26.04.2024

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03.06.00 Ein Buch über die ostpreußische Stadt Guttstadt

© Das Ostpreußenblatt  / Landsmannschaft Ostpreußen e.V. / 03. Juni 2000


Im Herzen des Ermlands
Ein Buch über die ostpreußische Stadt Guttstadt

Als im Jahre 1929 der Bürgermeister Gustav Beckmann zum 600-jährigen Jubiläum der Stadt Guttstadt seine umfangreiche Chronik als Festschrift herausgab, stellte er ans Ende seines Werkes die Worte:

"Möge die Stadt Guttstadt im Segen des Höchsten die ferneren Jahrhunderte fortschreiben und mögen die Bürger Ruhe, Frieden und Glück genießen ..." Wir wissen heute, daß sich dieser Wunsch nicht erfüllte. Was damals niemand ahnte: Es gab keine "ferneren Jahrhunderte" es gab auch nicht "Ruhe, Frieden und Glück!" Nur zehn Jahre später – 1939 – begann mit dem Ausbruch des Kriegs das letzte und dunkelste Kapitel der Stadt. Der Einmarsch der Roten Armee 1945, Flucht, Verschleppung und Ausweisung aus der Heimat setzten der deutschen Geschichte dieser kleinen Stadt ein trauriges Ende.

Wie Guttstadt – im Herzen des Ermlands und damit im Herzen Ostpreußens gelegen – erging es auch anderen kleinen Städten in unserer Heimat. Viele Chroniken, Erinnerungsbücher, Lebensberichte, Bildbände erzählen davon.

Seit dem Frühjahr dieses Jahres gibt es endlich auch ein Guttstadtbuch, das im Verlag Rautenberg, Leer, erschienen ist. Es kommt spät. Nachdem Christel Poschmann aus Kossen bei Guttstadt schon 1987 bei einem Treffen ihrer Landsleute in Köln dazu aufgerufen hatte, Beiträge einzusenden, damit sie die Chronik von Beckmann bis zum Jahre 1945 fortschreiben könnte, wurde ihre begonnene Arbeit durch Krankheit und Tod unterbrochen und ruhte zunächst einige Zeit, bis ihre Geschwister Roswitha und Ekkehart Poschmann die schwierige Aufgabe übernahmen, das Werk fortzuführen. Sie waren sich sehr wohl der Tatsache bewußt, daß man nicht länger warten durfte, denn mit jedem Jahr wird die Zahl der Guttstädter kleiner, die noch lebendige Erinnerungen haben. So begannen Monate, Jahre, die ausgefüllt waren mit Sammeln und Recherchieren, der Suche nach Quellen, nach Zeitzeugen, nach Dokumenten, nach Fotos: Jahre mit ausgedehnten Briefwechseln, Textüberarbeitungen, Gesprächen mit Landsleuten, Aufzeichnungen und Ordnen von Texten am PC: Zeiten, die um der Aufgabe willen große persönliche Opfer verlangten.

Auf 606 Seiten erzählt das Buch von den letzten hochaktuellen 20 Jahren – also "unseren Jahren" – der mehr als 600jährigen deutschen Geschichte dieser kleinen Provinzstadt im Osten. Wie in einem Brennspiegel zeigt das Schicksal dieser ostpreußischen Stadt den Wandel einer Epoche. Auch junge Menschen sollten es lesen, und sie werden vielleicht manches in der geschichtlichen Entwicklung jener Jahre besser verstehen lernen. Die Zeit ihrer Eltern und Vorfahren rückt aus der Ferne in begreifbare Nähe. Aus der Vielzahl der verschiedenartigen Beiträge von Zeitzeugen ersteht ein Bild davon, wie die Menschen dort lebten und arbeiteten: wie sie in ihrem Gemeinwesen Kultur schufen: wie sich die sozialen und menschlichen Beziehungen entwickelten und mit dem Zusammenstehen im Glauben in schwerer Zeit zu engen Bindungen führten: wie das zeitgeschichtliche Bewußtsein sich heranbildete, fernab von unserer heutigen Medieninformation: wie die Nationalsozialisten – die die Guttstädter nicht gewählt hatten – innerhalb kürzester Frist nach der Machtübernahme alles gleichschalteten: wie der Krieg über die Menschen hereinbrach, an dessen Ende Tod und Schrecken standen und unendliches Leid durch den Verlust der Heimat.

Das Buch ist keine reine Chronik, auch nicht nur geschichtliche Dokumentation. Es umfaßt Berichte und Erzählungen, Stimmungsbilder und Beschreibungen, Kritiken und Kommentare. Heiteres wie Ernstes. Unbeschwertes und Erschütterndes. Es enthält viele Fotos, die Texte ergänzen.

Aber die besondere Stärke dieser Textsammlung sind die Originaldokumente aus der "Ermländischen Zeitung" (EZ) jener Jahre von 1927 bis 1945, die in reicher Zahl im Buch wiedergegeben sind. Hierbei konnten die Herausgeber auf fototechnische Kopien aus dem Niedersächsischen Staatsarchiv Bückeburg zurückgreifen. Die Originale befinden sich im Archiv in Thorn. Diese Original-Zeitungsmeldungen geben unverfälscht wieder, wie die vielen Leser der EZ damals informiert wurden, auch wie sie in der NS-Zeit manipuliert wurden, als nur mehr eine einzige Richtung erlaubt war und jede Meinungsvielfalt unterbunden wurde. Diese Original-Zeitungsberichte heben das Guttstadtbuch über andere reine Erinnerungsbücher hinaus und machen es lesenswert für alle Heimat- und Geschichtsinteressierten, die nicht nur im Kreis der Guttstädter und Ermländer zu finden sind.

Wer das Buch in Händen hat, versichert immer wieder, daß er nicht aufhören könne zu lesen. "Ich habe viel Neues erfahren über die Stadt und ihre Bewohner", schreibt ein Leser. "Und ich habe die Gefühle und Ängste der Menschen in jener unglaublich schweren Zeit nachempfinden und verstehen gelernt. Die Kapitel IX bis XII (Kriegsende, Flucht, Verschleppung) haben mich besonders bewegt. Es ist gut und notwendig, daß diese furchtbaren Geschehnisse an nachfolgende Generationen überliefert werden, auf daß sie sich nicht wiederholen. Oder: "Nach meinem Urlaub fand ich das Guttstadtbuch in meiner Post vor. Welche freudige Überraschung! Schon das äußere Erscheinungsbild übertraf alle meine Erwartungen. Sie werden sicher schon viele begeisterte Zuschriften erhalten haben. Darum möchte ich nur so viel sagen: das schönste Geschenk, das ich seit langem erhalten habe!"

Marlies Bischoff-Franzkowiak

Im Herzen des Ermlands. Guttstadt 1927–1945. Eine ostpreußische Kleinstadt im Kreis Heilsberg. Die letzten Jahre ihrer deutschen Geschichte – Rückblick, Berichte, Erinnerungen, Daten von Zeitzeugen, Verlag und Buchhandlung G. Rautenberg GmbH, Blinke 8, 26789 Leer, Telefon 04 91/92 97 02 oder 92 97 04, Fax-Nr. 0 41 91/92 97 06, ISBN 3-7921-0612-4, 69 Mark ab Verlag plus Portokosten