26.04.2024

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08.07.00 Moral oder Geschäft: Was Chinesen und Europäer gemeinsam haben

© Das Ostpreußenblatt  / Landsmannschaft Ostpreußen e.V. / 08. Juli 2000


Die Toten von Dover: Schock und Heuchelei
Moral oder Geschäft: Was Chinesen und Europäer gemeinsam haben

Tausend Verkehrstote verteilt auf tausend einzelne Unfälle regen niemanden auf, – doch wenn ein Besoffener ohne Führerschein gleich ein Dutzend Menschen auf einmal ins Jenseits befördert, dann rufen die Besserwisser sofort nach radikaler Verschärfung der Geschwindigkeits- und Alkoholvorschriften!

Auch die "Flüchtlingstragödie von Dover" paßt genau in dieses absurde Schema, wobei schon allein die Schlagzeilen für Volksverdummung sorgen: Denn "Dover" war bloß der Ort, wo die Sache zutage kam, und "Flüchtlinge" gab es gewiß auch keine. Nur "Tragödie" stimmte ...

"Grenzen auf", rufen also jetzt wieder einmal die Guten, denn dann könne sowas doch nicht passieren. "Grenzen zu", denken heimlich die Bösen, denn dann könne es ja ebenfalls nicht passieren. Und "Besser kontrollieren", sagen die Pragmatiker: Wohl wissend, daß das noch mehr Schikanen und Kosten für gesetzestreue Bürger bedeutet (wie beim Verkehr), – aber nicht wissen wollend, daß damit die Probleme bloß verdrängt werden und die Schlepper dann noch höhere "Honorare" kassieren.

Die chinesische Haltung ist nicht minder widersprüchlich: Betroffenheit herrscht vor allem in jener Gegend, wo die Erstickten herstammen und wo die Familien der Opfer einander teils sogar persönlich kennen. Aber auch die breite Öffentlichkeit steht unter Schock, und selbst die Bestürzung hartgesottener KP-Funktionäre wirkt echt. Nicht zu Unrecht vermutet Peking die kriminellen Drahtzieher des Menschenschmuggels im Ausland. Aber mitverantwortlich gemacht werden auch westliche Regierungen, deren viel zu großzügige Asylpolitik eine wahre "Sogwirkung" habe. Was westliche Ohren dabei keinesfalls überhören sollten: Die Gewährung von "Asyl" an offensichtliche Emigranten wird von Peking und von heimattreuen Chinesen als nationale Beleidigung empfunden!

Andererseits stehen auf "Republikflucht" nur Geldstrafen, und ertappte Schlepper kommen mit ein paar Jahren Gefängnis davon, sofern sie nicht ohnehin von lokalen Korruptionisten gedeckt werden. Die Regierung weiß, daß von Schleppern jährlich etwa 100 000 Menschen in die Zielländer gebracht werden und daß Hunderte, vielleicht Tausende die Fahrt im südchinesischen Meer nicht überleben. Es ist dort ungleich riskanter als etwa in den Meerengen von Gibraltar oder Otranto, weshalb Chinesen heute eher den relativ sichereren Landweg über Rußland wählen. Die Chinesen von Dover waren übrigens vier Monate unterwegs und hatten laufend Kontakt zur Heimat, was im Falle politisch Verfolgter sicher vom Regime unterbunden worden wäre.

Das Dilemma der Behörden: Ein rigides Auftreten gegen illegale Auswanderung stünde in logischem Widerspruch zum Kampf gegen die Übervölkerung. Da vorwiegend Männer ihr Glück im Ausland suchen, reduziert sich außerdem der Männerüberschuß. (Die "Ein-Kind-Familienpolitik" kombiniert mit den traditionellen Vorurteilen bringt es ja mit sich, daß Millionen weiblicher Föten abgetrieben werden.) Dazu kommt, daß die Überweisungen und direkten Investitionen erfolgreicher Auslandschinesen längst zu wesentlichen Wirtschaftsfaktoren geworden sind. Und nicht zuletzt lassen sich Auslandschinesen gegebenenfalls als "Fünfte Kolonne" nutzen.

Wirtschaftsflüchtlinge (egal welcher Nationalität), die sich in die Hände von Schleppern begeben, werden in mehrfacher Hinsicht zu Opfern: Einmal Opfer der eigenen Illusionen über das Leben im goldenen Ausland. Weiteres Opfer von Verpflichtungen gegenüber der eigenen Sippe, denn wenn diese das Reisegeld zusammengekratzt hat, fordert sie ja auch, nachgeholt oder ewig mit Überweisungen bedacht zu werden. Und vor allem Opfer der Schleppermafia, die nicht selten mit Lokalpolitikern unter einer Decke steckt. Da die Mafia Notlagen ausnützt und "Kredite" gewährt, geraten Unzählige in eine Art Sklaverei: Jahrelang müssen sie unter elenden Bedingungen die "Transportspesen" abarbeiten oder werden zu Kriminalität und Prostitution gezwungen. Und da das "Gesetz des Schweigens" mit aller Grausamkeit durchgesetzt wird, stehen auch die Behörden der "Gastländer" dem Treiben machtlos gegenüber, sobald ethnische Infrastrukturen die kritische Masse überschritten haben!

Wer angesichts dieser Tatsachen Immigranten zu Asylbewerbern macht, handelt nicht human und schon gar nicht "christlich", sondern bewirkt nur, daß sich noch mehr Menschen ins Unglück stürzen ("Sogwirkung"), daß die wirklich Verfolgten marginalisiert werden und daß Fremdenfeindlichkeit entsteht. – Nicht Probleme importieren, sondern Lösungen exportieren, sollte die Devise lauten. Doch aus der Bekämpfung von "Rassismus" läßt sich eben trefflich Kapital schlagen – politisches und ganz gewöhnliches. R. G. Kerschhofer