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10.06.00 Deutschlandtreffen 2000: Geschichtliches Recht mit Nachdruck verteidigen

© Das Ostpreußenblatt  / Landsmannschaft Ostpreußen e.V. / 10. Juni 2000


Deutschlandtreffen 2000: Geschichtliches Recht mit Nachdruck verteidigen
Ostpreußen werden in der sächsischen Messestadt ihre Treue zu Heimat und Nation bekunden

Drei Jahre sind, gemessen an unserer schnellebigen Zeit mit ihrer Fülle von bedeutungsschweren Ereignissen, wenig, legt man freilich die Elle an einen menschlichen Lebensgang an, viel. Wenn sich nun, nach mehr als einem halben Jahrhundert abermals die Ostpreußen zu einem Treffen einfinden, diesmal in der traditionsreichen sächsischen Messestadt, so darf schon vorab – auch wenn Preußen dies wenig schätzen – mit Lob nicht gespart werden.

Zum einen, weil die Tatsache des Treffens getreulich wahrgenommen und Landsleute aus allen Teilen der Welt, aus fernen Kontinenten, aus der Bundesrepublik und aus der Heimat zusammenkommen, um jener furchtbaren Austreibung Deutscher aus Deutschland zu gedenken. Zum anderen, weil es sich als weitsichtig und lebensklug erweisen dürfte, den Ort des Treffens neu gewählt zu haben.

Traditionen haben ihren Wert. Wer wüßte dies nicht besser als gerade Preußen in ihrer Treue zu den Überlieferungen der Väter und Mütter. Sie können aber auch in sich jenen "Geist der Schwere" tragen, der lähmt, der nicht den frischen Geist der Erneuerung gewähren läßt, wie dies, Preußen wiederum als Maß genommen, sich nach dem Einfall Napoleons und der Niederlage in der Schlacht von Jena und Auerstedt 1806 offenbarte. Es bedurfte nach diesem Niedergang nur wenig, um sich beherzt zu regenerieren. Die Namen vom Stein, Scharnhorst, Gneisenau, Fichte und Arndt stehen dafür beispielhaft.

Leipzig als Treffpunkt für die Ostpreußen zu wählen, das war zunächst auch eine tiefe Reverenz an die Bevölkerung dieser an geistigen Traditionen so ungeheuerlich reichen Stadt. Dort war es auch, wo in jenem bewegenden und so folgenschweren Herbst 1989 die Bürger dem Wort "Wir sind das Volk" durch das schlichte Austauschen des Wortes das gegen das Wort ein dieser Bewegung eine nationale Bedeutung gaben, die unser Land, den Kontinent und damit letztlich die ganze Welt aus dem verhängnisvollen Status der Starre und der Zweiteilung lösten. "Wir sind ein Volk", jene kühne Berufung und jener spontane Rückgriff auf ein nationalstaatliches Motto aus deutscher Revolutionszeit, paßte zunächst überhaupt nicht in die Epoche und den Lohnschreibern in den Kram.

Doch es hat seither seine noch immer nicht vollständig faßbare Wirkung getan: Es stürzte ein unfähiges Regime, es einigte äußerlich West- und Mitteldeutschland, es konsolidierte die verfallende Region. Und es spaltete zugleich innerlich in unerwarteten Verwerfungen bis in einzelne Familien hinein. So groß, so tief und gewaltig war das Wort von dem einen Volk. Selbstverständlich blieben auch die Vertriebenen von diesen Vorgängen nicht unberührt: Eine Vorläufige Entscheidung jenseits der Erwartungen und des Völkerrechts fiel, die in sich neue Enttäuschungen, aber auch neue Hoffnungen trug.

Nichts ist geregelt, es sei denn, es wäre gerecht geregelt und die Politik ebenso wie Klio, die Muse der Geschichte, lieben allemal noch die Veränderung, den unvermuteten Wandel. Solche oder ähnliche Einsichten mochten seitdem die stillen, die unausgesprochenen Lebensweisheiten sein, die das Denken Vertriebener und am Nationalgeschehen Interessierter ausmachten und die doch das Handeln der Politiker scheinbar so unberührt lassen. Aber in der Tat, man kann sich über unseren gegenwärtigen Außenminister nicht genug wundern, der nach dem raschen – manche sagen mit ziemlichem Recht chaotischem – Durchlauf durch vielerlei staatstheoretische Ansätze unversehens wieder beim Nationalstaat gelandet ist.

Damit hat er zunächst noch keineswegs die Interessen der Vertriebenen im Blick, sein Nachdenken soll hier nur als ein unerläßlicher Baustein zum Gebäude eines modernen Nationalstaates lobend gewürdigt werden, das noch keineswegs errichtet scheint. Doch wer seiner Zukunft offen entgegensehen möchte, der muß nicht nur seine Wurzeln kennen, sondern sich auch des Rüstzeuges vergewissern.

Dazu gehört auch das Bewußtsein über die Hintergründe der Vertreibung, die den Blick nicht nur für das unermeßliche menschliche Leid schärfen soll, sondern ebenso als Mahnung an eine Richtung gilt, die gegenwärtig zu glauben scheint, man könne unsere Wehr in eine "Allerweltsinvasionstruppe" umwandeln. Deutschland bleibt das Kernland Europas, wie auch immer die politischen Gänge laufen, gefährdet in vielerlei Hinsicht, immer angefochten, selten geliebt von seinen zahlreichen Nachbarn. Wer die Vertreibungsgeschehnisse verkürzt auf zwölf Jahre unserer Nationalgeschichte hin einordnet, greift zu kurz.

"Vergeltungstheorien", die früher schnell aufrechnend bei der Hand waren, um das infame Ehrenburgsche "Es gibt nichts Lustigeres als deutsche Leichen" abzuschwächen oder "Appetit auf Deutsches Bauernland" (Sir Wiliam Strang, britischer Gesandtschaftsrat in seinem Geheimbericht über Polens Absichten 1939) in Vergessenheit zu bringen, geraten zusehends bei inländischen Historikern aus der Mode. Die Not besteht "nur" noch darin, das Wissen um diese Dinge in die Medien, insonderheit in das Fernsehen, zu bringen.

Vor Jahren schon polemisierte der Dramatiker Rolf Hochhuth gegen volkspädagogische Eiferer, die den Vertriebenen zumuten wollten, sich doch mit Austreibung und Unrecht endlich abzufinden. Es spricht alle Erfahrung gegen die These, daß dies bei Vertriebenen eintreten wird. Längst greift eine neu heranwachsende Generation nach dem ausgestreckten Staffelstab der Erlebnisgeneration, der die Botschaft von der Liebe zur Heimat und vom Unrecht und den Hintergründen der Vertreibung in die deutsche Zukunft trägt.

Die Erlebnisgeneration, die nicht nur das demütigende und schmerzvolle Ereignis aushielt, sondern zugleich in West- und Mitteldeutschland oder gar im Ausland die Mühen beim Aufbau einer neuen Existenz trug, schuf parallel dazu das Panier der Überlieferung. Es wurde in den immer schwierigeren Zeitläufen gegen alle Widersacher unbeirrbar hochgehalten, weil Preußentum auch Disziplin und Geradheit ausmachen.

Gewiß, wer in der Erklärung des Bundestages vom 13. Juni 1950 anläßlich des Görlitzer Abkommens nachliest, daß die Mitwirkung an der Markierung der Oder-Neiße-Linie, "zu der sich die Regierung der DDR bereitgefunden hat", "ein Beweis für die beschämende Hörigkeit an dieser Stelle gegenüber einer fremden Macht" ist, der wird sagen, daß 1990 faktisch wenig gewonnen wurde. Er verkennt gewiß auch den langen Atem der Geschichte, der in den fünfziger Jahres eisig hauchte, der Veränderungen nur über den langen Umweg der Vereinigung von West- und Mitteldeutschland erbrachte und der 1990 nicht wärmer, herzlicher ausgestoßen wurde.

Mit den Mitteln der erlangten, aber noch keineswegs vollständig wahrgenommenen nationalen Souveränität und dem Willen, Lösungen im Sinne von Recht immer wieder einzufordern, sind Politiker und Öffentlichkeit umfassender, überzeugender und nachdrücklicher noch als in früheren Zeiten zu informieren und zu beeinflussen. Es gilt, die von interessierten Kreisen den Vertriebenen zugedachte Randgruppenstellung zu durchbrechen. Dies verlangt Mut, Umsicht und Tapferkeit, denn nur "wem es unbequem ist, sein geschichtliches Recht zu verteidigen, der wird es bald verlieren" (Bismarck).

In diesem umfassenden Sinne finden Ostpreußen immer noch wieder Zustimmung und Zuspruch, schon deswegen, weil es abzüglich der Claqueure bestimmter Medienkreise und ihrer politisch einschlägig stimulierten Randgruppen der ideellen Sinnmitte und Hauptrichtung unseres ganzen Volkes entspricht. Dies gehört gewiß mit zu den wachsenden Gewißheiten, die die Ostpreußen aus aller Welt in die sächsische Messe- und Verlagsstadt hineinnehmen können, denn hier war der Ort jenes Bürgermutes, der mit seinem Ruf "Wir sind ein Volk" den Kontinent in eine lichtere Zeit führen dürfte.

In diesem Sinne wünscht die Redaktion des Ostpreußenblattes den Teilnehmern des Treffens besinnliche, ermutigende und frohe Tage. Peter Fischer