29.03.2024

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20.05.00 Ostpreußen und Danzig: Wie Reisende sich gegen Kriminalität schützen können

© Das Ostpreußenblatt  / Landsmannschaft Ostpreußen e.V. / 20. Mai 2000


Wunder dauern etwas länger
Ostpreußen und Danzig: Wie Reisende sich gegen Kriminalität schützen können

Ein brutaler Raubüberfall auf ein deutsches Ehepaar in Danzig Anfang April ließ auch in der polnischen Öffentlichkeit die Wogen der Empörung hochschlagen. Der Darmstädter Hartmut B. und seine Ehefrau, die bei dem Überfall eine Kopfverletzung erlitt, waren keine arglosen Touristen, sondern mit den Verhältnissen in Danzig gut vertraut, da der Physiker oft als Gastdozent an den Universitäten des Landes weilt.

Danziger Bürger machen sich zunehmend Sorgen nicht nur um die Sicherheit in ihrer Stadt, sondern auch um deren Ruf und üben immer öfter Druck auf die Behörden aus. Mit Schrecken denken sie noch an die Auswirkungen der letztjährigen Flugblatt-Warnung der amerikanischen Botschaft an Danzig-Reisende.

Kaum ein Ostpreußen-Reisender, der nicht auch Danzig besucht, da interessiert es natürlich, wie es um die Sicherheit bestellt ist. Die Zahlen für 1999 sprechen eine deutliche Sprache: Insgesamt 1,1 Millionen Verbrechen gab es im ganzen Land, eine Verdoppelung in den letzten zehn Jahren – und nur 45 Prozent davon wurden aufgeklärt. Von den 6424 Ausländern, die im vergangenen Jahr einer Straftat zum Opfer fielen, waren 3548 Deutsche. Dazu kommen noch 1991 gestohlene deutsche Pkw. Am alarmierendsten ist jedoch die Verdoppelung der Raubüberfälle im Laufe von nur einem Jahr.

Dabei sind die polnischen Behörden durchaus willens, die Lage zu verbessern, doch Wunder dauern bekanntlich etwas länger. Seit dem Sommer letzten Jahres arbeitet die Danziger Polizei mit einem Videoüberwachungssystem. Mittlerweile sind 16 Kameras in der Altstadt installiert. Eine absolute Sicherheit aber gibt es nicht. Das deutsche Ehepaar wurde an einer für Kameras nicht einsehbaren Stelle überfallen. Solche toten Winkel seien unvermeidbar, erklärte der Danziger Polizeikommandant Krzysztof Gajewski der polnischen Presse gegenüber. Im übrigen gebe es solche Verbrechen weltweit, allein in München würden dreimal so viele Touristen überfallen, denn auch dort könne die Polizei nicht überall sein.

Dennoch ist die Danziger Polizei bemüht, das Sicherheitsniveau weiter zu verbessern. Die Zahl der Polizeistreifen wurde schon erhöht, die Polizei ist präsenter und wird vor allem die vorbeugende Arbeit weiter verstärken. Allein das Revier Danzig-Innenstadt mit seinen 277 Straßen wird nur für den Sommer mit 50 Polizisten aus Pommern verstärkt. Auch wird schon im nächsten Monat der Danziger Hauptbahnhof an das Überwachungssystem angeschlossen. In Gdingen hat die Intallation einer solchen Anlage bereits im Mai begonnen.

Langfristig erwartet die Polizei von der Kombination von Videoüberwachung und Streifentätigkeit mit mehr Beamten einen drastischen Verbrechensrückgang. Schon jetzt wird eine erste Änderung beobachtet: Das Verbrechen wird zunehmend aus den Zentren an den Stadtrand sowie in andere Gegenden abgedrängt.

So herrschte kürzlich Entsetzen in Allenstein, als die Tageszeitung "Gazeta Wyborcza" die Resultate der Erhebung eines internen Polizeibulletins veröffentlichte. Demnach ist Allenstein, was die Zahl der gemeldeten Straftaten betrifft, landesweit Rekordhalter. Im letzten Jahr wurden dort relativ mehr Straftaten als in Danzig verübt; mit 6300 pro 100 000 Einwohner sogar mehr als in Warschau, wo 5700 gemeldet wurden. In Allenstein werden damit ein Viertel aller Straftaten im südlichen Ostpreußen verübt.

Die gleichfalls in der "Gazeta Wyborcza" veröffentlichten Zahlen einer Erhebung der Ortelsburger Polizeihochschule vom letzten November unterstreichen, daß mehr als die Hälfte der Allensteiner Bürger sich nicht mehr sicher fühlt. Mehr als zwei Drittel fürchten, Opfer eines Verbrechens in der direkten Umgebung oder ihrer Wohnung zu werden und meiden unsichere Gegenden bei Dunkelheit. Jeder fünfte Allensteiner war bereits Opfer eines Verbrechens.

Die Ursache hierfür sehen die Menschen in Ostpreußen in der hohen Arbeitslosenzahl der Region, bei zu milden Gesetzen und einem zunehmenden Werteverfall bei Kindern und Jugendlichen. Hatte man den aufsehenerregenden Brief einer Gruppe Allensteiner Geschäftsleute noch als überzogen gewertet, erschien deren Klage über mangelnde Sicherheit in der Stadt und das Anwachsen der Kriminalität nun in einem ganz anderen Licht.

Der Kabinettsdirektor der Wojewodschaft Allenstein, Grzegorz Kierozalski, wiegelte die Bedeutung der Polizeiinformationen allerdings recht originell mit der Bemerkung ab, vielleicht hätten nicht alle Städte wie Allenstein auch geringfügige Diebstähle gemeldet.

Die Allensteiner Polizei sowie Stadtverwaltung und Stadtpräsident Janusz Cichon hingegen arbeiten an einer Verbesserung der Lage. Es wurde das Programm "Sichere Stadt" ins Leben gerufen, das vor allem die Bürger aktivieren soll, auf ihre direkte Umgebung zu achten und, von der Polizei geschult, Nachbarschaftshilfe zu leisten. In den durch Schilder genzeichneten Stadtvierteln gab es bereits einen ermutigenden Rückgang an Wohnungseinbrüchen und Überfällen.

Zu Beginn der Reisezeit verstärkt die Polizei auch in Allenstein ihren Streifendienst und setzt voll auf Prävention durch mehr Präsenz. Offenbar hat man die Zeichen der Zeit erkannt und verschlankt die Einheiten, nachdem man der Verbrechensflut mit alten Strukturen nicht mehr Herr wurde. Mehr Effizienz ist das Ziel.

Im Kreis Ortelsburg beispielsweise gab es bisher sechs Kommissariate mit den entsprechenden Verwaltungsapparaten, nun wird es nur noch ein Kommissariat auf Kreisebene geben, die anderen werden zu Revieren umgewandelt. Das bedeutet sechsmal weniger Polizisten an den Schreibmaschinen, die für die eigentliche Polizeiarbeit frei werden.

Davon wird in Zukunft, wenn die Maßnahmen greifen, auch der Reisende profitieren. Noch allerdings weist das Auswärtige Amt in Berlin allerdings zu Recht auf das Sicherheitsrisiko bei Reisen nach Polen hin, einmal wegen der Gefahr, in den Städten und Bahnhöfen bestohlen zu werden, zum anderen wegen der stetig steigenden Zahl von Raubüberfällen.

Auch Autofahrern droht in letzter Zeit nach Informationen des Auswärtigen Amtes nicht nur der einfache Diebstahl des Fahrzeugs, sondern zunehmend der Überfall und Raub. Immer noch sind besonders neuere deutsche Fabrikate sowie Geländewagen gefragt.

Für den Pkw-Touristen kommt noch eine zweite Gefahr hinzu: das marode Straßennetz. Es gibt nicht genug Geld. Nur 30 Prozent der Mineralölsteuereinnahmen fließen in den Straßenbau. So können jährlich nur gut 150 Straßenkilometer erneuert werden, wo Tausende nötig wären. Nach den Zahlen der Weltbank wären Investitionen von umgerechnet etwa sechs Millionen Mark nötig, um das polnische Straßennetz einem neuzeitlichen Standard anzupassen, sowohl was den Straßenzustand als auch die Verkehrsorganisation betrifft.

In den letzten zehn Jahren ist auf diesem Gebiet nicht viel passiert, dagegen hat aber die Verkehrsdichte rapide zugenommen: Die Anzahl der Pkw hat sich fast verdreifacht; allein im vergangenen Jahr wurden 600 000 Autos verkauft. In ihrem jüngsten Bericht stuft die staatlich polnische Kontrollkammer NIK den Zustand der Straßen sowie die Zahl der Unfallopfer als alarmierend ein. Zwei der drei gefährlichsten Straßen des Landes führen durch den Allensteiner Bezirk, wobei die größte Unfallgefahr in der Gegend um Preußisch Holland an der E 7 Danzig–Warschau lauert, die täglich von 10 000 Autos befahren wird.

In Allenstein fühlt man sich von Warschau zunehmend stiefmütterlich behandelt. Es gelingt einfach nicht, die Aufnahme der N 16 Graudenz–Allenstein–Nikolaiken ins Netz der Expreß-Straßen zu erreichen, obwohl sie mit 5,5 Millionen Euro aus dem PHARE-Programm der EU erweitert wird. So nimmt das hohe Unfallrisiko in Ostpreußen nicht wunder. Allein im April dieses Jahres starben 15 Menschen auf den Straßen des südlichen Ostpreußen, und nur am langen ersten Maiwochenende gab es noch einmal drei Tote und 46 Verletzte. Obendrein wurden 173 betrunkene Fahrer verhaftet.

Wenn auch erste Verbesserungen sichtbar werden, so gibt es alles in allem, was die Sicherheit betrifft, also immer noch keine rosigen Aussichten für den Ostpreußen-Reisenden. Daher sind unbedingt einige Ratschläge zu beherzigen:

• Autofahrer sollten immer mit Schlaglöchern jeglicher Größe sowie dem Schneid polnischer Autofahrer rechnen. Defensive und umsichtige Fahrweise sind daher vonnöten.

• Bei größeren Ortsdurchfahrten sollte man die Türen verriegeln und die Fenster schließen, damit man nicht an einer Ampel aus dem Auto gerissen werden kann.

• Einsame Parkplätze an den großen Straßen sollte man meiden, lieber in belebten Gegenden Pause machen. Das Auto unmittelbar nach dem Aussteigen abschließen.

• Das Auto auch dann abschließen, wenn man ein unvorhergesehenes Hindernis von der Fahrbahn entfernen muß: es könnte eine Falle sein. Dringend anzuraten ist, auf freier Strecke nicht anzuhalten, weder bei einem vermeintlichen Unfall noch wenn sonst versucht wird das Auto anzuhalten: Man gebe Gas, die betreffenden Personen springen garantiert rechtzeitig zur Seite.

• Auch bei scheinbaren nächtlichen Polizeikontrollen in entlegenen Gebieten nicht halten! Die polnische Polizei nimmt wegen der Überfallgefahr in unwegsamem Gelände keine Kontrollen vor.

• Wenn man sein Auto aus dem Urlaub wieder mit nach Hause bringen will, sollte man es in allen größeren Städten grundsätzlich nur auf bewachten Parkplätzen abstellen, die mit dem gängigen blauen Parkplatzschild und der Aufschrift "Parking strzezony" gekennzeichnet sind.

• Wertgegenstände, wenn überhaupt, nur am Körper tragen. Eine Handtasche, die man nicht dabeihat, kann auch nicht gestohlen werden. Im übrigen sollte man sein Gepäck nicht einen Augenblick unbewacht lassen. Auch nicht, wenn man das Zugabteil verläßt. In diesem Falle sollte man es wenigstens mit einem Fahrradschloß am Gepäckgitter abschließen. Brigitte Jäger-Dabeck

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