19.04.2024

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03.06.00 Zauberlehrlinge und andere Kreaturen

© Das Ostpreußenblatt  / Landsmannschaft Ostpreußen e.V. / 03. Juni 2000


Lauter läppische Naivitäten
Zauberlehrlinge und andere Kreaturen
Von R. Kerschhofer

Von jenen, die statt Geschichte nur Vergangenheitsbewältigung lernen durften, brauchen wir gar nicht erst zu reden, doch selbst älteren Semestern ist oft nicht bewußt, daß 1914 zwischen dem Attentat auf den österreichischen Thronfolger und der Kriegserklärung an Serbien ein voller Monat verstrichen war! Zaudern war eben immer schon ein Charakteristikum österreichischer Politik – aus dem naiven Glauben, "so gemein kann man doch nicht zu uns sein." Doch man konnte und kann – von jenen Tagen, als seine allerchristlichste Majestät, der König von Frankreich, mit den Türken paktierte (um sich linksrheinisches Gebiet anzueignen), bis hin zu den EU-Sanktionen.

In EU-phemistischer Diktion gibt es eigentlich keine "Sanktionen", sondern "Maßnahmen", und tatsächlich liegt ja nur ein klassischer Fall von "Mobbing" vor: konzertierte Diffamierung und Schikane – in der nicht unbegründeten Erwartung, das Opfer werde früher oder später so reagieren, daß die Vorverurteilung nachträglich gerechtfertigt erscheint. Es war daher naiv zu behaupten und noch naiver zu glauben, daß es "nur gegen die Regierung" gehe, denn es trifft Menschen – Politiker, Botschafter, EU-Beamte, Philharmoniker, gewöhnliche Reisende und sogar Schulkinder! (In Frankreich und Belgien kursierende "Österreicher-Witze" sind z. T. wörtlich reanimierte Haß-Propaganda aus dem Ersten Weltkrieg.)

Statt aber die jeder Rechtsgrundlage entbehrenden Sanktionen kategorisch zurückzuweisen und sofort auf allen internationalen Foren zu bekämpfen, war die ÖVP-FPÖ-Koalition naiv genug anzunehmen, daß man die Sache durch "Wohlverhalten" bereinigen könne. Und von ÖVP-Politikern war zu hören, die Maßnahmen seien "überzogen", womit man sie ja dem Grunde nach akzeptierte! Mittlerweile ist man kuriert – dank der EVP, welche die ÖVP aus ihren Reihen ausschließen wollte. (Primär die CSU und auch die CDU zählten zu den rühmlichen Ausnahmen.) Die Konservativen bewiesen hier wieder einmal jene Naivität, deretwegen sie schon Lenin als "nützliche Idioten" bezeichnet hatte! Nun, auch bei der EVP scheint ein Heilungsprozeß im Gange zu sein.

Nicht minder naiv waren die Regierungsgegner in Österreich, von Rot und Grün bis hinunter zu Bundespräsident Klestil. Denn ihnen darf man heute ungestraft nachsagen, daß sie sich in der Rolle des Zauberlehrlings befinden, der die selber gerufenen Geister nicht mehr los wird! Und es ist mehr als verständlich, wenn sie keine Klagen wegen übler Nachrede riskieren, denn im Rechtshilfeverfahren können auch ausländische Politiker als Zeugen vor österreichische Gerichte zitiert werden: Kommen sie, müssen ihre wahrheitsgemäßen Aussagen verheerend sein, kommen sie nicht, entsteht zwangsläufig der Eindruck einer Absprache zwecks Vertuschung! Zu diesem Bild paßt auch bestens, daß Strafanzeigen gegen Klestil (Landesverrat, Amtsmißbrauch) von der linksdominierten "weisungsfreien" Staatsanwaltschaft ad acta gelegt wurden.

Mit den Sanktionen haben die EU-Länder ihre innenpolitischen Süppchen gekocht und dabei naiverweise auch eine "Ausstiegsstrategie" vergessen: Jetzt stehen sie ebenfalls als Zauberlehrlinge da, denn die Wirkung auf Beitrittskandidaten und die Folgen für eine EU-Reform sind verheerend! Vor allem aber haben die naiven Super-Moralisten nicht mitgekriegt, daß auch sie nur Handlanger waren und sind: Es geht ja gar nicht darum, die ÖVP-FPÖ-Regierung zu stürzen, sondern sie durch äußeren und inneren Druck gefügig zu machen. So ist aus Österreich noch viel mehr herauszupressen, als bei einer linken Regierung je möglich war oder wäre!

Daß man die aufgewärmten Entschädigungsfragen derart perfekt mit einem absehbaren Wahlergebnis und einer nicht ganz so leicht absehbaren Regierungsbildung abstimmen konnte, war in der Tat ein strategisches Meisterstück, und ebenso meisterhaft ist nunmehr die taktische Abstimmung zwischen dem "guten" US-Staatssekretär Eizenstat und dem "bösen" Ed Fagan. Es wäre jedoch naiv anzunehmen, daß es diesmal zur endgültigen Klärung aller wirklich oder auch nur vermeintlich anstehenden Fragen kommen werde. Es geht ja weder hier noch anderswo darum, Lösungen für Konflikte zu finden, denn: Der Konflikt ist die Lösung! Wie unrentabel wäre es etwa gewesen, am Balkan lebensfähige Staaten zu schaffen und durch geordnete Umsiedlung jene Menschen zu trennen, die partout nicht zusammenleben möchten! Und wie dumm, einen Saddam Hussein stürzen zu wollen, wo er doch als Bösewicht vom Dienst ungleich höhere Renditen bringt!