19.04.2024

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24.06.00 KOMMENTARE

© Das Ostpreußenblatt  / Landsmannschaft Ostpreußen e.V. / 24. Juni 2000


KOMMENTARE

Putin, der Falsche

Es sticht schon ins Auge, wie distanziert Rußlands Präsident Wladimir Putin behandelt wird. Seine beiden Vorgänger, der letzte Sowjetchef Gorbatschow und Kohls Saunafreund Jelzin, konnten letzten Endes tun, was sie wollten. Sie blieben in den Augen ihrer westlichen Freunde "Garanten des demokratischen Neubeginns" in Rußland.

Da durfte etwa ein Michail Gorbatschow auch seine Spezialeinheiten über das Baltikum jagen (alle haben die Bilder der von Sowjetpanzern zermalmten Menschen in Wilna gesehen) – er war weiterhin der Liebling von Medien und Politik. Und Jelzin war schließlich Präsident, als das Gemetzel in Tschetschenien losbrach, angelastet wird dies dennoch seinem Nachfolger Putin.

Staaten handeln (so sie von Vernunft gesteuert sind) niemals uneigennützig. Doch gehört es zum diplomatischen Geschäft, die sehr eigennützigen Machtinteressen zu bemänteln. Da darf es dann nicht wundern, wenn die Ziele einer Macht wie von der Vorsehung beflügelt stets mit denen der Menschheit, Europas oder der "Gemeinschaft freier Völker" übereinstimmen. Schon das antike römische Imperium eroberte nie, sondern "befriedete" seine Nachbarn, die sich "gegen Rom erhoben" hatten und mithin die gute Ordnung der Welt, die "Pax Romana", aus den Angeln zu heben trachteten. De facto ging es diesen Völkerschaften um nichts als ihre Unabhängigkeit. Doch das reichte, um sie in den Augen des Imperiums zu gemeingefährlichen Barbaren entarten zu lassen.

An derlei Grundregeln der Weltpolitik hat sich nichts geändert. Heute ist es die einzige Supermacht jenseits des Atlantik, die wie einst Rom das Definitionsmonopol ausübt über Gut und Böse. Putin macht vor dem Hintergrund dieses Rasters offenbar eine zwielichtige Figur. Irgend etwas paßt der "Westlichen Wertegemeinschaft" an dem fließend deutsch sprechenden Kremlherrn nicht, und das bekommt dieser zu spüren.

Die Russen selbst sehen die Dinge freilich ganz anders. Sie haben Gorbatschow in Erinnerung als den Mann, der die alte Ordnung des Sowjetstaats zerstörte, ohne das tragfähige Konzept für ein neues System anbieten zu können. Was von den Deutschen und dem Rest der Welt selbstverständlich als grandiose Öffnung und Verwandlung einer zuvor abschreckenden Diktatur bestaunt wurde, erlebten Millionen Russen als Niedergang und Abstieg ihres Landes in die zweite Liga. Jelzin machte diesen Bankrott aus russischem Blickwinkel nur komplett. Das ganze Land schien zur Schlangengrube korrupter "Oligarchen" und ausländischer Einflußnehmer verkommen zu sein.

Putin hat versprochen, das in Ordnung zu bringen. Rußlands potentiellen Rivalen in der Weltpolitik kann dies nicht gefallen. Allem Gerede vom "gemeinsamen Ziel der Stabilisierung Rußlands" zum Trotz haben sie kein Interesse daran, daß der wabernde Koloß wieder ein eigenständig agierender Machtfaktor wird. Entsprechend werden, dem zynischen Gesetz folgend, daß die Moral den Interessen zu folgen hat, die Maßstäbe hochgesetzt. Beispiel Tschetschenien: Natürlich ist an den Bildern aus der gebeutelten Kaukasusregion nichts schönzureden. Wären jedoch Nato-Interessen und nicht die Belange Rußlands Ursache der Aktion, würden alle Bedenken gewiß weggewischt mit dem Argument, hier stünden "vitale Interessen" (...des Westens, der Weltgemeinschaft etc.) auf dem Spiel. Dem ist nicht so und also ist "Empörung" angesagt.

Beispiel Beutekunst: Es ist schon ein seltsames Verständnis von Kultur, wenn uralte Zeugnisse deutscher Kunst und Wissenschaft als Trophäen des Krieges gebunkert werden. Derlei Bemessung von Kultur in Kubikmetern ziemte vielleicht spanischen Conquistadoren, die unermeßlich wertvolle Inka-Artefakte zu Goldbarren einschmolzen – einer großen Kulturnation wie Rußland ist dies unwürdig. Schröder sprach jene Last der Vergangenheit folgerichtig seinem russischen Gesprächspartner gegenüber offen an. Indes: Schröder würde bestimmt nicht widersprechen, daß Menschenrechte allemal wichtiger sind als der Verbleib von Beutekunst. Dennoch schweigt er zu einer somit weit schwereren "Last der Vergangenheit", den Benesch- oder Bierut-Dekreten, beharrlich. Derartig devotes Entgegenkommen übt Berlin gegen Prag und Warschau wie selbstverständlich. Moskau hingegen muß sich die (weit unwesentlichere) Raubgütergeschichte regelmäßig anhören.

Die Reihe ließe sich fortsetzen: Auch in den Bereichen Menschenrechte, Demokratie oder Pressefreiheit wird die Meßlatte gegenüber Putin erstaunlich hoch angelegt.

Fast schon routinemäßig läßt sich anfügen, daß Kanzler Schröder dem Thema Königsberg anläßlich von Putins Berlin-Besuch auswich wie sein Vorgänger. Obschon der Neue im Kreml bereits eindeutige Signale gesetzt hat, daß das nördliche Ostpreußen für ihn eine zentrale Rolle in den deutsch-russischen Beziehungen spielt, blickt Berlin weiterhin angestrengt weg.

 

Von wegen "grün"

"Melonenpartei" – außen grün, innen rot – frotzelten die Kritiker der Grünen Anfang der 80er Jahre. Wer konnte ahnen, daß noch weiter drinnen in dem neuen Gebilde erst der wahre, farblose Kern haust, der schlicht "Macht" heißt. Mit dem Atomkonsens hat ihn die angebliche Ökopartei endgültig entblößt.

Man kann zur Kernkraft stehen wie man will. Doch ein "Ausstieg" nach zwei oder drei Jahrzehnten bedeutet kaum mehr als das stille Abwarten der technisch sowieso bedingten "Restlaufzeiten" der Meiler.

Schlimm daran ist nur: Mit dem Konsens droht sich Deutschland, das die besten und sichersten Atomkraftwerke der Welt baut(e), aus einer weiteren Hochtechnologie zu verabschieden. Wir überlassen das Feld einer Konkurrenz, deren Technik schlechter ist und – eine üble Heuchelei – kaufen unseren Atomstrom dann womöglich aus Ländern wie der Ukraine. Hans Heckel

 

Traurige Fragen

Das Schicksal verschont einen nicht von bitteren Ereignissen, die gleich in mehrfacher Hinsicht ärgerlich sind. Ein solches Ereignis mußten die deutschen Heimatvertriebenen am Freitag vor dem Pfingstfest im Deutschen Bundestag erleben. Daß das deutsche Parlament den Antrag der CDU/CSU, die Vertreibung zu ächten, ablehnte, ist an sich schon schmerzlich. Was die Sache noch unverdaulicher macht ist, daß sich viele Überlebende der Vertreibung auch hinsichtlich der Absichten der Union nicht mehr so sicher sein mögen. Die umstrittene "Deutsch-Tschechische Erklärung" vom Januar 1997 fällt schließlich in die Ära Kohl.

Vor den Pfingsttreffen der Sudetendeutschen Landsmannschaft und der Landsmannschaft Ostpreußen mahnte die Bundesregierung zu Rücksicht auf das "sensible Verhältnis" zwischen Deutschland und Tschechien. Das Parlament billigte mit den Stimmen von SPD, Grünen, FDP und PDS einen Koalitionsantrag, in dem die Regierung Schröder darin unterstützt wird, sich "an Geist und Buchstaben" der deutsch-tschechischen Erklärung von vor drei Jahren zu halten. Danach wollen beide Staaten ihre Beziehungen "nicht mit aus der Vergangenheit herrührenden politischen und rechtlichen Fragen belasten". In dem Bundestagsbeschluß wird auch auf die Klarstellung Zemans verwiesen, wonach die Wirksamkeit der so genannten Benesch-Dekrete "unter Beibehaltung der Kontinuität der tschechischen Rechtsordnung" erloschen sei.

Keine Mehrheit fand dagegen ein Antrag der CDU/CSU-Fraktion, wonach die Bundesregierung im Sinne einer Entschließung des Europaparlaments tätig werden sollte, in der Prag zur Aufhebung der Dekrete aus den Jahren 1945/46 zur Vertreibung einzelner Volksgruppen aufgefordert wird.

Doch warum jetzt diese Aufregung bei den Unions-Politikern? Der ehemalige tschechische Verteidigungsminister sagt ganz zutreffend zu der Bundestagsdebatte: "Hier werden Dinge diskutiert, die 1997 von der deutsch-tschechischen Aussöhnungserklärung gelöst worden sind." Hier schließt sich die Frage an, warum die Unionspolitiker nicht schon 1997 protestierten? Ging es ihnen vielleicht nur darum, sich am Tag vor Pfingsten als Anwalt der Vertriebenen einen Namen zu machen? Traurig, daß solche Fragen überhaupt gestellt werden müssen. Hagen Nettelbeck