28.03.2024

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03.06.00 Rauschen: Immer mehr "Neue Russen" ziehen an die Ostsee

© Das Ostpreußenblatt  / Landsmannschaft Ostpreußen e.V. / 03. Juni 2000


Zuflucht für Millionäre
Rauschen: Immer mehr "Neue Russen" ziehen an die Ostsee

Wer heute durch den einst mondänen Ostseebadeort Rauschen wandert und sich vielleicht noch daran erinnert, wie es früher einmal war und wie es dann unter den Sowjets heruntergewirtschaftet wurde, der kommt heute aus dem Staunen nicht mehr heraus. Zwar sind auch heute noch die Straßen kaum befahrbar, die öffentlichen Toiletten reichlich unsauber, viele Gebäude noch immer grau in grau, und abends brennt noch immer nur etwa ein Drittel der Straßenbeleuchtung, doch vor allem in dem bewaldeten Teil des Stadtzentrums tut sich etwas.

Zahlreiche Häuser und Villen – bisweilen sogar kleine Schlößchen – wurden in den letzten zwei Jahren gebaut. Und an den vielen Baustellen bemerkt man, daß der Bauboom dort noch keineswegs vorüber ist. Keine Mehrfamilienhäuser entstehen dort, auch keine Cafés oder Hotels, sondern es sind großzügige Privatrefugien, die mit öffentlicher Baugenehmigung errichtet werden.

Sogenannte "Neue Russen" sind es, die in aller Stille Grundstücke mit Meerblick oder nahe am Meer für sich vereinnahmen. Darunter befinden sich so illustre Persönlichkeiten wie der Generaldirektor der Autofirma "KIA-Baltika", Walerij Sokolow aus Moskau, Heinrich Tomaschewski, der Generaldirektor der Firma "Awtotor" Königsberg, die an dem neuen BMW-Werk beteiligt ist, oder der Direktor des Werkes, Wladimir Rindin; sie alle sollen nach Meldungen der örtlichen Presse nicht mehr nur Direktoren, sondern Mitbesitzer der Firma "Awtotor" sein.

Doch auch andere lokale Größen nennen ein Domizil in Rauschen ihr eigen, so etwa die größten Zigarettenhändler des Königsberger Gebiets, im Lokaljargon schlichtweg "Die Oligarchen" genannt. Außerdem wohnt im Ostseebad der Chef der größten Königsberger Molkerei, eine in der Öffentlichkeit als ziemlich zwielichtig verschriene Gestalt namens "Hasan", den man nur unter diesem Namen kennt. Offiziell soll er Besitzer einer kleinen Fischereiflotte sein, inoffiziell heißt es aber, daß er den illegalen Bernsteinhandel kontrolliere. Seine Rauschener Behausung hat er sich – etwas ungewöhnlich – gleich in Form eines Schiffes bauen lassen.

Wenn man dieses "Who is who" der Rauschener Schickeria durchblättert, dann mag man die Gemeinde aufgrund des geballten Auftretens von potentiell guten Steuerzahlern für finanziell saniert halten. Doch weit gefehlt: in der Stadtkasse herrscht weiterhin Ebbe. Zwar dürfen offiziell die Grundstücke nur verpachtet werden. Doch aus gutinformierten Kreisen ist zu hören, daß diese inzwischen nur noch gegen eine hohe "Vermittlungsgebühr" zu haben sind. Mindestens einen fünfstelligen Dollarbetrag müsse der Stadtverwaltung bezahlen, wer beabsichtige, in der Stadt zu bauen. Wohin diese Beträge tatsächlich fließen, weiß offiziell kein Mensch – und anscheinend will es auch niemand wissen.

Das alles kann sich möglicherweise schon bald ändern. Denn inzwischen haben einige der betuchten neuen Bewohner der Stadt, die auch einen Teil der Geschäfte an die Ostseeküste verlagert haben, einen Verein gegründet, der diesen Wildwuchs eindämmen will. Offiziell soll sich dieser Verein, der sogar einen hauptamtlichen Politologen eingestellt hat, lediglich mit den Problemen der Stadt auseinandersetzen. Tatsächlich ließen die Vereinsgründer durchblicken, daß es ihnen ins Konzept passen würde, wenn es ihnen gelingen sollte, bei den Kommunalwahlen im Oktober dieses Jahres einen eigenen Kandidaten auf den Sessel des Oberbürgermeisters zu hieven. So hätte man denn einen direkten Zugriff auf die Art der zukünftigen Bebauung in Rauschen. BI