18.04.2024

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08.07.00 Vorstoß von EU, Ostseerat und Regierungsparteien

© Das Ostpreußenblatt  / Landsmannschaft Ostpreußen e.V. / 08. Juli 2000


Königsberg: Berlin spricht von "Integration"
Vorstoß von EU, Ostseerat und Regierungsparteien/ Mißtrauen in Moskau

Die politische Entwicklung zwingt einen mitunter, Dinge zu tun, die man vorher für unmöglich hielt. Ein solcher Kurswechsel vollzieht sich derzeit vor den Augen der staunenden deutschen Öffentlichkeit in der Königsberg-Frage: Wer hätte es denn für möglich gehalten, daß sich nun ausgerechnet Grüne und SPD mit diesem "Tabu-Thema" beschäftigen und sogar im Bundestag eine "europäische Lösung" für das nördliche Ostpreußen fordern?

Damit die Deutschen geistig auf kommende Veränderungen im Baltikum vorbereitet werden, wurde die Bundestagsdebatte noch vor der Sommerpause für Ende Juni angesetzt. Im Parlament sprachen sich Vertreter der rotgrünen Regierungskoalition für eine Stärkung der Kooperation in der Ostsee-Region aus. Einen entsprechenden Koalitionsantrag, in dem für eine Weiterentwicklung des Ostsee-Raumes zu einer europäischen Großregion plädiert wird, wurde vom Bundestag mit den Stimmen von Rot-Grün und der PDS angenommen. Mit dem Papier fordern die Koalitionsfraktionen die Regierung auf, das unter russischer Souveränität stehende Gebiet um Königsberg weitgehend in die Ostsee-Zusammenarbeit zu integrieren. Am 1. Juli übernimmt Deutschland erstmals den Vorsitz im Ostseerat, dem alle Ostseeanrainerstaaten sowie Norwegen, Island und die EU angehören.

Einen Antrag der Unions-Fraktion verwies der Bundestag mit der Stimmenmehrheit der Regierungskoalition in die Ausschüsse. In der Unions-Vorlage wird darauf verwiesen, daß die Region um Königsberg nach den EU-Beitritten Polens und der baltischen Staaten zu einer Enklave innerhalb der Gemeinschaft werde. Die Einbindung Rußlands in den europäischen Einigungsprozeß benötige deshalb eine koordinierte EU-Ostseepolitik.

Der Staatsminister im Auswärtigen Amt, Christoph Zöpel (SPD), kündigte, ebenso wie die Grünen-Abgeordnete Angelika Beer, an, der Arbeit des Ostseerates unter deutschem Vorsitz mehr Gewicht geben zu wollen. Besondere Bedeutung käme dabei den drei Bereichen Wirtschaft, Ökologie und Wissenschaft zu, sagte Zöpel. Beer fügte hinzu: "Wir wollen den Vorsitz dazu nutzen, um die Verzahnung von Ostsee-Rat und EU zu stärken."

Der stellvertretende Ministerpräsident von Mecklenburg-Vorpommern, Helmut Holter (PDS), betonte in der Bundestagsdebatte, alle anstehenden Entscheidungen zum Ostsee-Raum müßten mit Rußland abgestimmt werden. Schleswig-Holsteins Ministerpräsidentin Heide Simonis (SPD) forderte nachdrücklich eine Stärkung des Ostseerates.

Skeptiker – insbesondere auf russischer Seite – befürchten, daß es bei diesen Überlegungen im wesentlichen nicht um Wirtschaft, Ökologie oder um Wissenschaft oder um den Ostsee-Rat gehe. Vielmehr strebten die Strategen von Ostseerat und EU vor allem an, die Russen und speziell die russische Armee aus dem nördlichen Ostpreußen zu verdrängen. Und es gehe "natürlich" darum, zu verhindern, daß die Deutschen in dieses Vakuum nachstießen. Das Gebiet sollten dann Polen und Litauer im Auftrag der Europäischen Kommission in Brüssel verwalten. Die Deutschen würde man insofern an dieser Operation noch beteiligen, als die Bundesrepublik Deutschland einen Gutteil der Kosten für die Verwaltung übernehmen soll.

In Brüssel arbeite, so heißt es, EU-Kommissar Günter Verheugen an der Realisierung dieser Vision. Der für die EU-Osterweiterung zuständige EU-Beamte solle Moskau davon überzeugen, daß ein Abzug auch in seinem Interesse sein könnte. Doch die russische Seite lehnt einen Abzug kategorisch ab und verweigert sogar das Gespräch darüber. Als Verheugen im Mai in Königsberg mit der russischen Verwaltung sprechen wollte (Das Ostpreußenblatt berichtete), lehnte Gebietsgouverneur Leonid Gorbenko jede Diskussion mit dem deutschen Emissär aus Brüssel ab und verweigerte ihm sogar die Einreise. Hagen Nettelbeck