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22.07.00 Das historische Kalenderblatt: 16. Juli 1929

© Das Ostpreußenblatt  / Landsmannschaft Ostpreußen e.V. / 22. Juli 2000


Das historische Kalenderblatt: 16. Juli 1929
Triumph deutscher Technik
Die Erringung des "Blauen Bandes" durch die "Bremen" hatte große Symbolkraft
Von Philipp Hötensleben

Der Stolz des Norddeut schen Lloyd, der neue Schnelldampfer "Bremen", startet am 16. Juli 1929 zu einer triumphalen Jungfernfahrt. Auf Anhieb gelingt mit einer Durchschnittsgeschwindigkeit von damals sagenhaften 27,83 Knoten die bis dahin schnellste Atlantiküberquerung und damit der Gewinn des Blauen Bandes.

Der Stapellauf der "Bremen" liegt nur ein Jahr zurück. Die offizielle Übergabe des Schiffes an die Reederei erfolgt am 5. Juli 1929. Mit ihrer schnittigen Formgebung und ausgefeilten Maschinen- und Kesseltechnik setzt die 286 Meter lange und 56 000 BRT große "Bremen" auf allen Weltmeeren neue Maßstäbe. Sie wird für den internationalen Schiffsbau der 30er Jahre richtungsweisend.

Der Norddeutsche Lloyd will mit der "Bremen" und ihrem Schwesterschiff "Europa", das nach einem Brand erst 1930 zur Jungfernreise aufbrechen kann, wieder an die goldenen Zeiten der Passagierschiffahrt vor dem ersten Weltkrieg anknüpfen. Auch für den Norddeutschen Lloyd bedeuten die ersten Jahre nach dem verlorenen Krieg einen Neuanfang. Dabei hat die altehrwürdige Bremer Reederei noch Glück im Unglück, denn im Gegensatz zu ihren Konkurrenten, die auf Grund der harten Bestimmungen des Versailler Vertrages praktisch ihre gesamte Flotte verlieren, kann sie durch eine Sondervereinbarung wenigstens sechs Schiffe ihrer Vorkriegsflotte behalten. Dies ermöglicht dem Norddeutschen Lloyd die Wiederaufnahme eines normalen Geschäftsbetriebs, wenn auch zunächst in einem eher bescheidenen Umfange.

Als die "Bremen" am 16. Juli 1929 unter klingendem Spiel von Bremerhaven in Richtung New York ablegt, ahnt zu diesem Zeitpunkt noch niemand, daß der Schnelldampfer mit dieser Jungfernfahrt Geschichte schreibt. Da das Wetter mitspielt, heißt es: "Volle Kraft voraus!" Dröhnend geben die vier Turbinen ihre Kraft von 130 000 PS an die vier gewaltigen Schiffsschrauben weiter. Mit einer Geschwindigkeit von fast 28 Knoten fliegt das Schiff förmlich über das Wasser und macht seinem Namen als Schnelldampfer alle Ehre.

Derweil genießen die gutbetuchten Passagiere die exklusive und elegante Ausstattung. Den hervorragenden Service an Bord garantieren 1000 Besatzungsmitglieder, die die Reisenden mit exquisiten Gaumenfreuden verwöhnen und ihnen jeden Wunsch von den Augen ablesen.

Als nach nur 4 Tagen, 12 Stunden und 17 Minuten vor der "Bremen" die Silhouette der Wolkenkratzer von New York auftaucht, ist die Erringung des legendären Blauen Bandes gesichert. Um ganze acht Stunden unterbietet die "Bremen" damit den bisher gültigen Rekord!

In Deutschland wird dieser Triumph als nationaler Sieg gefeiert. Er ist auch ein Beleg und Gütesiegel für die hervorragende Qualität des traditions- und ruhmreichen deutschen Schiffbaus und seiner Ingenieure und Techniker. Nach der schmachvollen Niederlage des Ersten Weltkriegs und dem als demütigend empfundenen Versailler Diktatfrieden wirkt der Erfolg der "Bremen" wie Balsam auf die deutsche Seele. Nicht zuletzt sieht man darin auch ein Symbol für den wirtschaftlichen Wiederaufstieg Deutschlands.

Für den Norddeutschen Lloyd ist die Erringung des Blauen Bandes jedenfalls ein gewaltiger Prestigegewinn. Die Bremer Reederei kann damit auch ihrer ruhmreichen Firmengeschichte ein weiteres Erfolgskapitel hinzufügen, denn bereits 1882 holte der nur 4500 Tonnen große Lloyd-Dampfer "Elbe" das begehrte Blaue Band. Daß die "Elbe" bei ihrer Rekordfahrt nur die halbe Geschwindigkeit der "Bremen" erreicht hat, verdeutlicht den seitdem erreichten technischen Entwicklungssprung. Obwohl die formschöne "Bremen" ein wahrer Publikumsmagnet ist, bleibt – bedingt durch die nur langsam abklingenden Auswirkungen der Weltwirtschaftskrise – der zu erwartende große wirtschaftliche Erfolg aus. Die allgemein unsicheren Zeiten und der schon seine Schatten vorauswerfende Zweite Weltkrieg wirken sich zusätzlich negativ auf das Passagiergeschäft aus.

Niemand will mehr Ende der 30er Jahre aus purem Vergnügen eine Ozeanüberquerung oder eine Kreuzfahrt unternehmen. Wegen der drohenden Kriegsgefahr verläßt die "Bremen" am 20. August 1939, zur Sicherheit ohne Passagiere an Bord, New York und steuert außerplanmäßig den russischen Hafen Murmansk an. Am 10. Dezember 1939 startet das Schiff zu seiner gefährlichen Heimreise nach Bremerhaven. Mit der erfolgreichen Durchbrechung der alliierten Seeblockade schreibt die "Bremen" erneut Seefahrtsgeschichte.

Fortan dient der Dampfer jedoch nur noch als Wohnschiff für die Kriegsmarine. Bei der Operation "Seelöwe", dem von Hitler ursprünglich beabsichtigten, dann jedoch wieder aufgegebenen Plan einer Invasion Englands, ist die "Bremen" als Truppentransporter vorgesehen.

Statt dessen ereilt den einstmals so stolzen Schnelldampfer am 16. März 1941 durch Brandstiftung ein unrühmliches Ende. Ein 17jähriger Schiffsjunge hat an Bord ein Feuer gelegt, das sich so schnell ausbreitete, daß die Feuerwehr dem gewaltigen Flammeninferno machtlos gegenüber steht. Der jugendliche Brandstifter schweigt zu den Gründen für seine Tat. Weder für eine Verzweiflungstat aus Liebeskummer noch für einen Racheakt für ungerechte Behandlung durch seine Vorgesetzten oder einen Sabotageakt im Auftrag der Feindmächte lassen sich schlüssige Beweise finden. Schließlich wird der Täter zum Tode verurteilt, doch die Hintergründe für seine Tat bleiben bis heute im Dunkeln.

Nach dem Krieg wird das völlig ausgebrannte Schiff abgewrackt. Der Rest des verglühten Schiffskörpers wird am 1. April 1946 weseraufwärts geschleppt und vor Nordenham versenkt. Noch heute kann man dort bei extremem Niedrigwasser von der Fähre aus den Torso der einst so ruhmreichen und stolzen "Bremen" sehen, die den Wiedereintritt Deutschlands in den Kreis der großen Schiffahrtsnationen der Welt verkündet hat.