28.03.2024

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01.07.00 Zum 85. Geburtstag von Bernard Schultze

© Das Ostpreußenblatt  / Landsmannschaft Ostpreußen e.V. / 01. Juli 2000


Malerei aus dem Inneren
Zum 85. Geburtstag von Bernard Schultze

Unter den lebenden deutschen Künstlern nimmt Bernard Schultze dank der künstlerischen Qualität und gediegener handwerklicher Ausführung seiner Werke, Phantasie und gesteuerter innerer Impulse eine führende Rolle unter den Klassikern der Moderne ein. Unübersehbar ist die Liste der Publikationen über ihn und sein Oeuvre, und seine Ausstellungen und Beteiligungen an Gruppenausstellungen gehen in die Hunderte. In diesem Jahr feiern ihn anläßlich seines 85. Geburtstages – er wurde am 31. Mai 1915 in Schneidemühl geboren – gleich mehrere Galerien mit Einzelausstellungen.

Wie bei vielen seiner Kollegen begann sein Leben besinnlich, auf seine Berufung ausgerichtet, ohne Hürden: in Berlin (Hochschule für Kunsterziehung), wohin sein Vater, preußischer Beamter, als Kammergerichtsrat berufen wurde, danach Düsseldorf (Kunstakademie). Doch dann begann die Odyssee: 1939 bis 1945 Kriegseinsatz in Rußland und Afrika, Flüchtlingsdasein in Flensburg. 1947 Übersiedlung nach Frankfurt a. M., wo er seinen künstlerischen Beruf wieder aufnehmen und nebenbei als Kunsterzieher im dortigen Amerika-Haus seinem Broterwerb nachgehen konnte. In der beginnenden Kunstszene in der Bundesrepublik Deutschland, während Aufenthalte in Paris und in den USA erweiterte er seinen Blick und kam zur informellen Malerei, bald zu Materialbildern und schließlich zu Schaufensterpuppen, die er bearbeitete, verfremdete und sie ihrer faden Schönheit beraubte. Er nannte sie "Migof", eine Bezeichnung, die – so Schultze – in ihrer "lautmalerischen Qualität Assoziationen auslösen soll". Mit diesen gestaltete er 1968, in jener politisch bewegten Zeit, im Kölnischen Kunstverein sein "Vietnam-Kabinett", die Versammlung makabrer Gestalten, die an von Bomben zerfetzte und von Gas zerfressene Kriegsopfer erinnerte. Erinnerungen eines Kriegsteilnehmers, die nichts an Aktualität eingebüßt haben. Im gleichen Jahr übersiedelte Bernard Schultze mit seiner Ehefrau, der Malerin Ursula (1921 Mittenwalde/Mark – 1999 Köln) nach Köln und wurde dort seßhaft, unternahm aber Studienreisen in alle Welt.

1969 erhielt er den Kunstpreis der Stadt Köln, 1990 deren Stephan Lochner-Medaille. Auch zahlreiche andere Städte und Institute verliehen ihm Kunstpreise. Nachdem ich angeregt hatte, die Künstlergilde Esslingen möge ihm ihren Lovis-Corinth-Preis verleihen und Schultze damit 1986 ausgezeichnet wurde, schrieb er mir, daß er "besonders glücklich über diesen Preis" sei, und er erinnerte sich, daß seine Großmutter in Tapiau mit Corinth eingesegnet worden sei und wie er diesen ostpreußischen Maler schätze. – Ist nicht Schultzes informelle Malerei eine Fortsetzung (auf gegenstandsfreier Ebene) von Corinths impulsiv hingestrichenen Farbbahnen?

Nachdem das Kölner Museum Ludwig den 80jährigen Schultze mit einer groß angelegten Retrospektive geehrt hatte, verzichtete es nun auf eine weitere Ausstellung. Die Würdigung des Jubilars übernahm in diesem Jahr die renommierte Galerie Wilbrand in Köln mit einer Auswahl aus Schultzes jüngstem Schaffen. Das "Memento mori" war schon seit geraumer Zeit einem "Stirb und werde" gewichen. Seine Gemälde strahlen nun Optimismus aus, man freut sich am Blühen seiner Malerei. Keine Altersmüdigkeit. Er blieb einer gewissen Spontaneität verpflichtet, aber seine Freiheit endet nicht wie bei vielen Tachisten und Neuen Wilden der gegenwärtigen Kunstszene im Chaos.

Sein Preußentum – so Schultze – habe ihn gerettet, ins Chaos abzustürzen. Sein handwerkliches Können und der "kontrollierte Zufall" kennzeichnen seine Kunst. Trotz seiner Disziplin und Ordnung wirken seine Werke ungezwungen. Ob er mit seinem Ausspruch "Wir müssen weg von den französischen und amerikanischen Vorbildern" an die Überschwemmung der Galerien und mancher Museen vom Amerikanismus und dessen deutschen Nachahmern gedacht haben mag?

Schultze gehört nicht zu denen, die – im Westen zu Ruhm gelangt – seine ostdeutsche Heimat verleugnen. Doch er differenziert auf politischer Ebene. 1992 trat er aus der Akademie der Künste Berlin aus wegen der Zusammenführung der beiden Akademien. "Daß die der ehemaligen DDR in besonderem Maße verpflichteten Künstler, die mitgeholfen haben, die Freiheit zu unterdrücken, dann neben mir sitzen, ist unvorstellbar für mich."

Bernard Schultze geht auch in seinen jüngsten Gemälden nicht von der äußeren Wirklichkeit aus. Er abstrahiert keine Natureindrücke, sondern malt und zeichnet aus dem Inneren und bewegt sich zur Natur hin. Besucher der Ausstellung in der Galerie Wilbrand entdeckten tatsächlich Landschaften. Das um so mehr, als auch seine jüngsten Bildtitel dies vermuten lassen: "Landschaft im Zauberlicht", "Strom-Delta heiter", "Nach dem Regen", Ölgemälde von 1999, und "Waldes-Ruh", "Sonnen-Land" und "Üppige Natur", in diesem Jahr geschaffen. Günther Ott