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15.07.00 Warschauer Historiker: Wehrmacht kam Roter Armee 1941 nur um zwei Wochen zuvor

© Das Ostpreußenblatt  / Landsmannschaft Ostpreußen e.V. / 15. Juli 2000


Plante Stalin "Polnische Sowjetrepublik"?
Warschauer Historiker: Wehrmacht kam Roter Armee 1941 nur um zwei Wochen zuvor

Wenn am 22. Juni 1941 die deutsche Wehrmacht nicht in die UdSSR einmarschiert wäre, hätte zwei Wochen später die Rote Armee eine Großoffensive gegen Deutschland und seine Verbündeten begonnen. Dies ist offenbar nicht länger nur die These kritischer deutscher und russischer Historiker. Laut der Warschauer Wochenzeitung "Kulisy" (Kulisse) haben sich jetzt auch polnische Geschichtswissenschaftler diese Sicht zu eigen gemacht.

Das Blatt zitiert den Militärhistoriker Rafael Jablonski. Ihm zufolge hätte dabei Moskau auf ein Bündnis mit London gesetzt, um Deutschland, Italien, Ungarn, Vichy-Frankreich und die übrigen Alliierten Hitlers in die Zange zu nehmen.

Für seine polnische Heimat hätte dies, so suggeriert Jablonski, die Folge gehabt, als Sowjetrepublik (wie die baltischen Länder) ganz in den russischen Staat einverleibt zu werden.

Zur Untermauerung seiner These führt Jablonski eine ganze Reihe von Indizien an, die an sich für jeden, der die Debatte der vergangenen zehn Jahre offenen Auges verfolgt hat, kaum revolutionär Neues bergen.

So streicht der polnische Historiker die Stationierung von über 7275 Raupenfahrzeugen des Typs "BTT" an der Westgrenze von Stalins Machtbereich heraus. Diese sowjetischen Spezialfahrzeuge konnten ihre Ketten absprengen und als (schnellere) Radpanzer auf Straßen und Chausseen fahren. Dafür hinreichend gute Verkehrswege habe es aber nur in Westpolen und Deutschland in großer Zahl gegeben, weshalb "BTT" zur Verteidigung des sowjetischen Raumes ungeeignet gewesen sei. Auch habe Stalin Regimenter des berüchtigten Geheimdienstes NKWD an die Demarkationslinie verlegt mit der einzigen Aufgabe, die polnischen Gefangenen auszufragen. Da Polens Armee geschlagen war, offenbar mit dem Ziel, mehr über die Gegebenheiten im deutsch besetzten Westteil des Landes zu erfahren.

Überhaupt sei das sowjetische Waffenarsenal bei Kriegsbeginn gewaltig gewesen und weise auf Angriffsabsichten hin. So habe die UdSSR bis Mitte 1941 26 516 Panzer produziert, denen lediglich 3700 deutsche Tanks gegenübergestanden hätten. Stalin habe zudem 4500 Panzerwagen, Tausende Flugzeuge und 82 000 Geschütze und Mörser aufgeboten. Besonders auffällig erscheint Rafael Jablonski laut "Kulisy" darüber hinaus der Aufmarsch von Gebirgsjägereinheiten. Gebirge habe es lediglich auf der Seite der Achsenmächte gegeben – die Karpaten. Die in Position gebrachten sowjetrussischen Fallschirmjägertruppen hätten, so der polnische Militärhistoriker, die rumänischen Ölfelder besetzen sollen.

Mit Sicherheit habe Stalin mit einem Angriff Hitlers gerechnet, dem er zuvorkommen wollte, so Jablonski. Schon andere deutsche wie russische Historiker störten sich an dem Phänomen, wie es den unterlegenen deutschen Verbänden gelingen konnte, so schnell vorzustoßen und gewaltige Massen von russischen Soldaten gleichsam zu überrumpeln. Auch jene Wissenschaftler stellten die These auf, daß die Massierung russischen Potentials und ihre auf Angriff ausgerichtete Staffelung hierfür ausschlaggebend gewesen sein müßten – in Angriffsformation seien Heere durch feindliche Angriffe besonders verwundbar.

Solche Ansichten werden indes von seiten der offizösen deutschen Geschichtsschreibung noch immer unter den Verdacht der Relativierung von NS-Verbrechen gestellt, also vor allem aus politischen Gründen verworfen. Daß nun auch, wie "Kulisy" wissen will, polnische Forscher die These von Stalins unmittelbaren Angriffsabsichten aufgreifen, erscheint vor diesem Hintergrund besonders bemerkenswert. Vor allem angesichts der für Polen alarmierenden Schlußfolgerung, daß der polnische Staat bei einem anderen Verlauf der Geschichte nicht "nur" von Hitler besetzt und als Moskaus Satellit weitere 45 Jahre unterjocht worden wäre, sondern nach nur zwei Jahrzehnten Unabhängigkeit schon wieder aufgehört hätte, als Staat zu existieren. Joachim G. Görlich / H.T.