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17.06.00 UNTERHALTUNG

© Das Ostpreußenblatt  / Landsmannschaft Ostpreußen e.V. / 17. Juni 2000


UNTERHALTUNG

Als die Johannifeuer loderten
Von HANNELORE PATZELT-HENNIG

Das Anwesen von Pukis lag zwischen dem Dörfchen D. und der Ortschaft K. an einem Wald. Obwohl grenzmäßig zu K. gehörend, orientierte man sich einmal an D. und das andere Mal an K.

Gastwirt, Krämer und Viehhändler waren für die Familie Pukis von beiden Orten zuständig. Und das bezog sich auch auf die Johannifeuer. Paula Pukis hielt es jedenfalls so, daß sie sich einmal zu diesem und einmal zu jenem Johannifeuer hinbegab. Maßgebend für ihr Erscheinen war stets der größere Haufen Astwerk auf der Johanniwiese. Das wußten inzwischen die Burschen beider Ortschaften. Und sie wußten auch, daß Paula in weitem Umkreis das hübscheste Mädchen war.

Es bemühten sich viele junge Burschen um sie, aber Paula hatte bei sich beschlossen, sich in der Hinsicht Zeit zu lassen. Jedenfalls wollte sie sich mehr Zeit lassen, als es andere Mädchen um die Zwanzig taten. Sie war noch nicht bereit, sich auf irgendeine Weise zu binden. Aber unter den beiden tonangebenden Burschen der genannten Orte war es trotzdem zu einer Rivalität um ihre Gunst gekommen. Und die Johanniabende waren immer der Zeitpunkt, an dem das sehr deutlich wurde.

Beide, der Hans Podehl aus D. ebenso wie der Kurt Kalies aus K., wußten, daß Paulas Erscheinen auf der Johanniwiese stets von dem Ausmaß abhing, das der Berg zusammengetragenen Astwerks aufwies. So war es nicht verwunderlich, daß sich da ein Wettstreit entwickelte, der keinen Vergleich zuließ. Alles wegen Paula! Sie war sozusagen die Johanniprinzessin.

Man schleppte, packte und schichtete mit unerschütterlichem Eifer. Und keiner der fleißigen Helfer wußte, daß es ihren "Heeresführern" nur um ein einziges Mädchen ging. Hätten sie es gewußt, wäre der Haufen Astwerk kleiner ausgefallen, trotz allen Rivalitätsempfindens, das die jungen Leute beider Orte untereinander in so mancher Hinsicht an den Tag legten.

In dem Jahr, von dem hier die Rede ist, nahmen die zusammengetragenen Berge nie dagewesene Ausmaße an. Die entfaltete Mühe fand aber nicht ihre Bestätigung. Beide Astberge wirkten eigentlich gleich groß. Vom bloßen Betrachten her ließ sich da jedenfalls kein Unterschied erkennen. Das mußten auch die beiden Rivalen zugeben, wenn sie ehrlich waren. Sie schleppten und schichteten zwar höchstpersönlich noch immer weiter, aber bei der Größe, die beide Astwerkberge bereits hatten, brachte das keinen sichtbaren Erfolg mehr.

Am nächsten Tag war auch schon Johanni; da half nichts mehr. Sie mußten passen, in beiden Orten. Was aber würde wohl die Paula machen? Sie mußte in diesem Jahr eigentlich eine Entscheidung treffen. Darauf hofften Hans Podehl wie auch Kurt Kalies gleichermaßen. Dann war der Johanniabend da. Die Dorfbewohner versammelten sich in Heiterkeit, und die mitgebrachten Flaschen voll Bärenfang machten bald die Runde auf der Johanniwiese. Einige Quetschkästen wurden ausprobiert, zu deren Klängen sich schon hier und da ein Pärchen drehte. Als die Dunkelheit endlich hereinbrach, barst die Spannung für Heinz Podehl wie auch für Kurt Kalies; denn immer noch hatten sie die Paula nicht entdecken können, weder der eine noch der andere.

Die Feuer wurden entzündet. Die Flammen loderten auf. Aber nach wie vor gab es von Paula keine Spur.

Nach einer Stunde hielt der Hans Podehl es nicht mehr aus. Er entfernte sich von der Johanniwiese, ging zu seines Vaters Stall, schnappte sich ein Pferd und ritt kurzerhand hinüber nach K. Er war wie von Sinnen, als er die nachbarliche Johanniwiese erreichte. Hastig band er das Pferd an einen Baum und mischte sich unter die lachenden und scherzenden Menschen, grüßte hier hin und nickte dort hin, war dabei aber kaum bei sich selber. Schließlich stieß er auf den Kurt Kalies. Der saß auf dem Boden und brach gelangweilt einen dünnen Zweig in kleine Stücke, die er dann ebenso gelangweilt in hohen Bögen in das riesige Feuer warf.

"Wenn du die Paula suchst – hier ist sie auch nicht!" sagte er offen zu dem Hans. Auf diese unverhohlene Auskunft hin ließ der Hans sich bei dem Kurt nieder. "Euer Feuer ist wirklich beachtlich!" meinte er anerkennend.

"Euers auch!" antwortete der Kurt Kalies darauf.

"Sieht man es bis hierher?" fragte der Hans verwundert. Er hatte sich auf seinem wilden Ritt nicht ein einziges Mal umgedreht.

"Außer dem hellen Schein sieht man hier nichts davon", erklärte der Kurt, "aber ich war bei euch und hab es mir angesehen!"

Jetzt schwiegen beide eine Zeitlang. Und was sich weiter ergab, war, daß diese Johanninacht und dieses Erlebnis Freunde aus ihnen gemacht hat. Sie wurden Freunde fürs ganze Leben.

Paula war auch für den Rest der Nacht nicht zu sehen, weder an einem noch am anderen Johannifeuer. Erst Wochen später erfuhren die beiden Männer, daß sie sich an jenem Abend zu dem Johannifeuer jenes Dorfes begeben hatte, das hinter dem großen Wald lag, an den das Pukissche Anwesen grenzte. Und dort zog sie eines Tages auch hin. Diese Entscheidung hatte die Johanninacht mit sich gebracht; denn es hatte an dem dortigen Johannifeuer jemanden gegeben, der sich absolut nicht durch Paulas Zurückhaltung beeindrucken ließ. Er schaffte es, sie für sich zu gewinnen. Und dabei war er keineswegs der Tonangebende in dem Dorf. Auch das Feuer, das dort gebrannt hatte, war nicht so groß gewesen wie die in K. und in D. Ein anderes Feuer war dort in jener Nacht aber um so kräftiger aufgelodert. Und dessen Glut ist nie erloschen.

 

Johanni

Von WOLF WIECHERT

Nördlich überm Hünenstein

hält sich noch Licht

das leuchtet den Weg

aus der Rabenschlacht.

Aber vergeblich

jagen die Fledermäuse

den uralten Mythen nach.

Der Tag holt sie ein.

Darüber verdämmern

die alten Götter.