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15.07.00 Blamiert

© Das Ostpreußenblatt  / Landsmannschaft Ostpreußen e.V. / 15. Juli 2000


EU: Blamiert
Von Hans Heckel

Oh, diese Österreicher! Gönnerhaft hatten sich die 14 Sanktionsstaaten schon hinuntergebeugt zum kleinen Alpenvolk und Wien einen Ausweg aus der Isolation zugezwinkert: Drei "Weise" sollen die "Natur der FPÖ" unter die Lupe nehmen. Wenn deren Ratschluß befriedigend ausfalle, würde alles wieder gut sein.

Österreichs Koalitionsregierung war sogar bereit, diese merkwürdige Schau zuzulassen. Welches andere Land ließe sich derartiges gefallen? Man stelle sich die Reaktionen in Paris vor, wenn eine Art Kontrollkommission, bestehend aus, sagen wir mal, einem Griechen, einem Portugiesen und einem Finnen, an der Seine aufkreuzte, um die "Natur" der in Frankreich mitregierenden Postkommunisten zu untersuchen – um dann quasi moralisch über die französische Regierung Gericht zu halten. Das unwillkürliche Schmunzeln über diese Vorstellung verdeutlicht, in welch absurde, ja entwürdigende Situation die 14 Regierungen sich, Österreich und die Europäische Union manövriert haben.

Doch Wien hat das ausgehalten und macht den Schabernack mit – bis zu einer gewissen Grenze: Diesen kuriosen "Weisen" sollte ein Zeitpunkt vorgegeben werden, an dem sie ihren Bericht abzuliefern hätten. Doch Brüssel setzte kein Datum, was heißen könnte, daß Österreich unter ein womöglich unbegrenztes Kuratel gesetzt würde.

In einem Kompromiß zwischen Kanzler Schüssel und der FPÖ (hier soll der Ex-Parteichef und Kärntner Ministerpräsident Haider eine zentrale Rolle gespielt haben) wurde eine Volksbefragung der Österreicher über ihre Erwartungen an die EU beschlossen.

Die anberaumten Termine (29. Oktober oder 26. November) sind ein Wink mit dem Zaunpfahl: Am 13. Oktober findet in Biarritz einer der beiden großen EU-Gipfel unter der französischen Ratspräsidentschaft statt. Dort, so Schüssel, könnten jene "Weisen" ihren Bericht vorlegen. Falls dies nicht geschieht und die Sanktionen in Biarritz nicht umgehend begraben werden, komme die Befragung.

In dem Fragekatalog findet sich nicht allein die Forderung nach Aufhebung der Sanktionen. Auch werden Punkte berührt, die sich nach den Erfahrungen des vergangenen halben Jahres aufdrängen: Etwa, ob die EU die Gleichberechtigung aller Mitgliedstaaten garantiere oder ob die EU das Grundrecht jedes Landes auf freie demokratische Wahl seiner Regierung achte. Hinzu kommen die Fragen nach Einhaltung des Rechtsstaats und der Menschenrechte sowie der klaren Aufgabenabgrenzung zwischen EU und Nationalstaaten. Schließlich will Wien von den Österreichern wissen, ob es sich dafür einsetzen soll, daß "ein rechtsstaatliches Verhalten bei behaupteter Verletzung von Grundwerten der Union mit richterlicher Kontrolle in den EU-Vertrag aufgenommen wird".

Alle sechs Fragen sind so formuliert, daß ihre Bejahung einem Auftrag des Volkes an die Wiener Regierung gleichkommt, entsprechend in Brüssel aktiv zu werden.

Die Reaktion war ein Aufschrei der 14 EU-Sanktionsstaaten. Von "Ultimatum" ist die Rede, Öl habe Wien ins Feuer gegossen, wo man doch schon auf so gutem Wege gewesen sei etc., etc.

Wien zwingt die EU-Partner, Farbe zu bekennen. Die Österreicher wollen nicht zulassen, daß sich die Zauberlehrlinge nach gründlich mißlungenem Hasardspiel in die Büsche schlagen und so tun können, als sei gar nichts passiert. Es will und kann (im österreichischen wie europäischen Interesse) den 14 die Blamage nicht ersparen, indirekt einzuräumen, daß sie gefährlichen Unsinn angestellt haben. Denn die Sanktionen gegen die Alpenrepublik geschahen unter rücksichtslosem Bruch des Amsterdamer Vertrages von 1997. Dort wurde festgelegt, daß Sanktionen erst nach Untersuchung und offizieller Feststellung eines Vertragsbruchs durch ein Mitgliedsland erlassen werden dürfen. Im Falle Österreichs verfuhr man nach dem Muster: Hängen nach Verdacht, untersucht wird später.

So etwas darf sich niemals wiederholen, soll die EU nicht in ihren Fundamenten unterspült werden können von jedem sanktionsversessenen Heißsporn, der innenpolitisch punkten will auf Kosten eines EU-Partners und mithin der gesamten europäischen Einheit.