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27.05.00 Über eine "Vereinbarung vom 27./28. September 1990 ..."

© Das Ostpreußenblatt  / Landsmannschaft Ostpreußen e.V. / 27. Mai 2000


Recht: "... werden nicht zugelassen"
Über eine "Vereinbarung vom 27./28. September 1990 ..."

Als unlängst Kulturstaatsminister Michael Naumann im Beisein von Bremens Bürgermeister Henning Scherf und des Spiegel-Chefredakteurs Stefan Aust Teile des legendären Bernsteinzimmers, ein Mosaik und eine Kommode, an die russischen Eigentümer in Moskau zurückgaben, schien der Zeitpunkt atmosphärisch günstig: die Tage um den 8. Mai herum sind allemal ein denkwürdiger Termin, insbesondere weil die politischen deutsch-russischen Beziehungen seit dem Abgang Gorbatschows ohnehin nur noch auf der zwielichtigen Schmalspurebene Jelzin–Kohl liefen.

Doch paradox genug, so sehr gerade Putins Vorgänger Jelzin auf allen Hauptfeldern zur Rettung Rußlands versagte, so sehr geriet er auf einem Nebenfeld, dem Umgang mit der "Beutekunst", zu einem Gegenspieler seines Parlaments, das das Kapitel Rückführung von kriegsbedingten "Kulturtrophäen" mit einem dicken Schlußstrich beenden wollte. Er ließ immerhin eine Tür für die Zukunft offen, indem er völkerrechtlich der Haager Landkriegsordnung verpflichtet blieb. Dies zahlte sich nun in diesen Maitagen aus, denn im Gegenzug trug Bürgermeister Henning Scherf bei der Rückreise die sogenannte "Bremer Kollektion" mit Graphiken und Radierungen von Breughel bis Dürer in seinem Gepäck.

Eine erfreuliche Tendenz, denn das Kapitel Rückführung von Beutekunst gilt nur für die meinungsbildende Presse als abgeschlossen. Was jenseits kunstsinniger und besitzrechtlicher Natur ist, wird natürlich in Moskau naturgemäß und nach guter russischer, aber auch international üblicher Diplomatenart politisch gewichtet. So blieb es nicht aus, daß in der Umgebung Putins Munkeleien aufkamen, wonach die Berliner Zielstrebigkeit zwar gewürdigt wurde, Russen lieben bekanntlich beherzte Verhandlungstaktiken, zugleich aber auch Unmut darüber aufkam, warum die bundesdeutschen Politiker so vergleichsweise offensiv gegenüber Moskau auftreten, dies aber nicht gegenüber Washington und deren ehemalige Westalliierte vorbringen, die ebenfalls noch im Besitz von "Beutekunst" sind.

Selbst ein publizistisches Echo blieb nicht aus: in der russischen "Parlamentskaja Gazeta" (Parlamentszeitung) schrieb Wladimir Petrow einen großen Beitrag unter dem natürlich ironisch gefaßten Titel "Ein neuer Drang nach Osten?", der im Zusammenhang mit der "Beutekunst" völkerrechtliche Denkwürdigkeiten ans Licht brachte, die gerne auch von gerade in diesen Dingen kundigen und nachgerade allmächtigen Magazin-Chefredakteuren wissentlich ausgespart bleiben ...

Denn natürlich ist allen Rechtskundigen klar, daß für die Rückführung der Beutekunst ein bereits 1907 in der Haager Landkriegsordnung gefaßter Artikel (56) bis in die Gegenwart Gültigkeit besitzt: "... Kunst ist als Privateigentum zu behandeln. Jede Beschlagnahme ... von Werken der Kunst und Wissenschaft ist untersagt und soll geahndet werden." Über diese Aussage gibt es keinen Deutungsspielraum. Gleichwohl hielt es die Regierung Kohl/Genscher der alten Bundesrepublik für angezeigt, sich einer Vereinbarung zu beugen, die am 27. und 28. September 1990 ohne Parlamentsbeschluß und ohne die schon demokratisch gewählte DDR-Führung zu informieren, mit "... den Regierungen der Französischen Republik, der Vereinigten Staaten von Amerika und des Vereinigten Königreichs Großbritannien und Nordirland geschlossen" wurde.

Darin wird unter Berufung auf diverse frühere Verträge aus den Jahren 1952 und 1954 im "Sechsten Teil" mit dem Stichwort "Reparationen" im Artikel 8 ausgeführt: "(1) Die Bundesrepublik wird in Zukunft keine Einwendungen gegen die Maßnahmen erheben, die gegen das deutsche Auslands- oder sonstige Vermögen durchgeführt worden sind oder werden sollen, das beschlagnahmt worden ist für Zwecke der Reparation oder Restitution oder auf Grund des Kriegszustandes oder auf Grund von Abkommen, die die Drei Mächte mit anderen alliierten Staaten, neutralen Staaten oder ehemaligen Bundesgenossen Deutschlands geschlossen haben oder schließen werden."

Diese in der Öffentlichkeit bislang unbekannten "Vereinbarungen", die bei nunmehr als neu zu bezeichnenden "Drei-plus-Eins-Verhandlungen" zustande gekommen sind, die bewußt die damals noch bestehenden Sowjets ausschlossen, um sie unter Verweis auf die eigene weiße Weste mühelos in das altgewohnte Beelzebub-Spiel einzubeziehen, sind auch in wesentlichen Teilen inhaltlich gleich mit der Vereinbarung von 1954. Es verwundert kaum, daß die Dokumente von 1954 in keinerlei juristischen Sammlungen mehr auftauchen und auch in den maßgeblichen Bibliotheken von Berlin, Leipzig und München nicht geführt werden. Ähnlich verhält es sich auch mit den "Vereinbarungen von 1990". Über die Rechtlichkeit im Vergleich mit völkerrechtlichen Vereinbarungen sei insbesondere an das Wiener Abkommen von 1969 erinnert, das festlegt, daß Vereinbarungen von solcher Tragweite selbstverständlich freiwillig geschlossen sein müssen. Freilich läßt etwa die geradezu apodiktische Diktion des unter Artikel 3 (3) im Abschnitt "Reparationen" veröffentlichten Textes wenig Spielraum für anderslautende Deutungen: "Ansprüche und Klagen gegen Personen, die auf Grund der in Absatz (1) und (2) dieses Artikels bezeichneten Maßnahmen Eigentum erworben oder übertragen haben, sowie Ansprüche und Klagen gegen internationale Organisationen, ausländische Regierungen oder Personen, die auf Anweisung dieser Organisationen oder Regierungen gehandelt haben, werden nicht zugelassen."

Es wird in diesem Zusammenhang auch deutlich, daß die Vereinbarungen weit über das engere Feld der Rückgabe von Beutekunst hinaus Bedeutung besitzen. Unter Artikel 1 im "Sechsten Teil" heißt es unmißverständlich: "Die Frage der Reparationen wird durch einen Friedensvertrag zwischen Deutschland und seinen ehemaligen Gegnern oder vorher durch diese Fragen betreffende Abkommen geregelt." Gab US-Staatssekretär Eizenstat nicht erst unlängst in pekuniärer Angelegenheit den Hinweis, daß wir noch keinen Friedensvertrag besitzen? Hochzeit für Zeitgeschichtler, Publizisten und Völkerrechtler, oder? Peter Fischer

Bekanntmachung der Vereinbarung vom 27./28. September 1990 zu dem Vertrag über die Beziehungen zwischen der
Bundesrepublik Deutschland und den Drei Mächten sowie zu dem Vertrag zur Regelung aus Krieg und Besatzung entstandener Fragen (in der geänderten Fassung)