänden der Landsmannschaft Schlesien (Sitz: Königswinter) bzw. der Landsmannschaft der Oberschlesier (Ratingen).

Der Wirkungskreis der beiden Landsmannschaften ist dennoch begrenzt geblieben, was nicht nur mit der Abhängigkeit von der öffentlichen Hand und der damit verbundenen finanziellen Situation oder der Aufgabenvielfalt zusammenhängt. Die bürokratischen Apparate beider Verbände sind träge und die Vorstände überaltert – ein Tatbestand, der dazu beiträgt, sich neuen Chancen zu verschließen.

Nicht wenige hoffen deshalb auf den neuen Bundesvorsitzenden der Landsmannschaft Schlesien, Rudi Pawelka, der am 15. April das Amt von Herbert Hupka übernommen hat.

So sind es vor allem Vereine und Einzelpersonen, die sich seit 1990 vor Ort engagieren, jedoch von der bundesdeutschen Öffentlichkeit kaum wahrgenommen werden. Diesen Mißstand will das Monatsmagazin "Schlesien heute" (Görlitz) ändern, indem es sich verschiedenen Projekten in der Heimat als journalistische Plattform anbietet und ihre Ziele und aktuelle Vorhaben ausführlich darstellt.

Herausragend ist der "Verein zur Pflege schlesischer Kunst und Kultur" (VSK), der ausschließlich in Schlesien aktiv ist. Er bietet Seminare zur schlesischen Vergangenheit an, organisiert Dichterlesungen und widmet sich der Restaurierung bedeutender Denkmäler und Bauten im Riesengebirge. Gemeinsam mit den polnischen Einwohnern will man vom alten Schlesien retten, was noch zu retten ist.

Vor allem der polnischen Jugend, die sich gerade im östlichen Niederschlesien zunehmend der Geschichte annimmt, soll die Kultur Schlesiens vermittelt werden. Treffpunkt ist dabei das Schloß Lomnitz im Riesengebirge, das in den vergangenen Jahren von einer jungen bundesdeutschen Familie aufgekauft und saniert werden konnte.

Was vor Ort mit gegenseitigem Verständnis bewirkt werden kann, hat der VSK in den letzten Jahren oft genug in Zusammenarbeit mit den Kommunalbehörden bewiesen. In Erdmannsdorf etwa, einem einst von evangelischen Glaubensflüchtlingen aus Tirol im Stil ihrer Alpenheimat erbauten Ort, konnte der Verein zwei Häuser (künftig ein Restaurant sowie ein Museum) erwerben und renovieren. Am "Lublasser Haus" wurde sogar die alte Inschrift "Gott segne den Koenig Friedrich Wilhelm III." erneuert.

Ein weiteres Beispiel ist die Kooperation einer vertriebenen und einer polnischen Familie, die sich in Lerchenfeld in der Grafschaft Glatz ein Grundstück kauften und darauf ein Haus im traditionellen Stil der Region errichteten. Das "Derhääme-Häusla" (Daheim-Häuschen) ist inzwischen Anlaufstelle sowohl für Heimatbesucher als auch für die am alten Schlesien interessierten jungen Polen, denen Deutschkurse, Kulturveranstaltungen und Seminare angeboten werden.

Daß manches nach wie vor pragmatischen Charakter besitzt, bezeugt ein aktueller Fall aus Oberschlesien: In seinem Heimatdorf gab ein Vertriebener aus eigener Tasche 5000 Mark für die Renovierung der Kirche. Eine öffentliche Danksagung lehnte der Pfarrer jedoch ab. Zur Begründung führte er die "Notwendigkeit" an, auf nach wie vor bestehende Vorurteile der heutigen polnischen Bewohner Rücksicht nehmen zu müssen.

Dieses Beispiel steht zugleich für die deutlichen Unterschiede zwischen Nieder- und Oberschlesien. Im ersteren ist es heute fast unproblematisch, auf den Friedhöfen ein Denkmal zur Erinnerung an die früheren deutschen Einwohner zu errichten oder mit den Polen Dorffeste zu feiern. Es gibt erfreuliche Berichte vieler Heimatkreisgemeinschaften über die Zusammenarbeit mit den Kommunalbehörden, die den Vertriebenen gegenüber offener auftreten als in Oberschlesien, wo teilweise noch in alten Denkschablonen gedacht wird.

Im Bereich des Stiftungswesens stellt die wenig bekannte Stiftung Schlesien (Hannover/Münster) eine Besonderheit dar, weil ihre Arbeit ausschließlich auf ehrenamtlicher Tätigkeit fußt. In den vergangenen zehn Jahren organisierte sie in Schlesien 15 Tagungen für alle am Thema Interessierten, wobei man stets Wert darauf legte, daß der örtliche Minderheitenverein und eine polnische Einrichtung einbezogen wurden.

Viel Anerkennung bei wissenschaftlichen Einrichtungen und Museen in Schlesien finden die Stiftung Haus Oberschlesien (Ratingen) sowie die Stiftung Kulturwerk Schlesien (Würzburg). Hier hat sich ein reger Austausch eingestellt, der sich auf gemeinsame Ausstellungen, Tagungen und Arbeitsprojekte erstreckt.

Es ist grotesk, daß der Bund die Förderung beider Stiftungen bis zum Jahr 2005 mit der Begründung einstellen will, daß hier keine grenzüberschreitende Kulturarbeit stattfände. Diese Überlegung zeigt, wie in der Bundesrepublik die kaum mehr überschaubaren Aktivitäten der Schlesier in ihrer Heimat vielfach noch immer ideologisch mißachtet werden, während man sie in Schlesien selbst seitens der Kommunen und der Menschen vor Ort ausdrücklich begrüßt.