20.04.2024

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03.06.00 Expo und Informatik-NC: Vision und Wirklichkeit in Deutschland

© Das Ostpreußenblatt  / Landsmannschaft Ostpreußen e.V. / 03. Juni 2000


Expertennachwuchs: Vor verschlossenen Türen
Expo und Informatik-NC: Vision und Wirklichkeit in Deutschland

"Wir sind noch wer!" Die eröffnete Weltausstellung in Hannover soll es der Menschheit zeigen: Deutschland ist nicht nur auf der Höhe der Zeit, wir stellen auch die Frage der Zukunft schlechthin: Wie kommen Mensch, Natur und Technik ins Lot?

Zu Recht wendet sich Kanzler Schröder gegen Miesmacherei wie etwa diejenige, daß sich solche Schauen doch erledigt hätten in einer Ära, in der jeder Interessierte alles Wissenswerte "virtuell" auf seinen Computerbildschirm bannen kann. Jene, auch noch so ausgefeilte elektronische Präsentation kann die unmittelbare sinnliche Erfahrung des Neuen nicht ersetzen – das wird die Expo 2000 ihren Besuchern zeigen. Wer nicht da war, ist selber schuld.

Aber blicken wir hinter die Kulissen der großen Expo-Bühne Deutschlands, kommt Beklemmung auf. Gerade noch wurde uns die Technik-Abstinenz der deutschen Studenten um die Ohren gehauen. Es gibt zu wenig Informatik-Absolventen, per "Green Card" müßten diese nun auf dem ganzen Erdball zusammengesammelt werden.

Kurz darauf der Katzenjammer: Die in den Mittelpunkt gerückten indischen Wunderheiler des deutschen Fachkräftemangels nahmen die Botschaft enttäuschend verhalten auf. Ganz anders reagierte eine Gruppe von Erdenmenschen, mit der in der aufgeheizten Debatte offenbar niemand mehr gerechnet hatte: die deutsche Jugend selbst.

Kaum war die Botschaft vom Informatikermangel in den Medien, setzten Tausende von einheimischen Abiturienten zum Sturm auf die Universitäten an, um der Misere schleunigst abzuhelfen. Von wegen – der deutsche Nachwuchs sei träge, unflexibel, gar technikfeindlich! Er reagiert blitzschnell und richtig.

Was nun geschah, macht fassungslos: Die Hochschulen in Berlin, Darmstadt und Dortmund lassen die Rolläden herunter und führen einen Numerus Clausus für Informatik ein, um die Studentenzahlen klein zu halten. Während rund um den Globus nach Experten der Informationstechnologie (IT) gefahndet wird, weist man dem hiesigen Nachwuchs die Tür.

Den einzelnen Unis ist kaum ein Vorwurf zu machen. Ihre jämmerlichen Etats setzen ihnen engste Grenzen. Die Politik hat versagt, indem sie die IT-Studienplätze in den 90er Jahren nicht aus-, sondern abbaute. In Hildesheim wurde – unter dem damaligen Ministerpräsidenten Gerhard Schröder – 1996 noch der ganze IT-Studiengang komplett gestrichen.

Sofortmaßnahmen, die jetzt großspurig angekündigt werden, sind in der Dimension kümmerlich. Hinzu kommen strukturelle Verkrustungen: In den USA etwa lehren auch Fachkräfte aus der Wirtschaft zahlreich an den Unis. Dies stellt den erforderlichen Praxisbezug her, entlastet die öffentlichen Haushalte und erleichtert den nahtlosen Übergang vom Studium zum Beruf. Die weithin umständliche deutsche Hochschulordnung macht die Universitäten offenbar derart unattraktiv für eine Engagement der Wirtschaft, daß diese bislang weitgehend die Finger davon ließ.

Es sind abermals also das überholte Regeldickicht, politischer Unverstand und behördliche Schwerfälligkeit, welche die nach wie vor im Übermaß vorhandene Erneuerungskraft der eigenen Jugend lähmen. Wir kennen die Aussagen deutscher Wissenschaftler und Fachkräfte, die ihr Glück letztlich im Ausland suchten, zur Genüge: Ja, im Grunde hätte man seinen Weg ja lieber in Deutschland gemacht, aber diese Schwerfälligkeit, die Allmacht der Verhinderer, Bedenkenträger und phantasielosen Paragraphenreiter, die habe einen quasi außer Landes getrieben.

Und die spärliche Ausstattung der Hochschulen natürlich: Die staatliche Mittelvergabe scheint indirekt in den Händen halboffizieller Interessenverbände und Lobbys zu liegen, die ihren ganzen politischen Einfluß aufwenden, um ihre "Töpfe" zu verteidigen. Am Ende wiegen die Bezuschussung von fragwürdigen Stadtteilkulturzentren und "engagierten Initiativen", von Parteistiftungen oder Fahrradbeauftragten schwerer als die Finanzierung von Existenzaufgaben wie Landesverteidigung oder eben Ausbildung von Technologie-Experten. "Alle müssen sparen", sagt Finanzminister Eichel. Klingt richtig, verrät aber auch einiges über den Verlust der Fähigkeit, eindeutige Schwerpunkte zu setzen und dann gegen erheblichen Lobbyistendruck durchzusetzen. Der Wiederaufstieg der US-Wirtschaft in den 80er Jahren hatte radikales Abspecken von Verzichtbarem und massives Investieren in die Zukunftsbereiche zur Voraussetzung. So etwas erfordert freilich Mut und visionäre Kraft.

Fürwahr, die Expo kann ein grandioses Schauspiel werden, und die Deutschen tun gut daran, durch regen Besuch zu beweisen, daß sie ihre Begeisterung für die Chancen der Zukunft nicht verloren haben. Wieder zu Hause sollten sie ihren Politikern allerdings Beine machen, damit die Praxis auch bestätigt, was das Spektakel verspricht. Hans Heckel