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15.07.00 Dienen und Verdienen: Hitlers Geschenke an seine Eliten

© Das Ostpreußenblatt  / Landsmannschaft Ostpreußen e.V. / 15. Juli 2000


Zwischen Großzügigkeit und Bestechung
Dienen und Verdienen: Hitlers Geschenke an seine Eliten

Wovon lebte eigentlich der "Führer"? Obwohl Adolf Hitler bis 1925 niemals und in den Jahren danach nur sporadisch als Steuerzahler in Erscheinung getreten war, konnte er sich bereits im Jahre 1928 das Haus auf dem Obersalzberg kaufen. In seiner Münchener Zeit war er als Vorsitzender der NSDAP, durch Redenhonorare, veruntreute Anteile an Parteispenden, Zuwendungen aus geheimen Fonds der Reichswehr und Geschenke von wohlhabenden Familien und Industriellen gut versorgt. Nach der Machtergreifung konnte er als Reichskanzler und Reichspräsident das doppelte Gehalt einstreichen. Reich machten ihn jedoch – neben der jährlichen "Adolf-Hitler-Spende der Deutschen Wirtschaft" – die Tantiemen, die er für "Mein Kampf" und für die "Führer"-Briefmarken kassierte. Zuletzt dürfte Hitler, der seit 1934 von allen Steuerzahlungen befreit war, mehrere Hundert Millionen Reichsmark Vermögen gehabt haben – nach heutiger Kaufkraft ein Milliardenvermögen.

Ueberschär, bis 1996 Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Militärgeschichtlichen Forschungsamt, und Vogel, Brigadegeneral a. D. und ehemals im Streitkräfteamt in Bonn tätig (und dort als Zuarbeiter des umstrittenen Reemtsma-Institutes in der Kritik – Anm d. Red.) analysieren in ihrem Buch eine bisher wenig behandelte Seite des Nationalsozialismus: nämlich die Korruption im "Dritten Reich" und die schamlose Selbstbedienungsmentalität der Führungsschicht.

Es geht um Dotationen, das heißt um Schenkungen Adolf Hitlers an seine Paladine und an die politischen und militärischen Machteliten. Diese Dotationspraxis läßt sich bis ins 17. Jahrhundert zurückverfolgen. Könige vergaben Grundeigentum oder höhere Geldbeträge für besondere, vor allem militärischen Leistungen. Friedrich Wilhelm III. beispielsweise belohnte nach den Befreiungskriegen Blücher und Hardenberg jeweils mit 450 000 Talern, damals enorme Summen. Die bekanntesten königlichen Schenkungen durch Wilhelm I. waren diejenigen an den Reichskanzler. Im Jahre 1867 erhielt Bismarck die Herrschaft Varzin, ein Rittergut, zu dem 11 000 Morgen Wald gehörten. Vier Jahre später bekam er den Domanialbesitz Schwarzenbek mit dem umliegenden, 25 000 Morgen großen Sachsenwald.

Solche Dotationen wurden in früheren Jahrhunderten noch in selbstverständlicher Offenheit, oft sogar während eines Staatsaktes, als Zeichen fürstlicher Huld und Gnade vergeben. Aber bereits in der Weimarer Republik verfügte Reichspräsident von Hindenburg nur noch über bescheidene Haushaltsmittel, die er für "besondere Notfälle" einsetzen konnte. Adolf Hitler übernahm diese "Verfügungsmittel des Reichspräsidenten", außerdem setzte er die Finanzmittel, über die er als Reichskanzler gebot (das waren noch 1944/45 etwa 40 Millionen Reichsmark), für die systematische Korrumpierung von Machteliten ein. Die ehemals öffentlich herausgestellten kaiserlichen Dotationen wurden nun in aller Heimlichkeit vergeben – und änderten dadurch ihren Charakter.

Hitler nutzte von Anfang an die Dotationen als Machtmittel. Er achtete deshalb streng darauf, daß er über sie allein verfügen konnte. Zum Kreis der Dotationsempfänger gehörten Feldmarschälle, Generale und Admirale, Minister und Staatssekretäre, NSDAP-Gauleiter und andere hohe Partei-Funktionäre, außerdem Künstler, Architekten und Freunde und Bekannte Hitlers. Einigen verschuldeten hohen Funktionären half Hitler aus, um für die Partei peinliche Offenbarungseide zu verhindern. So wurden Reichswirtschaftsminister Walther Funk 520 000 Reichsmark (RM) gezahlt, weil er sich beim Ausbau seiner Sommerresidenz übernommen hatte.

Ueberschär und Vogel beschreiben – gestützt auf umfangreiche Archivstudien – sehr detailliert Dutzende solcher Schenkungen. Anhand zahlreicher Fallbeispiele belegen sie die nicht selten exzessive Geldgier einiger Parteigenossen. Besonders dreist ging etwa der SA-Stabsschef Viktor Lutze vor, der eine Dotation über 154 000 RM mit der Begründung als Darlehensschuld geltend machte, der "Führer" könne ja jederzeit die Rückzahlung verlangen. Auf diese Weise erwirkte er über mehrere Jahre eine Befreiung von der Vermögenssteuer.

Häufig kam es zwischen dem für die Dotationen zuständigen Leiter der Reichskanzlei, Hans-Heinrich Lammers, und den Auserwählten zu langwierigen Auseinandersetzungen über Art und Umfang der Schenkungen. Vor allem als sich die Großzügigkeit Hitlers in den letzten Kriegsjahren in höchsten Kreisen herumgesprochen hatte, wandten sich viele sogar direkt an Lammers. Noch im März 1943 sicherte sich Göring eine Schenkung von sechs Millionen RM (der Facharbeiterlohn lag zu dieser Zeit bei etwa 80 Reichspfennig pro Stunde). Und Ribbentrop erhielt nur einen Monat später insgesamt eine Million Reichsmark.

Ueberschär und Vogel verzichten darauf, die vielen Einzelfälle systematisch zu ordnen. So bleibt unklar, welche Bedeutung die Dotationen für die Aufrechterhaltung des NS-Herrschaftssystems hatten. Eine umfassende Analyse der Korruption im "Dritten Reich" steht noch aus – die Autoren haben aber zweifellos eine bedeutende Pionierarbeit zu leisten. Frank Ufen

Gerd R. Ueberschär / Winfried Vogel: Dienen und Verdienen. Hitlers Geschenke an seine Eliten, S. Fischer Verlag, Frankfurt am Main 1999, 302 S., 44 Mark