20.04.2024

Preußische Allgemeine Zeitung Zeitung für Deutschland · Das Ostpreußenblatt · Pommersche Zeitung

Suchen und finden
01.07.00 "Deutsche Patrioten": Schämt euch?

© Das Ostpreußenblatt  / Landsmannschaft Ostpreußen e.V. / 01. Juli 2000


"Deutsche Patrioten": Schämt euch?
Von Hans Heckel

Nun ist Deutschland auch aus seiner letzten Oase nationaler Selbstbestätigung verjagt, dem Fußball. Das Rotterdamer EM-Desaster hat einen Sturm "nationaler" Entrüstung ausgelöst, der erstaunt in einem Land, das Patriotismus nicht gerade großschreibt. Die Medien gaben sich Tiraden hin, als hätte Deutschland schmachvoll einen Krieg verloren, ohne gekämpft zu haben.

Gemach, gemach, wollte jeder Vernunftbegabte einwenden – es ist ja nur ein Spiel, Elf gegen Elf um einen Ball, das wollen wir doch nicht allzu hoch hängen. Was sagt das schon über den Zustand der Nation, ihre innere Stärke aus? Nun, das Spiel an sich nicht so viel, die Umstände und Reaktionen indes leider eine ganze Menge.

Sie hätten "den Adler ungern getragen", soll ein Trainer über die jämmerlich vom Feld gefegte deutsche Mannschaft geäußert haben. Und so benahmen sich die deutschen Kicker in Rotterdam auch. Lustlos herumeiernd konnte man ihnen ansehen, wie sie der eine Gedanke die ganzen anderthalb Stunden verfolgte: Was soll ich eigentlich hier? Geld wird woanders verdient und "national" bin im übrigen Leben ja auch nicht, warum also jetzt plötzlich als Mannschaft?

Die Verlierer von Rotterdam haben den fauchenden Fans letztlich nur den Spiegel vorgehalten. Der Fußball begleitete die Deutschen über die Jahrzehnte wie ein Symbol ihrer Befindlichkeit. 1954 markierte das "Wunder von Bern" den unbedingten Willen der vom Krieg und Kapitulation Gezeichneten, sich wieder vorzuarbeiten in die Spitze der Welt. Und zwar als Gemeinschaft, die alles aufbietet, was als "deutsche Tugenden" gilt.

Im Jahre 1974 konnte vermeldet werden, daß wir "oben" angekommen sind, daß wir reich werden konnten, ohne unseren Kampfgeist zu verlieren. 1990 nun fiel die dritte Erringung des Weltmeistertitels zusammen mit dem großen Jahr der deutschen Vereinigung. Die Euphorie unterschied sich von der des Jahres 1974 durch ihren außerordentlich nationalen Charakter. Obschon die DDR noch bestand, jubelten die Menschen in Dresden nicht weniger als in Bremen. Flaggen waren ausverkauft. Fans rannten gar mit Schwarzweißrot durch die Straßen – nicht etwa, um antirepublikanische Gesinnung zu demonstrieren, sondern (wie sie dem Verfasser dieser Zeilen treuherzig bekundeten) "weil der Fahnenhändler nichts anderes Deutsches mehr hatte".

1996 konnte die deutsche Elf noch einmal den EM-Titel holen, doch war schon sehr viel Glück im Spiel. Die Mannschaft war überaltert und irgendwie hatte sie bereits den Wurm im Gebälk. Seit dem 20. Juni 2000 nun haben wir eigentlich keine Nationalelf mehr.

Warum sollten wir auch? Gerade streiten sich Unionspolitiker darüber, welche Teile des Deutschlandliedes wir überhaupt noch singen dürfen. Im Reichstag wird nach dem Willen von Regierungsparteien und PDS die Losung "Der Bevölkerung" installiert. Der Besitz mehrerer Pässe wird mit Steuergeldern von Regierungsseite als unbedingt erstrebenswert propagiert. Und da verlangen wir, daß uns elf reiche Männer, die in der "Champions League" Millionen machen, für ein Taschengeld über 90 Minuten vorgaukeln, was wir doch für eine tolle Nation sind?

Der Fußball war stets die Ausflucht, wo wir einem patriotischen Instinkt freien Lauf lassen durften, den zu leben uns sonst die Zivilcourage fehlt: Im Ausland nur ja nicht als Deutscher erkannt werden und im Inland alles Negative mit dem Etikett "typisch deutsch" behängen ist zum vermeintlich guten Ton geworden. Wer dem widerspricht, der muß sich auf was gefaßt machen. Wer etwa seine zum großen Fußballfest fröhlich geschwenkte deutsche Flagge danach nicht gleich wieder einrollt und gar im Garten am Mast wehen läßt (wie in anderen Ländern gang und gäbe) muß sich peinliche Fragen anhören: Warum machen Sie das? Ist das nicht unzeitgemäß? Was sollen die ausländischen Nachbarn empfinden? Sind Sie vielleicht ein – na Sie wissen schon ...

Der Unterschied zu früher ist: Die Fußballer machten uns in Rotterdam nichts mehr vor, sie machten uns nach. Die Deutschen sind da unten auf dem Rasen sich selbst begegnet und schreien "Schande!" und "schämt euch!". Und haben vielleicht sogar recht.