28.03.2024

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03.06.00 Probleme deutscher Unternehmer im südlichen Ostpreußen

© Das Ostpreußenblatt  / Landsmannschaft Ostpreußen e.V. / 03. Juni 2000


Von Pontius zu Pilatus
Probleme deutscher Unternehmer im südlichen Ostpreußen
Von Brigitte Jäger-Dabek

Polen hat es eilig, EU-Mitglied zu werden, sehr eilig. Mit heißer Nadel wird an den noch fehlenden gut 150 Anpassungen polnischer Gesetze an EU-Recht gestrickt. Es wird so schnell verabschiedet und in Kraft gesetzt, daß die zuständigen Behörden schlecht informiert sind und mit der Umsetzung nicht immer nachkommen.

Seit Anfang dieses Jahres ist ein neues Gesetz zur Wirtschaftstätigkeit in Kraft, das unter anderem auch die Rahmenbedingungen für die Gründung von Zweigstellen ausländischer Unternehmen in der Republik Polen regelt. Nach diesem Gesetz kann man zwischen der Gründung einer selbständigen Niederlassung und der unselbständigen Zweigstelle (Repräsentanz) wählen. Letztere ist wirtschaftlich meist uninteressant, da die Repräsentanz ausschließlich der Förderung der Hauptniederlassung dient und mit ihrem gesamten Gewinn in Polen steuerpflichtig sein würde. Das sieht bei einer selbständigen Zweigstelle, der Niederlassung, ganz anders aus.

Im Vorgriff auf geltendes EU-Recht soll auch in Polen die Niederlassungsgründung einer ausländischen Firma von der Verbürgung der Gegenseitigkeit und Gleichbehandlung im Mutterland des jeweiligen Firmensitzes abhängig sein. So würde der potentielle Investor aus einem EU-Land die gleichen Bedingungen wie im Heimatland antreffen. Interessant für den deutschen Unternehmer ist dabei die im Gesetz verkündete Vermeidung der Doppelbesteuerung – wer in Bundesdeutschland versteuert, muß es in der Republik Polen nicht noch einmal.

Dieses neue Gesetz sollte eigentlich neue Investoren besonders aus dem Bundesgebiet auch in das südliche Ostpreußen locken. Es lag nahe, daß man zuerst auf Touristikunternehmen hoffte. Schließlich ist das südliche Ostpreußen immer noch ein strukturschwaches Gebiet mit 21,5 Prozent Arbeitslosen und einem kontinuierlichen Rückgang der Touristenzahlen von über 20 Prozent im letzten Jahr. Prinzipiell wäre das eine runde Sache, die das südliche Ostpreußen wirtschaftlich voranbringen könnte. Wenn da nur nicht eine Bescheinigung zur Verbürgung eben dieser Gegenseitigkeit und Gleichbehandlung im Mutterland des Unternehmens zur Registrierung der Niederlassung beim Bezirksgericht Allenstein vorgelegt werden müßte. Die Herausgabe dieser Bescheinigung obliegt den polnischen diplomatischen Vertretungen, genauer gesagt, den Konsularabteilungen.

Wer nun versucht, an diese Bescheinigung zu kommen, erlebt allerdings sein blaues Wunder. So ging es auch der sicher vielen Ostpreußen bekannten Firma Plewka-Reisen mit ihrer Allensteiner Niederlassung – und das ist keineswegs ein Einzelfall. Leszek Obara, der Allensteiner Rechtsbeistand von Plewka, verzweifelte bei dem Versuch, die Bescheinigung zu erhalten. Weder beim Wirtschafts- noch beim Außenministerium konnte man ihm erklären, warum die polnischen Vertretungen in Deutschland nicht in der Lage sind, diese Bescheinigung auszustellen. Ein Beamter hatte ihm immerhin gestanden, es liege wohl an einem Mangel an Abstimmung zwischen den Ressorts.

Nach Ansicht des Allensteiner Juristen bringt die Unmöglichkeit, an diese Bescheinigung zu kommen, nicht nur seinen Mandanten in größte Schwierigkeiten. Da die Firma seines Mandanten ohne diese Bescheinigung nicht als Niederlassung, sondern als selbständige Firma betrachtet wird, fordert das Finanzamt mittlerweile die volle Versteuerung in Polen. Mehrere 100 000 Zloty haben sich inzwischen summiert, obwohl Plewka-Reisen die Gewinne bereits einmal in Deutschland versteuert hat. Inzwischen hat Obara das Verwaltungsgericht bemüht und versucht, so eine Klärung herbeizuführen. Schließlich passiere mit der nun einsetzenden Doppelbesteuerung genau das, was mit dem Gesetz eigentlich vermieden werden sollte, meint er.

Allensteiner Journalisten von der Tageszeitung "Gazeta Wyborcza", denen Obara den Fall geschildert hatte, machten die Probe aufs Exempel. Sie versuchten verbindliche Auskünfte zu erhalten, warum die Konsulate mehreren deutschen Firmen diese Bescheinigung nicht ausstellen – eine Odyssee von Pontius zu Pilatus und wieder zurück. Der erste Anruf ging an die Rechtsabteilung des Außenministeriums, dort bekam man den Rat, sich ans Wirtschaftsministerium zu wenden. Warum? Dieses Ministerium sei schließlich federführend bei der Gesetzesausarbeitung gewesen, lautete die Begründung. Jolanta Podgorska vom Wirtschaftsministerium jedoch verwies auf die Konsulate, die zuständig seien und das Dokument ausstellen müßten. Ein Telefongespräch mit der Konsularabteilung der Berliner Botschaft sollte nun Klarheit bringen. Doch weit gefehlt, wieder folgte eine Enttäuschung. Die Beamtin am Telefon rät, sich an die Wirtschafts- und Handelsabteilung in Köln zu wenden.

Und dort? Richtig geraten, man war nicht zuständig und überwies die Journalisten zurück zur Konsularabteilung – der Kreis hatte sich geschlossen. Es sei derzeit definitiv unmöglich, diese Bescheinigung zu erhalten, stimmten die Journalisten dem Juristen Leszek Obara zu und nannten diese Misere eine Schande. Dieser Zustand schade nicht nur den investitionswilligen Unternehmern, sondern auch dem Ansehen Polens, aber momentan könne man leider nur auf schnelle Besserung hoffen, meint Obara.

Ein wirklich merkwürdiger Zustand, wenn man bedenkt, daß sämtliche für eine Niederlassungsgründung in Polen nötigen Informationen selbst auf den Internetseiten der Wirtschafts- und Handelsabteilung der polnischen Botschaft abrufbar sind, sogar in deutscher Sprache und vom Handelsattaché Robert Mandzunowski abgezeichnet.